Essen. Manuel Neuer und Thomas Müller nehmen weiterhin eine wichtige Rolle im deutschen Fußball ein. Doch das Ende ist absehbar.

Im Internet lassen sich Videos aufstöbern von einem der brisantesten Spiele Deutschlands in diesem Jahrtausend. WM 2010, Viertelfinale gegen Argentinien, Bundeskanzlerin Angela Merkel klatscht auf der Tribüne, Argentiniens Trainer Diego Maradona verzweifelt an der Seitenlinie, die deutsche Nationalmannschaft gewinnt 4:0. Eine neue Generation begeistert.

Zwölf Jahre später sitzt Manuel Neuer im „Marbella Football Center“ in Spanien auf einem Rattansessel, gerade hat er trainiert, jetzt erzählt er, dass er nur so lange spielen wolle, wie es ihm gutgeht. 36 Jahre alt ist der Torhüter mittlerweile, auf dem Platz trägt er die Kapitänsbinde. Beim FC Bayern, beim Deutschen Fußball-Bund. 2010 gegen Argentinien stand er in der Startelf, und immer noch prägt der gebürtige Gelsenkirchener den deutschen Fußball.

Zwei Profis plant Bundestrainer Hansi Flick ein, die damals die Herzen der Nation berührten. Einmal Neuer, der andere ist Thomas Müller, 32 Jahre alt, ebenfalls beim FC Bayern angestellt. Beide haben ihren Vertrag in München bis 2024 verlängert, beide sollen die beiden wichtigsten Mannschaften in Deutschland nach all den Jahren weiterhin anführen. Doch wie lange noch?

Thomas Müller gesellt sich einen Tag nach Neuer zu den Journalisten. In Spanien hat die deutsche Nationalmannschaft fünf Tage miteinander verbracht, vormittags wurde trainiert, nachmittags wurde sich erholt, die Familien durften mitanreisen. Der Aufenthalt sollte das Mannschaftsgefühl stärken.

2021: Manuel Neuer und Thomas Müller bei der EM.
2021: Manuel Neuer und Thomas Müller bei der EM. © firo

Thomas Müller: "Wir haben wieder die Möglichkeit, uns ins Rampenlicht zu spielen"

Er denke nicht weit voraus, meint Müller. Sondern nur an die Nations League, Deutschland spielt gegen Italien (4. und 14. Juni), England (7. Juni) und Ungarn (11. Juni), und an die Weltmeisterschaft, die im November beginnt. „Ich schaue erst mal bis zur WM, fokussiere mich darauf. Dann geht die Saison weiter und dann schauen wir. Wir haben wieder die Möglichkeit, uns ins Rampenlicht zu spielen und für eine positive Fußball-Stimmung in Deutschland zu sorgen.“

Wie 2010. Oder 2014, als Deutschland Weltmeister wurde. 2018 blamierte sich die Elf hingegen durch das Vorrunden-Aus. 2021 folgte eine Europameisterschaft, die im Achtelfinale gegen England endete und kaum Begeisterung weckte. Neuer und Müller waren bei all diesen Turnieren dabei, sie kennen die Höhepunkte, die Tiefpunkte. Nun basteln sie daran, ihre DFB-Karriere positiv enden zu lassen. In diesem Winter in Katar– und vielleicht sogar bei Europameister im eigenen Land in zwei Jahren, wenn die körperliche Verfassung dies ermöglicht.

Absehbar ist allerdings, dass sich Deutschland und der FC Bayern in naher Zukunft von beiden Fußballern werden lösen müssen. Und es bleibt abzuwarten, wie reibungslos dies gelingt.

Was, wenn Manuel Neuer aufhört? Wo sind die Torhüter-Talente?

Marc-André ter Stegen, Deutschlands Nummer zwei im Tor, ist selbst mittlerweile schon 30 Jahre alt. Sein Schicksal ist, dass er bei den meisten anderen Nationen immer auf der Linie stehen würde, beim DFB aber nicht an Neuer vorbeikommt. Möglicherweise kann er nach Neuers Karriere-Ende einige Jahre zur Nummer eins aufsteigen, anschließend aber wird es dünner. Denn die großen Torhüter-Talente sucht man in Deutschland derzeit vergeblich. Alexander Nübel (25), dem zugetraut wurde, dass er in Neuers große Fußspuren passt, sucht derzeit einen Verein, bei dem er gebraucht wird. München hat ihn an die AS Monaco verliehen.

Auch Thomas Müller würde eine Lücke hinterlassen, auf dem Platz und daneben. Kaum ein anderer verkörpert diesen Drang, nicht nachzulassen. Während der Geisterspiele hallten seine Rufe durch die Stadien, selbst bei deutlichen Führungen ermahnte er seine Mitspieler, dem Gegner keine Ruhe zu gönnen. In der vergangenen Bundesligasaison hat er acht Tore erzielt, 21 vorbereitet. Werte, die nicht darauf hindeuten, dass sich das Alter langsam bemerkbar macht.

Daher funktionieren Neuer und Müller weiterhin in ihren Mannschaften. Doch um ihre große Karriere erfolgreich zu beenden, brauchen sie auch die Jüngeren um Joshua Kimmich (27), Leon Goretzka (27) und Serge Gnabry (26). Die WM 2022 muss eine werden, bei der zwei Generationen begeistern.