Madrid. Real Madrid steht in Spanien vor dem Titelsieg und tritt im Halbfinale der Champions League bei ManCity an. Zu erwarten war das nicht.
Relativ entspannt stiegen die Fußballprofis von Real Madrid am Montag in das Flugzeug, um an diesem Dienstag (21 Uhr/Amazon Prime) das Champions-League-Halbfinale bei Manchester City auszugetragen. Wo die Engländer mit dem Madrider Erzrivalen Pep Guardiola auf der Trainerbank noch in einen aufreibenden Meisterschaftskampf gegen Jürgen Klopps FC Liverpool verwickelt sind, kann sich Real auf die Königsklasse konzentrieren. Zu Hause fehlt ein Punkt aus fünf Spielen zur 35. Meisterschaft der Klubgeschichte. Schon am Samstag gegen Espanyol Barcelona dürfte es so weit sein.
Altmeister Luka Modric, Toni Kroos und Karim Benzema
Eine so erfolgreiche Saison hatten Real nur wenige zugetraut, nachdem man im Sommer den langjährigen Anführer Sergio Ramos (zu Paris Saint-Germain) verloren und das Transferziel Kylian Mbappé (von Paris Saint--Germain) verpasst hatte. Mit etlichen Leistungsträgern in so fortgeschrittenem Alter wie Luka Modric (36), Toni Kroos (32) und Karim Benzema (34) befindet sich der Rekord-Europapokalsieger seit Jahren in einem stockenden Umbruch. Die Ressourcen sind wegen des parallelen Stadionumbaus limitiert. Die Rückkehr des erfahrenen Trainers Carlo Ancelotti schien da eher für Mängelverwaltung zu sprechen als für den Aufbruch in eine neue Ära.
Doch der 62-Jährige hat aus den Möglichkeiten das Optimale gemacht. Er verschrieb der Mannschaft einen pragmatischen Spielstil mit vergleichsweise mäßigem Tempo, der dem Alter wie der individuellen Qualität der Schlüsselspieler entgegen kommt. Es ist wohl kein Zufall, dass er seine erfolgreichste Epoche beim AC Mailand mit zwei Champions-League-Siegen ebenfalls mit einer Elf von „Senatoren“ prägte, die gern als überaltert abgestempelt wurden – bis sie dann wieder mit Titeln dastanden.
David Alaba ersetzt Sergio Ramos reibungslos
Basis für Reals kontrollierten Stil ist die solide Defensive um Torwart Thibaut Courtois und die Innenverteidigung mit Zugang David Alaba (beide 29). Der gratis vom FC Bayern gekommene Österreicher ersetzte Ramos sowohl spielerisch wie menschlich reibungslos. Heute ist sein Einsatz gegen den Ex-Bayern-Trainer Guardiola wegen einer Muskelblessur allerdings noch fraglich.
Es wäre einer der wenigen Ausfälle von Leistungsträgern in dieser Saison, zu deren Erfolgsfaktoren auch die Arbeit des im Sommer zurückgekehrten Fitnessgurus Antonio Pintus gehört: Real wirkt austrainiert und konnte in den umkämpften Champions-League-Runden gegen PSG (0:1, 3:1) und Chelsea (3:1, 2:3 nach Verlängerung) gegen Ende immer noch zulegen.
Tempodribbler Vinicius Junior ist bei Real gereift
Besonders bemerkenswert ist das bei den so entscheidenden Altmeistern. Luka Modric beackert immer noch ein beeindruckend weites Territorium und bleibt neben dem gewohnt präzisen Toni Kroos prägende Figur im Spielaufbau. Und was soll man über Benzema sagen? „Wie guter Wein“ (Ancelotti) wird er mit jedem Jahr besser. 39 Tore in 40 Partien hat er erzielt, darunter Hattricks gegen Paris und Chelsea. Dazu kommt seine Bedeutung als Vorlagengeber und Anspielstation aus dem Mittelfeld, in das er sich oft tief fallen lässt. „Wir sind von Benzema abhängig“, gibt Ancelotti zu, aber: „Ich bin sehr glücklich darüber.“
Doch selbst ein Benzema braucht Partner, und so ist Reals größter Fortschritt wohl seine Allianz mit dem brasilianischen Tempodribbler Vinicius Junior (21). Wo es vorige Saison noch sichtbar haperte – „Er spielt gegen uns“, sagte Benzema über Vinicius während eines Champions-League-Spiels in Mönchengladbach zu Mitspieler Mendy – , bilden beide nun eines der besten Sturmduos Europas – mit ganz unterschiedlichen Qualitäten, aber fast blindem Verständnis. Zuletzt legte Vinicius dem Franzosen den entscheidenden Treffer gegen Chelsea auf. „Der Unterschied ist, dass er jetzt die richtigen Entscheidungen auf dem Platz trifft“, lobt Benzema den Reifeprozess.