Bielefeld/München. Das 3:0 in Bielefeld geriet schnell zur Nebensache. Wichtiger beim FC Bayern München sind derzeit die Zukunftsplanungen.
Die Dienstreise nach Bielefeld war beim FC Bayern rasch abgehakt, abgesehen von Tanguy Nianzou. Der 19 Jahre alte Verteidiger war beim 3:0-Sieg von Julian Nagelsmann mit der „erzieherischen Maßnahme“ belegt worden, nach einem Ellenbogeneinsatz in der zweiten Halbzeit nicht mehr mitspielen zu dürfen. Für ihn sei das „eine Rote Karte“, sagte der Trainer über Nianzous Foul an Fabian Kunze, der mit einer Halskrause ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Die Treffer durch das Eigentor von Jacob Laursen (10.) sowie Serge Gnabry (45.+7) und Jamal Musiala (86.) gerieten deshalb beinahe zur Nebensache. Am Sonnabend gegen Borussia Dortmund (18.30 Uhr) genügt den Bayern wegen ihrer deutlich besseren Tordifferenz schon ein Remis, um den zehnten Meistertitel in Serie zu erreichen. Bei einem Sieg gegen den BVB wären auch letzte theoretische Zweifel beseitigt.
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Fernab dieser kurzfristig sportlich relevanten Themen beschäftigen den FC Bayern vor allem die mittel- bis langfristigen Zukunftsfragen. Zu diesen äußerten sich rund um die Osterreise nach Ostwestfalen alle führenden Köpfe der Münchner, angefangen von Vorstandschef Oliver Kahn im Sport1-Doppelpass über Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Chefcoach Nagelsmann bei DAZN bis hin zu Präsident Herbert Hainer gegenüber der Bild-Zeitung. Diese Medienoffensive wirkte nach dem Viertelfinal-Aus in der Champions League gegen den Außenseiter Villarreal wie der Versuch, der Kritik entgegenzutreten, wonach die Konzern- und Klubführung nicht ausreichend Präsenz zeige. Zugleich zeigten sich in den Äußerungen durchaus unterschiedliche Denkansätze zu den Zukunftsfragen.
Nagelsmann bläst zum Angriff
Es wäre zu viel, von einer Kakophonie zu sprechen, aber ausmachen lässt sich ein Ringen um die Strategie zwischen dem Team Vorsicht und dem Team Angriff, wenn man so will. Zum Team Angriff ist eindeutig Nagelsmann zu zählen, was auch damit zu tun hat, dass er in seinem kommenden zweiten Amtsjahr umso mehr an Erfolgen und Titeln gemessen werden wird. „Du darfst einfach nicht viele Transferperioden verschlafen, so viele hast du nicht“, mahnte er und stellte einen Vergleich an: „In der freien Wirtschaft ist es auch so: Wenn du am Ende ein Topprodukt haben willst, musst du auch vorne in der Produktion meistens Topmaterialen verwenden.“ Im Fall des FC Bayern, bei dem weiterhin als Minimalziel das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal sowie das Halbfinale der Champions League ausgerufen wird, bedarf es nach Nagelsmanns Vergleich also Topspieler. Und es gebe „definitiv“ welche, für die es sich seiner Ansicht nach lohnt, ins Risiko zu gehen.
Nagelsmann äußert zwar Verständnis für die angespannte Finanzlage durch die Pandemie. Er weiß, dass der FC Bayern nicht über die Mittel verfügt, die in England, Paris und Spanien eingesetzt werden. „Es gibt für uns sicherlich nicht den Weg, nur Kohle reinzubuttern, weil die haben wir nicht in der Hülle und Fülle. Sondern wir müssen auch andere Lösungen finden, die jetzt nicht die Früchte tragen im nächsten Jahr, aber vielleicht am Ende meiner Amtszeit oder vielleicht auch erst in sechs, sieben, acht Jahren“, sagte er. Zugleich findet er schon, dass zu dem Anspruch, in Europa dauerhaft zu den Top Vier zu zählen, die Investitionen passen müssten. Für ihn geht es bei den strategischen Fragen auch um seine Karriere, die wohl nur als vollauf erfolgreich bewertet werden wird, wenn er mit den Bayern den angestrebten Titelgewinn in der Champions League schafft. Sein Vertrag läuft bis 2026.
Lewandowski-Abgang könnte wahrscheinlicher werden
Zur internationalen Titelfähigkeit äußerten sich Kahn und Hainer betont offensiv. „Der FC Bayern wird immer (…) eine Mannschaft haben mit 14, 15 absoluten Topspielern, mit denen wir auch die Champions League jedes Jahr gewinnen können“, versprach Kahn. Hainer formulierte sogar als Ziel für die kommende Saison, „nicht nur die deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal gewinnen zu wollen, sondern dass wir auch um den Sieg in der Champions League mitspielen wollen. Das ist überhaupt keine Frage.“ Zugleich klang bei Kahns Auftritt im Doppelpass durchaus jene Vorsicht in Investitionsfragen an, die vor allem auch Salihamidzic zum Ausdruck brachte. „Wir werden nicht den Klub gefährden und irgendwelche Risiken gehen“, sagte der Sportvorstand, „sondern wir werden diese Mannschaft, die einen sehr, sehr guten Stamm und internationale Topspieler hat, versuchen zu ergänzen, zu verstärken in unserem Rahmen.“ Das klang eher nicht nach einer Transferoffensive.
Inwieweit die vorhandenen Topspieler gehalten werden, ist noch nicht durchweg abzusehen. Mit Thomas Müller, 32, und Manuel Neuer, 36, die bisher jeweils bis Mitte 2023 gebunden sind, ist man nach eigenen Angaben schon sehr weit in den Gesprächen. In Kürze könnte Vollzug gemeldet werden. Bei Gnabry, 26, gibt es „noch nix Neues“, wie der Flügelspieler sagte. Und bei Robert Lewandowski gab Kahn zu erkennen, dass sich die Wege durchaus trennen könnten. „Wir sind im Austausch mit Robert und wollen, dass er möglichst lang beim FC Bayern München bleibt“, sagte Kahn. Zugleich verriet er, dass der 33 Jahre alte Weltfußballer grübele. „Natürlich kommen solche Spieler irgendwann auch mal auf die Gedanken: Ich habe hier alles erreicht und gewonnen. Und dann braucht es eben auch Zeit, den Spieler davon zu überzeugen, hier bei Bayern München zu bleiben“, sagte Kahn. Doch weil es dafür auch finanzieller Argumente bedürfe, „muss man sich als Verein Gedanken machen, wie man das alles noch hinbekommt“. Das klang auch eher nach Vorsicht.