Al-Khor. Titelverteidiger Frankreich ist ins WM-Finale eingezogen und trifft dort auf Argentinien. Gegen Marokko gewann der Favorit mit 2:0.
Die Weltmeisterschaft 2022 bekommt ein Traumfinale, am Sonntag (16.00 Uhr MEZ/ARD und MagentaTV) werden in Lusail Argentinien und Frankreich versuchen, den begehrtesten goldenen Pokal der Welt zu gewinnen. Die Franzosen besiegten am Mittwochabend Marokko in einem engen, einem umkämpften Halbfinale 2:0 (1:0), die Treffer gelangen Theo Hernandez (5.) und Randal Kolo Muani (79.). Der Weltmeister kann am vierten Advent seinen Titel verteidigen, zuletzt gelang dies Brasilien im Jahr 1962.
Frankreich überlässt Marokko den Ball und die Initiative
Marokkos Trainer Walid Regragui hatte seinen französischen Kollegen Didier Deschamps vor dem Spiel als besten Trainer der Welt bezeichnet, und in jedem Fall ist Deschamps pragmatisch veranlagt. Der 54-Jährige hatte seiner Mannschaft mitgegeben, dass sie dem Außenseiter, der sich bislang in diesem Turnier meist hinten eingeigelt hatte, ruhig mal den Ball überlassen könne. Die wohl bestbesetzte Nationalmannschaft in Katar zog sich daher in vielen Phasen zurück und schaute, was die Überraschungself der arabischen Welt so anstellen würde.
Und Marokko hatte seine Momente, trat selbstbewusst auf, manchmal konnte man sich schon fragen, wer hier der Favorit war. Ein Beispiel: Der Fallrückzieher von Jawad El Yamiq in der 43. Minute. Wie früher Cristiano Ronaldo lag dieser nach einem Eckball in der Luft und katapultierte den Ball auf das französische Tor. Dort verhinderten Frankreichs Torhüter Hugo Lloris und der Pfosten den Ausgleich, denn die französische Elf führte zu diesem Zeitpunkt ja bereits.
Diesmal patzte die bislang so sichere marokkanische Defensive mit ihrer Fünferkette nämlich schon in der fünften Minute. Frankreichs Raphael Varane spielte aus der Abwehr einen scharfen Pass auf Antoine Griezmann. Marokkos Jawad El Yamiq, der spätere Kunstschütze, rutschte am Ball vorbei. Griezmann konnte alleine in den gegnerischen Sechzehnmeterraum laufen, sein Zuspiel fand Kylian Mbappé. Zweimal wurde der 23-Jährige geblockt, dann flog der Ball nach links an den Fünfmeterraum. Dort lauerte Theo Hernandez und traf artistisch im Fallen. Ein Dämpfer für die meisten Menschen auf den Tribünen.
Schon den ganzen Tag über konnte man sie in Doha sehen, die roten Trikots, zahlreiche Marokkanerinnen und Marokkaner waren in Sonderflügen nach Katar gereist. Viele machten sich auf von der Hauptstadt aus ins rund 40 Kilometer entfernte Al-Bayt-Stadion in Al-Khor. Die Kräfteverhältnisse auf den Rängen waren klar verteilt, der kleine blaue französische Fanblock hatte keine Chance gegen die pfeifenden und singenden Anhängerinnen und Anhänger der Überraschungsmannschaft aus Nordafrika.
Jetzt aber war Marokko mit einer neuen Situation konfrontiert. Bislang musste Torhüter Bono bei dieser Weltmeisterschaft nur nach einem Eigentor hinter sich greifen, nun hatte ihn zum ersten Mal der Gegner überwunden. Walid Regraguis Elf musste also einen Spagat wagen, nämlich die Angriffsbemühungen intensivieren, ohne dabei die Balance zu verlieren. In der 10. Minute versuchte es Azzedine Ounahi aus knapp 20 Metern, Frankreichs Torhüter Hugo Lloris lenkte den Schuss am Tor vorbei.
Giroud verpasst das 2:0 für Frankreich
Fast wäre das neue Risiko Marokkos bereits in der 17. Minute schiefgegangen. Kapitän Romain Saiss unterlief einen Ball, Olivier Giroud stürmte auf das marokkanische Tor zu, traf jedoch nur den Pfosten. Kurz danach wurde Saiss mit Schmerzen ausgewechselt, für ihn kam Selim Amallah (21.).
Von der aufgeladenen Stimmung rund um das Spiel war auf dem Rasen wenig zu spüren. Frankreich und Marokko verbindet eine wechselhafte Geschichte, von 1912 bis zur Unabhängigkeit 1956 waren große Teile des heutigen Marokkos der einstigen Kolonialmacht Frankreich unterstellt. Über eine Million Menschen mit marokkanischen Wurzeln leben zudem in französischen Städten. Auf dem Platz ging es weitestgehend friedlich zu. Beide Mannschaften hatten mit Ungenauigkeiten zu kämpfen, viele Pässe gingen daneben. Marokko blieb meist am französischen Sechzehnmeterraum hängen. Frankreich setzte auf Umschaltmomente.
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In der zweiten Halbzeit wurde es ruppiger, härter. Kylian Mbappé rannte über den halben Platz und wurde von Nordin Amrabat umgegrätscht. Schiedsrichter Cesar Ramos hätte hier auch pfeifen können, ließ jedoch weiterlaufen. Marokko agierte jetzt noch selbstbewusster, drückte Frankreich in die eigene Hälfte. Immer wieder leiteten die Außenverteidiger Achraf Hakimi und Noussair Mazraoui Angriffe ein. Flanken rauschten in den Sechzehnmeterraum, allein es fehlte ein Abnehmer. Mbappé zerriss es nach einem Zweikampf sogar die Schnürsenkel. Aufgeben wollte Marokko nicht.
Dann aber tänzelte Kylian Mbappé durch den Sechzehnmeterraum, seinen Schuss hielt Torhüter Bono. Aber der eingewechselte Randal Kolo Muani von Eintracht Frankfurt staubte ab und entschied die Partie, in der Marokko mehr verdient gehabt hätte.