Leipzig. In Liga, DFB-Pokal und Europa League haben die Sachsen noch große Ziele. Gerade jetzt können sie sich auf ihren breiten Kader verlassen.

Domenico Tedesco wäre nicht er selbst, wenn er nicht immer noch eine Schattenseite zu den aktuellen Ereignissen finden würde, die er als Trainer von RB Leipzig gerade wesentlich mitverantwortet. Ostersonntag schlugen die Sachsen unter seiner Regie Bayer Leverkusen 1:0 (1:0), sprangen damit am Werksklub vorbei auf Tabellenrang drei, und das mit einem Team, das der Coach zuvor auf sieben Positionen gegenüber der Elf verändert hatte, die drei Tage zuvor mit einem 2:0 gegen Atalanta Bergamo ins Halbfinale der Europa League vorgerückt war. „Wir sind glücklich, dass unsere Kader das hergibt“, sagte Tedesco, „aber glauben sie mir, ein breiter Kader bedeutet auch ganz viel Arbeit.“

Der 36-Jährige konterkariert mit dieser Nüchternheit sein eigentlich italienisches Naturell. Vollständig kontrollieren kann er es aber nicht, wie sich nach dem Schlusspfiff in Leverkusen zeigte, als der gebürtige Kalabrier wie Jack in the Box aus seiner Haut fuhr und seinem Spieler Tyler Adams in die Arme sprang, als hätte der soeben ein Tor geschossen.

Christopher Nkunku wird eingewechselt und bereitet Siegtor vor

Der Grund für die Ekstase war unter anderem der glückliche Ausgang eines gewagten Experiments. Ausgerechnet gegen einen unmittelbaren Konkurrenten um die Vergabe der Champions-League-Tickets für die kommende Saison hatte der Coach der Sachsen im großen Stil rotiert, nur drei Spieler blieben davon verschont. Der Vortrag war entsprechend. Zum ersten Mal in seiner Bundesligageschichte gelang den Messestädtern kein einziger Torschuss in einer ersten Hälfte.

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In der zweiten kamen dann nacheinander die Topspieler der vergangenen Wochen aufs Feld: Christopher Nkunku, Konrad Laimer, Dani Olmo. Prompt fiel der Siegtreffer durch Dominik Szoboszlai nach Vorlage von Nkunku (70.). Kunstvoller kann man die Belastung eigentlich kaum steuern.

Dass Szoboszlai der Schütze war, steht symptomatisch für die erfolgreiche Arbeit, die Tedesco seit seinem Amtsantritt im Dezember gerade im Bezug auf die Breite des Kaders leistet. Der Ungar kam vorigen Sommer als Spielmacher von Red Bull Salzburg in den Kader des Schwesterklubs. Unter Trainer Jesse Marsch, seinem Mentor in Salzburg, war er gesetzt. Unter Tedesco ist er Ergänzungsspieler. Vor einem Monat sprachen sie sich aus.

RB-Kapitän Gulacsi: "Wir haben eine starke Bank"

„Wir haben eine starke Bank“, sagte nach dem 14. Spiel in Folge ohne Niederlage Teamkapitän Peter Gulacsi, „wir können immer nachlegen.“ Damit bestätigte er den Eindruck, den sich auch Rekordnationalspieler und TV-Kommentator Lothar Matthäus zu Beginn der Saison vom in seinen Augen „bestbesetzten Kader der Liga in der Breite“ gemacht hatte. Matthäus hatte diesem Kader anfangs die Meisterschaft zugetraut, stattdessen humpelte er unter Trainer Jesse Marsch den Erwartungen hinterher. Seit Tedesco aber Trainer ist, läuft es – und zwar besser als bei jedem anderen Team der Liga.

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Kein deutscher Kontrahent hat mehr Punkte nach der Winterpause geholt (32), und das bei einer Dreifachbelastung, die kein anderes Team hierzulande zu bewältigen hat. RB ist noch in der Europa League und dem DFB-Pokal vertreten. In beiden Wettbewerben stehen die Sachsen im Halbfinale. Am Mittwoch entscheidet sich gegen Union Berlin, ob die Leipziger in ihr drittes Pokalendspiel einziehen. Eine Woche darauf folgt das erste von zwei Duellen mit den Glasgow Rangers.

Noch in DFB-Pokal und Europa League vertreten

Der mit Topspielern bestückte Kader ist vor diesem Hintergrund ein Segen. Den Rest an Arbeit erledigt die Euphorie, die sich des Personals langsam bemächtigt. Zwei Finals sind in Reichweite. Sollte RB sie erreichen, stehen in den nächsten 31 Tagen neun Partien an. Es sei „sehr anstrengend, alle drei Tage zu spielen“, sagte Gulacsi, „aber wenn du so im Flow bist, macht es einfach nur unheimlich Spaß.“