Marbella. Trotz durchwachsener Bayern-Saison sieht Bundestrianer Hansi Flick in Joshua Kimmich einen Schlüsselspieler für die WM in Katar.

Ihm sei gar nicht bewusst, dass Joshua Kimmich so lange bei der Nationalmannschaft gefehlt habe, sagt Thomas Müller, während der Wind pfeift und die Luft im Schatten abkühlt. Kleine schwarze Busse warten, um die Profis vom Trainingsplatz zum Hotel zu kutschieren. Müller aber spricht noch in einer kleinen Medienrunde, seine rechte Wade ist nach dem Training bandagiert.

Er habe Kimmich immer beim FC Bayern um sich, deswegen sei ihm nicht aufgefallen, dass sein Mitspieler seit der Impfdebatte keine Zeit mehr beim Deutschen Fußball-Bund verbracht habe. „Aber das Vertrauensverhältnis zwischen Hansi Flick und Joshua ist sehr groß, und derzeit ist das Thema Corona und Impfungen ohnehin nicht so präsent.“

Kimmich und die Impfdebatte

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Es fühlt sich weit entfernt an, dass das gesamte Land über den Impfstatus von Joshua Kimmich debattiert hat. Im Herbst 2021 veröffentlichte der Boulevard, dass der Fußballer der Bayern nicht geimpft sei. Kimmich ging in die Offensive, erklärte öffentlich seine Bedenken gegen eine Impfung in einer Zeit, in der Deutschland in den nächsten Lockdown schlitterte. Später infizierte sich der Fußballer selbst mit Corona, konnte aufgrund von Spätfolgen zunächst nicht zurückkehren. Im Dezember bedauerte er schließlich im ZDF, sich nicht geschützt zu haben.

Seitdem hat sich nach und nach wieder die Normalität im Umgang mit Joshua Kimmich eingestellt. Die Corona-Pandemie ist in der öffentlichen Debatte mittlerweile in den Hintergrund gerückt, fast alle Maßnahmen wurden in Deutschland aufgehoben. Aber erst jetzt erlebt der 27-Jährige wieder einen Lehrgang unter Bundestrainer Flick, im März hatte Kimmich aufgrund der Geburt seines dritten Kindes noch gefehlt. Bei der Ankunft in Marbella trug er nun sein Baby auf dem Arm, Lebensgefährtin Lina folgte mit den beiden anderen Kindern, in dieser Woche dürfen die Familien die Nationalspieler begleiten.

Schlüsselspieler für die WM in Katar

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Und trotz der langen Ausfallzeit bleibt Kimmich im deutschen Nationaltrikot einer der Schlüsselspieler für die Winter-WM in Katar. Flick plant ihn im Zentrum ein, als denjenigen, der die Balance zwischen Abwehr und Angriff garantieren soll. „Er bestückt eine Position, die entscheidend ist. Er muss im Zentrum abwägen, ob er das Spiel schnell oder langsam macht“, sagt Kapitän Manuel Neuer. „Es ist wichtig, dass wir in der Achse Spieler haben, die Verantwortung übernehmen. Neben Thomas Müller ist Joshua ein Spieler, der sehr viel Verantwortung übernimmt, das gerne macht und auch immer sehr motiviert ist.“

Diese Verbissenheit von Kimmich haben schon viele überliefert, deswegen muss ihn diese Saison belastet haben. Beim FC Bayern erlebte er ein Auf und Ab und hatte selbst nicht die Form, um die Rückschläge zu verhindern. Die Spielzeit endete zwar mit der zehnten Meisterschaft in Folge, in der Champions League stolperte der Klub jedoch im Viertelfinale über den FC Villarreal, im DFB-Pokal blamierten sich die Münchener beim 0:5 gegen Borussia Mönchengladbach. Laut dem Kicker soll der Rekordmeister sogar überlegen, ob der Platz im Mittelfeldzentrum der richtige für Kimmich sei. Sky-Experte Dietmar Hamann, der gerne mal poltert, wetterte bereits: „Er will offensiv Akzente setzen, müsste aber für Stabilität und die Balance sorgen. Diese Kernaufgabe erfüllt er nicht. Ein Sechser ist er nicht.“

Höchstes Niveau in der Offensive

Hansi Flick hat hingegen nicht vor, an dem Status seines Führungsspielers zu rütteln. Er sehe ihn auf der Sechs und nicht auf der Außenverteidigerposition, die Kimmich genauso ausfüllen kann. Allerdings fehlen dem Bundestrainer auch die Alternativen, die deutschen Mittelfeldspieler auf dem höchsten Niveau drängt es alle in die Offensive. Sei es Ilkay Gündogan. Oder Leon Goretzka. Thomas Müller. Kai Havertz spielt in England beim FC Chelsea sogar meist im Sturmzentrum. Für die Sechserposition hat Flick diesmal wieder Anton Stach vom FSV Mainz 05 nominiert, der höchstens ein Ergänzungsspieler bei der Winter-WM sein kann. Mögliche weitere Kandidaten sind Julian Weigl (Benfica Lissabon) und Mahmoud Dahoud (Borussia Dortmund).

Die Großveranstaltung in Katar soll eine werden, bei der die Generation um Joshua Kimmich beweist, dass sie besondere Turniere spielen kann. „Wir wollen Weltmeister werden“, sagte Serge Gnabry im Interview mit dieser Redaktion. „Seitdem wir am Werk sind, haben wir es einfach nicht geschafft“, bemerkte Kimmich vor einiger Zeit selbst. Jetzt, nach seiner Rückkehr, arbeitet er wieder daran, dies in diesem Winter zu ändern.