Frankfurt/Main. Die Frankfurter Fußball-Legende Jürgen Grabowski ist tot. Er wurde 1972 Europa- und 1974 Weltmeister mit Deutschland. Ein Nachruf.

Es ist nicht ganz einfach, genau zu bestimmen, wann ein Fußballprofi zur Spielerpersönlichkeit, also zum Vorbild und zur Identifikationsfigur reift. Die spielerische Qualität allein reicht dafür kaum aus, weil man davon ausgehen darf, dass  alle Profis –  in Abstufungen –  über eine gehörige Portion Ballgefühl und überdurchschnittliche Physis verfügen.

Wenn ein Spieler aber in seiner Karriere genau für zwei Klubs auflief, in 15 Jahren als Profifußballer nie den Verein wechselte, seine Mannschaft zudem elf Jahre als Kapitän anführte und als Typ und Vorbild die Augen von Generationen hartgesottener junger Männer zu sehnsüchtigem Leuchten brachte, dann darf man getrost von einer Spielerpersönlichkeit sprechen.

Jürgen Grabowski war so ein Typ. Der Fußball-Weltmeister von 1974 war genau dieser Typ.

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Er spielte als Jugendlicher und junger Erwachsener für den SV Biebrich, einen Wiesbadener Vorortklub, und von 1965 bis 1980 für Eintracht Frankfurt. Er absolvierte dort 441 Spiele, schoss 109 Tore, gewann zweimal den DFB-Pokal, und 1980 wurde er als Teil der Uefa-Pokalsiegermannschaft gefeiert, obwohl er im Finale fehlte, weil ein Foul des jungen Gladbachers Lothar Matthäus die Karriere des damals 36-Jährigen beendet hatte.

Den größten Triumph feierte der gebürtige Wiesbadener mit dem markanten Schnauzbart aber ausgerechnet an seinem 30. Geburtstag, am 7. Juli 1974. Der Gewinn des Weltmeistertitels mit der Nationalmannschaft markiert jedoch zugleich seine von ihm so empfundene größte Schmach.

Jürgen Grabowski: Ein Spieler mit Haltung

So richtig glücklich wurde der Mittelfeldregisseur in der Nationalmannschaft nie, dort musste er oft auf die rechte Seite ausweichen. Bei der WM 1966 kam er nicht zum Einsatz. 1970 kam er kaum einmal an Stan Libuda vorbei, musste mit dem undankbaren Titel des „besten Einwechselspielers der Welt“ leben. 1974 folgte der größte Triumph mit dem einleitenden Pass auf Rainer Bonhof vor dessen Hereingabe zu Gerd Müllers Siegtreffer – aber auch die größte Demütigung. Auch ihm wurde das 0:1 in der Vorrunde gegen die DDR angelastet. Er flog sogar zwischenzeitlich aus der Mannschaft. Alles Lob, alle Ehren konnten ihn nicht mit Bundestrainer Helmut Schön versöhnen.

Es ist nicht leicht, die Meinung der Fans jener Tage nachzuvollziehen, zumindest seine hessischen Anhänger werden ihn für den konsequenten Rücktritt, die Prinzipientreue (auch, wenn sie der Kränkung entsprang) eher noch mehr verehrt haben, weil eben auch Haltung eine Spielerpersönlichkeit ausmacht.

„Seine Aura reicht bis in die Gegenwart“, sagte Frankfurts aktueller Vereins-Chef Axel Hellmann einmal über den Spieler, dem seine Fans auch kleinere Schwächen, die heute schnell zu Eklats anwachsen könnten, nachsahen. Bei Grabows­ki waren es wohl die Autos. Neu, teuer, glänzend, schnell sollten sie sein: „Autos waren immer meine Schwäche“, gestand er einst ein.

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Anderen hält man ihren auffällig lackierten Lamborghini vor. Bei einer Klublegende sieht man über so was schon mal hinweg. Was Jürgen Grabowski für die Eintracht bedeutete, sagt eine andere Vereins-Legende: „Für mich war er einer der größten Künstler, den wir bei der Eintracht hatten – wenn nicht sogar der größte“, sagt der ehemalige Mitspieler und Rekord-Bundesligaprofi  Karl Heinz Körbel.

Zuletzt litt Jürgen Grabowski unter verschiedenen Krankheiten. Komplikationen nach einem Oberschenkelhalsbruch verkraftete sein Körper nicht mehr. Im Alter von 77 Jahren verstarb Jürgen Grabowski am Donnerstagabend in einem Wiesbadener Krankenhaus.