Berlin. RB Leipzig hat den DFB-Pokal gewonnen, doch nur die TSG Hoffenheim gratuliert. In Leipzig plant man trotzdem, den FC Bayern anzugreifen.

Domenico Tedesco war müde. Durchnässt von einer Bierdusche, die ihm seine Spieler während der Pressekonferenz verabreicht hatten, und mit deutlich sichtbaren Augenringen saß der Trainer des neuen DFB-Pokalsiegers RB Leipzig auf dem Podium. Soeben hatte der 36-Jährige den ersten Titel seiner noch jungen Trainerkarriere gewonnen. Für die anschließende Feier kündigte Tedesco keine Wunderdinge an. „Ich werde mit einem Glas Rotwein in der Ecke sitzen und den Erfolg genießen. Die Feier ist für unsere Spieler und unsere 200 Mitarbeiter“, sagte er.

In einem hochspannenden und ereignisreichen Endspiel hatte sich seine Mannschaft nach 120 Minuten und anschließendem Elfmeterschießen gegen den Bundesliga-Kontrahenten SC Freiburg mit 5:3 (1:1, 1:1, 0:1) durchgesetzt und nach den beiden verlorenen Finalspielen 2019 und 2021 den ersten Titel der erst 13-jährigen Vereinshistorie geholt. Tedesco hatte sich während des Spiels im ausverkauften Berliner Olympiastadion aufgerieben. Immer wieder feuerte er seine Spieler an. In seiner Coachingzone hielt es ihn nur selten. Auch vom Gegner ließ er sich nicht unterkriegen. Von einer Person auf der Freiburger Bank habe ihm nach dem Platzverweis für Leipzigs Marcel Halstenberg (57.) „purer Hass“ entgegengeschlagen, erzählte Tedesco später. Nach dem Abpfiff gipfelte diese Auseinandersetzung in einer Rudelbildung.

Domenico Tedesco, der Macher des Leipziger Erfolges.
Domenico Tedesco, der Macher des Leipziger Erfolges. © firo

Nur die TSG Hoffenheim gratuliert RB Leipzig zum Pokalsieg

RB Leipzig ist ein ungeliebter Pokalsieger. Das zeigten auch die Reaktionen anderer Profiklubs. Nur die TSG Hoffenheim, selbst ein gemachter Emporkömmling, gratulierte zum Triumph in Berlin. Es waren vielmehr die Freiburger, denen über die Sozialen Netzwerke Trost gespendet wurde.

Viele Fans bundesweit hätten die Sachsen nach zwei verlorenen Endspielen gerne ein weiteres Mal scheitern gesehen. Der Hauptvorwurf, mit dem sich RB Leipzig seit seiner Gründung im Jahr 2009 konfrontiert sieht: Der Fußball am Standort Leipzig wird vom österreichischen Getränkekonzern Red Bull als Plattform genutzt, um die eigene Marke zu bewerben und zu kapitalisieren. Traditionsvereine würden auf unfaire Weise überholt, Regeln wie 50+1 geschickt umgangen. Wasser auf die Mühlen der Kritiker goss der Verein vor dem Pokalendspiel selbst. RB Leipzig veröffentlichte ein Video, in dem ausschließlich von Red Bull finanzierte Athletinnen und Athleten zu Wort kamen, um Rasenballsport Leipzig viel Glück und Erfolg für das Endspiel zu wünschen. Bekannte Persönlichkeiten aus dem Sport wie Formel-1-Legende David Coulthard, Leichthathletin Konstanze Klosterhalfen und Tennis-Star Dominic Thiem präsentieren sich so werbewirksam, wie es nur möglich ist. Einige mit einer Dose Red Bull in der Hand. Als Reaktion gab es viel Spott und Häme.

Fans von RB Leipzig und dem SC Freiburg zeigen viel Feingefühl

Die Mannschaft, aber auch die Fans von RB Leipzig boten in der Hauptstadt hingegen keinerlei Angriffsfläche. Gegen die rote Wand aus Freiburg war die Leipziger Anhängerschaft zwar numerisch unterlegen, die Unterstützung für ihre Mannschaft war dennoch da. Zudem bewies der RB-Anhang kurz vor der Siegerehrung gemeinsam mit den Freiburger Fans viel Feingefühl. Ein Mensch, der mit einer Arbeitskarte im Stadion war, brach an der Seitenlinie zusammen und musste reanimiert werden. Beide Fanlager stellten ihre Gesänge ein, nachdem der Fall vom Stadionsprecher geschildert wurde. Respektvolle Stille kehrte ein, viele Zuschauer schalteten ihr Handylicht an. Ein besonderer Moment.

Nachdem die Nachricht verkündet wurde, dass der Rettungseinsatz erfolgreich war und der Patient stabil sei, durften sich die Leipziger endlich feiern lassen. Sie hatten es dank ihrer bemerkenswerten Moral verdient. Nach dem Freiburger Führungstor durch Maximilian Eggestein (19.) und der Roten Karte für RB-Nationalspieler Marcel Halstenberg zu Beginn der zweiten Halbzeit sah es nach einer dritten Finalniederlage für Leipzig aus. Das ließ Tedesco nicht zu. Der Deutsch-Italiener stellte taktisch auf eine Fünferkette um und brachte mit drei Wechseln neuen Schwung. Topscorer Christopher Nkunku belohnte sein Team in der 76. Minute für einen leidenschaftlichen Einsatz in Unterzahl und ebnete somit den Weg für den späteren Erfolg im Elfmeterschießen. „Wir haben unglaublich gekämpft, mit zehn Mann alles gegeben. Das ist ein besonderer Tag“, freute sich Torwart Peter Gulacsi.

Im Duell mit dem erfahrenen Christian Streich (56) war es Tedesco, der im Spiel die wichtigen Impulse setzte und eine Qualität zeigte, die Trainer benötigen, um Titel zu gewinnen. Nach seinem enttäuschenden Ende beim FC Schalke 04 vor drei Jahren ist er mit diesem Titel zum Erfolgstrainer aufgestiegen. Im Dezember hatte Tedesco die Mannschaft auf dem elften Platz übernommen und seitdem in die Champions League und zum Pokalsieg geführt. Mit einem Kader um Starspieler Nkunku, der gehalten werden soll, und mit Tedesco als Trainer ist in Leipzig das Gerüst da, um in der nächsten Saison sogar dem FC Bayern Konkurrenz zu machen.

RB-Leipzig-Chef Oliver Mintzlaff wollte am Sonntag bei der Siegesfeier in Leipzig aber keine sportliche Kampfansage machen. Stattdessen richtete er deutliche Worte an jene, die seinen Verein kritisieren: „Wer immer noch nicht kapiert hat, dass wir eine Bereicherung für Fußball-Deutschland sind, dem wollen wir gar nicht mehr helfen.“