Budapest. Die Geduld der DFB-Verantwortlichen mit Leroy Sané geht langsam zu Ende. Oliver Bierhoff findet deutliche Worte für den Bayern-Star.

Leroy Sané sah makellos aus, als er gegen Mitternacht durch die Katakomben der Puskas-Arena in Ungarn schlenderte. Die auffällige Frisur saß, kein Tropfen Schweiß, kein Grashalm fand sich im Gesicht oder sonstwo. Das war ja auch kein Wunder, Sané hatte mit der Körperpflege in der Kabine keine große Mühe gehabt, weil er in den 90 Minuten zuvor beim 1:1 gegen Ungarn wenig Schweißtreibendes verrichtet hatte.

Leroy Sané enttäuscht im DFB-Trikot

Er hatte sich dieses dritte Nations-League-Spiel komplett von der Ersatzbank anschauen dürfen. Wobei, so ganz stimmt das nicht: Zwischenzeitlich hatte er sich mal warmmachen dürfen, als die Partie dem Ende entgegentrudelte. Und dann hatte er sich wieder hingesetzt. Obwohl die deutsche Mannschaft sich schwer tat, in Budapest so etwas wie ein ansehnliches und effektives Offensivspiel aufzuziehen, obwohl die Angriffe behäbig und uninspiriert waren, obwohl man dringend jemanden gebraucht hätte, der schnelle Dribblings und überraschende Aktionen im Angebot hat, verzichtete Bundestrainer Hansi Flick komplett auf Sanés Dienste. Erst wurde Ilkay Gündogan eingewechselt, dann Thomas Müller und Julian Brandt, zum Schluss sogar Lukas Nmecha und Karim Adeyemi – und spätestens das musste als klare Ansage bei Sané ankommen.

Herausragende Fähigkeiten lange nicht mehr gezeigt

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Einerseits waren Flicks Entscheidungen erstaunlich, denn Sané ist ja genau so einer, der dem Spiel hätte gut tun können: Er vereint Technik, Tempo und Unberechenbarkeit, er hat seine Fähigkeiten bei Manchester City und dem FC Bayern nachgewiesen, er gehört zu jener Sorte Spielern, die eine Partie mit einer einzigen Aktion im Alleingang entscheiden können.

Allerdings hat Sané diese Fähigkeiten lange nicht mehr nachgewiesen: Die Rückrunde beim FC Bayern war schwach. In Italien (1:1) stand er dennoch in der Startelf, blieb aber komplett wirkungslos und wurde nach nicht einmal einer Stunde ausgewechselt. Gegen England (1:1) saß er auf der Bank, kam in den letzten sieben Minuten und konnte nichts ausrichten. Und nun die (Denk-)-Pause, die zeigt, dass Flicks Geduld zu Ende geht.

Andere sprinten, er trabt: Leroy Sané beim Training.
Andere sprinten, er trabt: Leroy Sané beim Training. © dpa

Das zeigten später auch die Worte von Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff, der gar nicht erst versuchte, die gewaltige Formkrise des Offensivspielers wegzudiskutieren. „Es ist für ihn keine leichte Situation“, meinte Bierhoff. „Wir helfen ihm, aber er muss sich auch selbst helfen. Am Ende muss man sich als Spieler herauskämpfen.“ Der Bundestrainer hat einiges getan, er hat den Spieler gestreichelt, geschützt, gekitzelt – schon in der Zeit beim FC Bayern. „Hansi ist sehr kommunikativ, sehr aufbauend, versucht immer wieder, Spieler für sich zu gewinnen“, sagte Bierhoff. „Aber irgendwann muss man auch sagen: Das ist es jetzt – und dann muss ein Spieler auch etwas draus machen.“

DFB: Andere sprinten, Sané trabt

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Aber ist Sané bereit dazu? Die jüngsten Auftritte werfen Zweifel auf. In Budapest kam er über fünf Minuten später als alle anderen Mitspieler zum Aufwärmen auf den Rasen. Als er sich gegen Ende etwas dehnen durfte, wirkte er nicht sonderlich engagiert – wie überhaupt die gesamten zurückliegenden Wochen: Wann immer Journalisten beim Training der Nationalmannschaft zuschauen durften, sahen sie einen spannungsarmen Sané, der die Übungen selten mit großer Intensität ausführte, der trabte, wenn die anderen sprinteten. „Bei Leroy darf man die Körpersprache nicht überinterpretieren, das ist eben seine Art und Weise“, meinte Bierhoff zwar. „Dennoch weiß er, dass er trotz dieser Körpersprache seine Leistung bringen muss.“

Ex-Schalker Leory Sané ist kein Talent mehr

Grundsätzlich sind sie ja alle von Sanés Potenzial überzeugt, Bierhoff ebenso wie Flick. Aber Sané ist ja kein junges Talent am Beginn seiner Entwicklung mehr. Der frühere Schalker ist 26 Jahre alt, hat also das erreicht, was man gemeinhin bestes Fußballeralter nennt. Die Phase der Karriere, in der Leistungen verstetigt werden, konstant abgerufen werden. Ein Sané in Bestform macht es jedem Gegner schwierig. Ein Sané aber, von dem man nie weiß, was man bekommt, macht es jedem Trainer schwierig. Und so steht das einstige Wunderkind nun in der Pflicht, zu beweisen, dass er verstanden hat – vielleicht schon gegen Italien in Mönchengladbach am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF), spätestens aber in der kommenden Saison beim FC Bayern. Sonst wird er sich an einen Platz auf der Bank gewöhnen müssen.