Essen. . Nationalspieler Serge Gnabry glaubt an eine Titel-Chance für Deutschland in Katar. Ein Interview mit dem Spieler des FC Bayern.
Serge Gnabry (26) möchte mit dem FC Bayern die Champions League gewinnen und mit der Nationalmannschaft im Winter in Katar Großes erreichen. Ein Interview.
Herr Gnabry, Sie wurden früher als Wunderkind gefeiert. Wie hat Sie das beeinflusst?
Serge Gnabry: Als ich diese Bezeichnung das erste Mal gehört habe und noch gar nicht richtig einordnen konnte, hat sie mir geschmeichelt. Aber ich glaube nicht, dass dieses frühe Urteil zu viel Einfluss auf mich hatte. Dass ich talentiert bin, weiß ich. Aber das alleine reicht nicht.
Viele Jahre später haben sich die Prophezeiungen erfüllt. Oder?
Serge Gnabry: Es ist bisher ganz gut gelaufen, würde ich sagen.
Und ist nun der Moment gekommen, in der Ihre Generation Großes erreichen kann?
Serge Gnabry: Das ist in jedem Fall unser Ziel. Viele Spieler sind reifer geworden, haben mehr Erfahrung. Wir spielen teilweise gemeinsam seit der Jugend, das schweißt zusammen, das macht Spaß. Wir haben einen Kader, der extrem viel Potenzial hat. Es wäre natürlich schön, mit dieser Mannschaft einen Erfolg zu feiern wie das Team von 2014.
Serge Gnabry: "Ich will Tore schießen, Tore vorbereiten"
Also im Winter den WM-Pokal in die Höhe heben.
Serge Gnabry: Wir wollen den Weltmeister-Titel holen. Das Potenzial haben wir, wir sind keine Träumer. Gerade weil die letzte EM nicht ideal verlaufen ist, spornt uns das noch mal mehr an.
Welche Rolle wollen Sie in der Mannschaft einnehmen?
Serge Gnabry: Auf dem Platz versuche ich, in der Offensive besondere Momente zu ermöglichen. Ich will Tore schießen, Tore vorbereiten.
Würden Sie sich als Straßenfußballer bezeichnen?
Serge Gnabry: Ich glaube, Jamal Musiala ist noch ein bisschen mehr Straßenfußballer als ich.
Bundestrainer Hansi Flick fordert, dass sich jeder Nationalspieler im WM-Jahr in den bestmöglichen Zustand bringt. Wie machen Sie das?
Serge Gnabry: Natürlich trainiere ich viel, ruhe mich aber im richtigen Moment auch aus. Es ist manchmal schwierig, an sich zu arbeiten, wenn man so viele Spiele hat. Jetzt geht es beim FC Bayern bald wieder los mit den Englischen Wochen, da geht es auch um die richtige Regeneration.
Versuchen Sie, bewusst vom Fußball abzuschalten?
Serge Gnabry: Manchmal beschäftige ich mich mit anderen Dingen, aber im Hinterkopf habe ich eigentlich immer das nächste Spiel. Trotzdem nehme ich mir auch mal eine Auszeit.
Joshua Kimmich kehrt nach seiner Corona-Zwangspause zurück. Ist er der wichtigste Führungsspieler der Mannschaft?
Serge Gnabry: Er bringt in jedem Fall sehr viel Mentalität mit, wird gerne mal laut, was die anderen vielleicht nicht so machen. Was nicht heißt, dass sie keine Führung auf dem Platz übernehmen. Aber Joshua ist der, der im Zentrum den Ton angibt.
Hansi Flick schwebt ein sehr mutiger Fußball vor, bei dem man die Gegner früh attackiert. Wie vermittelt der Bundestrainer diese Taktik?
Serge Gnabry: Automatismen stellen sich nur über Wiederholungen ein, das kennen wir schon von Bayern München. Wir schauen uns die Sachen auf dem Video an, trainieren spezielle Situationen. Je öfter wir das machen, desto besser wird es. Wir sehen uns in der Nationalmannschaft nur seltener als im Verein.
Serge Gnabry über Niklas Süle: "Ich wünsche ihm alles Gute"
Ist es deswegen schwieriger als im Verein, so einen Fußball zu spielen?
Serge Gnabry: Das glaube ich nicht. Selbst bei Bayern haben wir Fehler gemacht, man kann über 90 Minuten nicht jeden Lauf richtig machen. Aber ich bin davon überzeugt, dass man auch mit weniger Trainingszeit diese Art von Fußball einstudieren kann. Und Hansi Flick legt viel Wert darauf, dass ein gutes Klima in der Mannschaft herrscht. Das hilft bei einem Turnier.
Niklas Süle wechselt im Sommer vom FC Bayern nach Dortmund. Das hat für Aufsehen gesorgt.
Serge Gnabry: Aus unserer Sicht ist das schade, weil wir einige Jahre zusammengespielt haben und er zum Rivalen wechselt. Aber jetzt haben wir seinen Wechsel langsam verdaut. Und so schwer es mir auch fällt, wünsche ich ihm in Dortmund alles Gute.
Auch Ihre Zukunft ist noch unklar, Ihr Vertrag in München läuft 2023 aus. Gibt es schon Pläne?
Serge Gnabry: Zunächst läuft er noch eine ganze Weile. Wir schauen, was in der Zukunft passiert. Es gibt derzeit nichts Neues zu vermelden.
Ihr Vater stammt von der Elfenbeinküste. Was bedeutet das Land für Sie?
Serge Gnabry: Aus meiner Sicht ist es sehr cool, zwei Kulturen zu kennen. Es ist für mich immer wieder eine Erfahrung, dorthin zu reisen, die Familie zu sehen. Es ist schön zu wissen, wo mein Vater herkommt, wie das Leben dort ist. Das erdet mich. Es ist ein anderes Leben als in Deutschland, die Menschen dort haben nicht so viel wie wir. Das hilft mir manchmal, die Dinge hier mehr wertzuschätzen.
Spenden Sie deswegen für die Initiative „Common Goal“ ein Prozent ihres Gehalts?
Serge Gnabry: Ich möchte etwas zurückgeben. Ich wollte mich erst eigenständig engagieren, aber dann kam „Common Goal“ auf mich zu, und ich hatte das Gefühl, dass es eine wirklich gute Sache ist. Auch weil mehrere Profis dabei sind und wir dadurch größere Dinge anstoßen können.
Haben Sie mal überlegt, für die Elfenbeinküste zu spielen?
Serge Gnabry: Als der Anruf vor der WM 2014 vom damaligen Trainer der Elfenbeinküste kam, war das schon in meinen Kopf, es hat mich gereizt. Aber im Endeffekt wusste ich immer, dass ich für Deutschland spielen möchte, hier habe ich schließlich auch alle Auswahlmannschaften durchlaufen.
Serge Gnabry: "Ich bin offen für Herausforderungen"
Schon zwei Jahre zuvor sind Sie in die Jugend des FC Arsenal gewechselt. Warum?
Serge Gnabry: Wenn ein Verein wie Arsenal, der eine besondere Jugendausbildung hat, dich will, ist das etwas Besonderes, eine Auszeichnung. Ich bin ein Mensch, der offen ist für Herausforderungen. In diesem jungen Alter nach England zu ziehen, war nicht so einfach. Aber mein Vater ist mitgekommen, das hat mir enorm geholfen, gerade am Anfang. Ich habe eine enge Verbindung zu meinem Vater, er hat mich immer begleitet.
Und was würden Sie Wunderkindern heute raten?
Serge Gnabry: Es kann viel passieren, manche schaffen es nicht, es können Verletzungen dazwischenkommen. Das ist keine Schande. Aber wenn man das Ziel hat, Profi zu werden, muss man alles reinwerfen.