Leipzig. Im DFB-Pokal-Finale zwischen SC Freiburg und RB Leipzig sind die Sympathien in Deutschland klar verteilt. Rettig kritisiert Leipzig.

Inzwischen weiß Oliver Mintzlaff natürlich aus dem Effeff, wie er auf kritische Bemerkungen zu reagieren hat. „Wir sind mit etwas Neuem gestartet, sind angekommen und ein stolzer Bundesliga-Verein“, sagte der Geschäftsführer von RB Leipzig jüngst im „Doppelpass“ bei Sport1. „Wir sind froh, dass wir ein anderer Verein sind. Ja, wir sind kein Traditionsverein, aber in 50 oder 70 Jahren sieht das schon anders aus.“

Das ist die Geschichte, die sie in Leipzig, wann immer es geht, über sich erzählen. Gerne wird betont, dass es nun endlich einen Bundesligisten in Ostdeutschland gibt, der es mit den Großen aufnehmen kann. Einer, der 2009 gegründet worden war und durch gute Arbeit in Windeseile von der fünften Liga bis in die Champions League vorgerückt ist.

Das allerdings ist nur ein Teil der Geschichte, die es über RB Leipzig zu erzählen gibt. Der andere nämlich klingt weitaus weniger romantisch – und das versucht man dort gerne zu verstecken.

Die Sympathien in Deutschland sind zum Pokal-Finale klar verteilt

Wenn Leipzig am Samstag im Finale des DFB-Pokals auf den SC Freiburg (20 Uhr/ARD und Sky) trifft, dann sind die Sympathien in Fußball-Deutschland so klar verteilt, wie bei kaum einer anderen Paarung. Hier der besonnen wirtschaftende und bodenständig auftretende Sport-Club mit Christian Streich, dem Bundestrainer der Herzen. Auf der anderen Seite das vom österreichischen Getränkekonzern Red Bull mit hunderten Millionen Euro getunte Projekt, das vor 13 Jahren noch SSV Markranstädt hieß und von Traditionalisten als Sinnbild der Kommerzialisierung empfunden wird. Oder wie es Oliver Mintzlaff formuliert: „Häme muss man sich erarbeiten.“

Wer RB Leipzig jedoch fernab von der Traditionsfrage betrachtet, erkennt schnell, dass es sich hier wirklich um einen „anderen Vereinen“ handelt – nicht aber, wie es Geschäftsführer Mintzlaff interpretiert.

Anruf bei Andreas Rettig. Der 59-Jährige hat als Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) im Jahr 2014 Leipzig die Lizenz verweigert. Er hatte Bedenken, dass das Projekt gegen die 50+1-Regel verstößt, die den Einfluss externer Investoren begrenzen soll. Der Lizenzierungsausschuss hatte ihn überstimmt. Es sei ein Abwägungsprozess gewesen. Der Verband konnte nicht die möglichen wirtschaftlichen Folgen im Fall einer juristischen Niederlage vor ordentlichen Gerichten absehen. „Unter diesem Aspekt habe ich die damalige Entscheidung wahrgenommen, auch wenn ich sie inhaltlich als falsch empfunden habe“, erinnert sich Andreas Rettig.

RB Leipzig umgeht die Statuten der Bundesliga

Formal hält das Konstrukt die 50+1-Regel zwar ein, dribbelt jedoch an den Statuten vorbei. In Wahrheit kontrolliert Red Bull den Pokalfinalisten. „Der Zug, hier regulierend einzugreifen, ist leider abgefahren“, sagt Andreas Rettig. „Hier haben es zunächst der Sächsische Fußballverband und später der DFB versäumt, diese Umgehung zu verhindern. Die Strategen aus der Konzernzentrale des österreichischen Brause-Herstellers haben das clever geplant und umgesetzt.“

Der ehemalige DFL-Chef Andreas Rettig.
Der ehemalige DFL-Chef Andreas Rettig. © dpa

Red Bull ist überall. Auf den Trikots. Im Vereinslogo. Im Namen, denn RB steht natürlich nur aus formalen Gründen für Rasenballsport. Die stimmberechtigten Vereinsmitglieder könnten gemeinsam das Finale in einer Loge des Berliner Olympiastadions verfolgen. 21 sind es ja nur, die alle enge Kontakte zum Konzern pflegen. Demokratische Teilhabe der Fans wie etwa auf Schalke ist nicht vorgesehen – weil nichts dem Zufall überlassen werden darf.

Red Bull blitzte einst in Düsseldorf und bei St. Pauli ab

In Leipzig wird ja auch nicht gespielt, weil Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz ein Herz für den Ostfußball hat. In Düsseldorf und bei St. Pauli war der Konzern einst abgeblitzt, als er sich in der Bundesliga einkaufen wollte. In Sachsen aber musste Red Bull mit keiner Fan-Gegenwehr oder regionalen Konkurrenten rechnen, als man das Startrecht des Fünftligisten Markranstädt abgekauft hatte, um nicht in der Kreisliga starten zu müssen.

Alles Schnee von gestern?

Red Bull hat den Fußball nachhaltig verändert. Es gibt ja auch noch Red Bull Salzburg, die New York Red Bulls oder Red Bull Brasil. Ein Wettbewerbsvorteil sei das, sagt Andreas Rettig, „wenn sich Spieler von links nach rechts verschieben lassen“. 20 Profis wurden allein von Salzburg zu Leipzig transferiert. Das fördere eine Legionärsmentalität, Vereinsbindungen gingen weiter verloren, so der frühere DFL-Chef. „Die Farm-Team-Konstrukte haben mit Blick auf das reformierte Financial Fairplay auch eine wirtschaftliche Relevanz, da die Vereine ihre Kosten verlagern können.“

Konzerne, die Vereinen an mehreren Orten ihren Namen verpassen, Logo und Farben verändern, gewachsene Strukturen vor Ort auslöschen – schaut so die Zukunft des Fußballs aus? „Um diesen Investorenweg zu gehen, braucht es einen langen Atem und das notwendige Kleingeld. Das schreckt zum Glück bislang noch auf Rendite ausgerichtete Investoren ab“, meint Andreas Rettig. „In Zeiten von Anlage-Notstand aber und dem vielen Geld, welches sich im Umlauf befindet, weiß man ja nie.“

Seine Sympathien sind am Samstag klar vergeben. Und das hat nicht nur mit seiner Vergangenheit als Manager des SC Freiburg zu tun.