Gelsenkirchen. Der FC Schalke hat Trainer Frank Kramer nach dem 1:5-Desaster in Hoffenheim freigestellt. Und jetzt? Ein Kandidat ist Thomas Reis.
Kurz war die Nacht von Dienstag auf Mittwoch in einem Hotel vor den Toren von Sinsheim. Als sich die Verantwortlichen des FC Schalke 04 zusammensetzten, hatte der nächste Tag schon begonnen. Bei einem Bier feierten sie aber nicht den 47. Geburtstag von Sportdirektor Rouven Schröder. Ausgelassen war die Stimmung ohnehin nicht, ganz im Gegenteil. Der Vorstand und Schröder trafen im Anschluss an das 1:5-Debakel im DFB-Pokal bei der TSG Hoffenheim eine schwierige, aber keineswegs mehr überraschende Entscheidung: Frank Kramer ist nicht mehr Cheftrainer von S04, freigestellt nach vier Monaten und lediglich zwölf Pflichtspielen.
Beim Frühstück am Mittwochmorgen erfuhren es Schalkes Profis, um 10.40 Uhr die Öffentlichkeit. Da befand sich die Mannschaft schon im Bus auf dem Weg zurück ins Ruhrgebiet. „Bis zuletzt waren wir der Überzeugung, dass wir die Trendwende in der bestehenden Konstellation schaffen können. Aus unserer Sicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem wir personelle Veränderungen vornehmen müssen“, sagte Rouven Schröder.
In der Bundesliga-Tabelle ist Schalke auf Platz 17 abgerutscht, verlor zuletzt fünf Spiele in Folge bei einer desaströsen Tordifferenz von 3:16. Dabei präsentierte sich das Team nicht bundesligareif. Das sei ein ausschlaggebender Punkt gewesen, sagte Sportvorstand Peter Knäbel: „Die Art und Weise, wie wir insbesondere bei den Auswärtsspielen in Leverkusen und Hoffenheim aufgetreten sind, war des FC Schalke 04 nicht würdig.“ Nicht nur die Leistungen waren schlecht. Kramer, der seit seinem ersten Tag in Gelsenkirchen in der Kritik stand, unterliefen einige taktische Fehler mit einem ohnehin kaum konkurrenzfähigen Kader. Sein Ansehen im Team sank deshalb.
Sonntag spielt der FC Schalke 04 in Berlin
Eigentlich hatten Schröder und Knäbel geplant, Kramer auch im Bundesligaspiel bei Hertha BSC, einem Mitkonkurrenten im Abstiegskampf, noch eine Chance zu geben (Sonntag, 17.30 Uhr/DAZN). Doch die schreckliche Leistung in Hoffenheim änderte diese Meinung. Sofort stand keine Ersatzlösung bereit – vorerst übernehmen die Assistenztrainer. Gemeint ist damit in erster Linie Matthias Kreutzer, einer von Kramers Assistenten. Explizit wurde nicht Mike Büskens als Interimstrainer benannt. Der Aufstiegsheld hatte nach der Zweitliga-Meisterfeier betont, nicht noch einmal in die erste Reihe aufrücken zu wollen. Und dabei bleibt er.
Doch wie geht es dann weiter? Nach der Rückkehr aus Sinsheim schottete sich Schalke ab. Zu einer Pressekonferenz zum Trainer-Rauswurf lud der Klub nicht – unüblich. Das Auslaufen war zum ersten Mal in dieser Saison nicht öffentlich für Medien. Die Spieler blieben unter Kreutzers Anleitung in der Athletikhalle und fuhren dann nach Hause.
Ein Schalke-Kandidat: Thomas Reis
Ein Kandidat für die Trainer-Nachfolge ist der vor wenigen Wochen beim VfL Bochum freigestellte Thomas Reis, der schon im Sommer mit Schalke 04 flirtete. Über ihn diskutierten die Spieler im Bus und in der Kabine; vor allem Sebastian Polter, der unter Reis trainierte, war ein beliebter Gesprächspartner. Reis wäre verfügbar, eine Anfrage an den VfL über eine Freigabe gab es aber noch nicht, wie diese Zeitung erfuhr. Die Schalker zweifeln ohnehin daran, ob Reis dem Druck auf Schalke standhält, nachdem er in Bochum gelogen hatte, als er auf seine Gespräche mit Schalke angesprochen worden war. Aber: Rouven Schröder kennt Reis aus gemeinsamen Spielerzeiten in Bochum.
Viel Geld steht für die Suche nicht zur Verfügung. Auf der Trainer-Gehaltsliste steht nicht nur Kramer. Auch der im Februar freigestellte Dimitrios Grammozis bekommt Monat für Monat Geld von S04. In der Abstiegssaison 2020/21 hatte der Aufsichtsrat ein Budget von rund 10 Millionen Euro für Verstärkungen in der Winterpause bereitgestellt. Das geht diesmal nicht. Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers ist bereits mit dem zur Verfügung gestellten Gehaltsetat von 37 Millionen Euro ins Risiko gegangen. Entlastung könnte ein fixer Transfer von Amine Harit bringen, der nicht mehr viele Pflichtspiele für Olympique Marseille bestreiten muss, bis die Kaufpflicht in Höhe von rund 5 Millionen Euro greift. Da einige verletzte Profis inzwischen von der Berufsgenossenschaft bezahlt werden, spart Schalke dort eine sechsstellige Summe.
Schalke hat nun zwei Ex-Trainer unter Vertrag
Wen Schalke trotz dieser großen Probleme auch immer verpflichtet - der Wunsch ist, dass es noch vor Sonntag gelingt –, über den Trainer allein diskutierten die Verantwortlichen bei ihrem nächtlichen Hotel-Treffen nicht. „Die Analyse geht darüber hinaus“, sagte Knäbel. „Wir werden uns in allen Belangen verbessern müssen, um unser großes Ziel erreichen zu können.“ Die Einstellung der Spieler in Hoffenheim hat die Bosse erschreckt. Kramer sei ein „armer Hund“ gewesen, sagte Schröder dazu. Der Ex-Trainer bekannte, die Wehrlosigkeit sei ihm ein Rätsel gewesen.
Die Schalker setzen nun alles daran, bis zur langen WM-Pause doch noch ihr Zwischenziel zu erreichen – den 15. Tabellenplatz. „Nach dem Aufstieg haben wir uns gemeinsam einem Ziel verschrieben: dem Klassenerhalt in der Bundesliga. In den letzten fünf Ligaspielen vor einer außergewöhnlich langen Pause müssen wir punkten, um uns im Anschluss bestmöglich auf eine für unseren Verein wegweisende Rückrunde vorzubereiten“, sagte Rouven Schröder.
Schalke spielt noch gegen Freiburg und Bayern
Einfach wird das nicht – zu den fünf Gegnern zählen die Spitzenklubs SC Freiburg und Bayern München. Das versöhnlichste Statement des Tages kam ausgerechnet von Frank Kramer. „Ich bin sehr dankbar, dass ich Teil dieses großartigen Vereins sein durfte“, sagte er.