Frankfurt/Main. Die DFL-Mitgliederversammlung am Mittwoch wird zur Zerreißprobe. Gegen den Einstieg eines Investors regt sich großer Widerstand.

Eigentlich müssten die Vermarkter bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ja auf einer rosaroten Wolke schweben. Es wartet ein Herzschlagfinale von historischer Tragweite; am letzten Spieltag gibt es keine Partie, in der es um nichts geht. Und einen Titelkampf, der womöglich endlich einen anderen Meister als den FC Bayern hervorbringt. Trotzdem regt sich Unmut, nicht zu übersehen und überhören: In Mainz war am Sonntag der Fanblock mit Transparenten überzogen, die sich gegen den Einstieg eines Investors bei der DFL wandten – unterlegt mit Gesängen: „Ihr macht unseren Sport kaputt.“ In München gingen Plakate hoch: „Koan Ausverkauf“. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Drei Tage vor dem flirrenden Finale wird eine außerordentliche DFL-Mitgliederversammlung zur Zerreißprobe. Die Vertreter der 36 Profiklubs versammeln sich ab 11.30 Uhr in einem Hotel am Frankfurter Flughafen, um darüber abzustimmen, ob konkrete Verhandlungen mit einem strategischen Partner aufgenommen werden. Ein Private-Equity-Unternehmen soll für eine Laufzeit von 20 Jahren mit 12,5 Prozent an den Medieneinnahmen beteiligt werden und dafür zwei Milliarden Euro zahlen. Eine solche Finanzspritze hat der deutsche Fußball noch nie erhalten – aber er hat mit Hertha BSC gerade das Lehrbeispiel geliefert, dass er mit (zu) viel Geld nicht gut umgeht.

1. FC Köln gegen Investor bei der DFL

Die Interimsbosse Axel Hellmann (Eintracht Frankfurt) und Oliver Leki (SC Freiburg) bezeichnen einen strategischen Partner zwar als „alternativlos“, müssen aber konstatieren, dass sie die Fliehkräfte des mit Jan-Christian Dreesen (FC Bayern) und Rüdiger Fritsch (Darmstadt 98) aus der AG Zukunftsszenarien ausgetüftelten Deals unterschätzt haben. Formal reicht eine Zweidrittelmehrheit, Leki wünscht sich lieber eine „starke Mehrheit aus Überzeugung“. Problem: Eine einheitliche Haltung gibt es nicht. Aus der Bundesliga führt der 1. FC Köln die Speerspitze des Widerstands an und hat seinen Mitgliedern die Ablehnung schriftlich begründet.

Mit Vizepräsident Eckhard Sauren warnt ein Dachfondsmanager davor, „einen Teil der Entscheidungsfreiheit verlieren“. Die Weiterentwicklung eines Klubs und deren Finanzierung sei nicht Aufgabe des DFL-Managements. Der Zeitplan für „das größte Restrukturierungsprojekt“ mit grünem Licht für den Geldgeber im Juli sei „absurd“, weil die Amtszeiten von Leki und Hellmann bald enden. Alternativ solle man sich einen Bankkredit besorgen, das Namensrecht der Bundesliga veräußern oder notfalls noch eine Anstoßzeit schaffen – alles besser, als einen Investor ins Haus zu holen.

Diskussion um internationale Wettbewerbsfähigkeit

Auch Zweitligist FC St. Pauli sieht eine rote Linie überschritten. Präsident Oke Göttlich will einen Antrag stellen, die Entscheidung zu verschieben. Ungewiss, ob es dazu kommt. Ja oder Nein zum Investor zu sagen, ist zur Gewissensfrage geworden. Im Europapokal möchte gefühlt irgendwann jeder mitspielen, aber über die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Klubs wird gerade wieder diskutiert; die Nationalmannschaft hat den Anschluss verloren und dem Erscheinungsbild massiv geschadet. Es wäre interessant, wenn die eingebrochene Auslandsvermarktung mal auf diesen Aspekt untersucht würde.

Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli, will die Entscheidung über einen Investoren-Einstieg bei der DFL verschieben.
Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli, will die Entscheidung über einen Investoren-Einstieg bei der DFL verschieben. © dpa | dpa

Wofür braucht es die zwei Milliarden Euro? 40 Prozent würde die DFL behalten, um eine Streamingplattform für den internationalen Markt aufzubauen. 45 Prozent sind für Infrastrukturmaßnahmen vorgesehen, aber wer Stadion, Nachwuchsleistungszentrum oder Geschäftsstelle bereits fertig hat, kann das Geld anderweitig nutzen. Vermutet wird, das über diesen Topf eine Art Verlustausgleich der fehlenden Mediengelder bedient wird. Frei verfügbar sollen letztlich nur 15 Prozent sein. Doch ist die Gefahr wirklich gebannt, dass doch wieder nur Spieler und Berater profitieren?

Hellmann „kann die Ur-Ängste der Fans nachvollziehen“

Brisant wirkt zudem eine Veröffentlichung der Sportschau, dass der noch zu wählende Geldgeber unter vier Interessenten bei „besonders wichtigen Geschäften“ – und dazu zählt die Anfang 2024 startende Ausschreibung der TV-Rechte – ein Vetorecht erhalten soll. Zwar haben Hellmann wie Leki betont, dass auf Anstoßzeiten oder Formatfragen kein Zugriff besteht, aber Rendite ist nun mal oberstes Gebot für einen Investor. „Ich kann die Ur-Ängste der Fans nachvollziehen“, verspricht Hellmann, der selbst aus der Fan- und Förderabteilung eines Traditionsvereins kommt.

Informations- und Diskussionsrunden der Liga-Bosse haben die Skepsis nicht vertrieben. Die Opposition zieht sich inzwischen quer durch alle Spielklassen – bis runter in die vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) vermarktete 3. Liga. Aus der haben 16 Vereine eine Beteiligung an den Einnahmen gefordert und gar juristische Konsequenzen in den Raum gestellt. Befürchtet wird eine „geschlossene Gesellschaft“ der beiden Bundesligen – eine Barriere am Übergang in die zweite Liga. Die Beschwerde ist ernst zu nehmen, denn diese Spielklasse ist voll von traditionsreichen Marken mit starker Fanbasis. Dort wird die DFL in weiten Teilen ohnehin bis heute als reiner Vermarktungsverbund wahrgenommen – und der umstrittene Milliardenplan verstärkt genau dieses Bild.