Essen. Nach langem Zögern ringen sich die Sportverbände zu harten Maßnahmen durch. Russische Sportler sollen von Großereignissen ausgeschlossen werden.
Am Montag versuchten sich einige der größten Sportverbände der Welt selbst an Turnübungen, zur Aufführung kam: die Rolle rückwärts. Zunächst rang sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Nachmittag nach tagelangem Zaudern und immer stärkerem öffentlichen Druck zu einer härteren Haltung gegenüber Russland und dessen Angriffskrieg in der Ukraine durch: Die Herren der olympischen Ringe um den bislang recht russlandfreundlichen deutschen Präsidenten Thomas Bach empfahlen den Mitgliedsverbänden den Ausschluss russischer Sportlerinnen und Sportler bei internationalen Veranstaltungen, auch Athleten aus Belarus soll der Bannstrahl treffen. Fast gleichzeitig schwenkte auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) um und schloss sich den weltweiten Forderungen nach diesen Maßnahmen an. Von den am Freitag beginnenden Paralympischen Spielen dürften russische Athleten nun ebenfalls ausgeschlossen werden.
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Am Abend zogen der Fußball-Weltverband Fifa und der europäische Verband Uefa nach und schlossen alle russischen Mannschaften bis auf Weiteres von ihren Wettbewerben aus. Damit darf die Nationalmannschaft im März nicht an den Play-offs zur Weltmeisterschaft und demzufolge auch nicht am Turnier in Katar teilnehmen.
Den russischen Fußballerinnen wird die Teilnahme an der Europameisterschaft der Frauen im Sommer verwehrt, und auch die Europa League ist betroffen: Dort sollte RB Leipzig Mitte März auf Spartak Moskau treffen. Nun werden die Sachsen kampflos ins Viertelfinale einziehen. Außerdem beendete die Uefa die Partnerschaft mit dem russischen Energieunternehmen Gazprom mit sofortiger Wirkung. Russlands Fußball-Verband will gegen den Ausschluss vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas ziehen.
Putin verliert Olympischen Orden
Vor allem das IOC und die Fifa hatten sich zunächst schwergetan mit Konsequenzen, hatten eher weiche Sanktionen verhängt: Wettbewerbe mit russischer Beteiligung nur auf neutralem Boden, ohne den Namen Russland, ohne Nationalflagge und Hymne. Die Kehrtwende erklärte das IOC in einer Mitteilung: Die olympische Bewegung befinde sich in einem „Dilemma“, hieß es da: Grundsätzlich gelte es „im Sinne der Fairness, Athleten nicht für Entscheidungen ihrer Regierung zu bestrafen“. Während allerdings Sportler aus Russland und Belarus weiterhin an Wettbewerben teilnehmen könnten, „werden Athleten aus der Ukraine daran gehindert, weil ihr Land angegriffen wird“. Man habe sich daher „schweren Herzens“ für seine Empfehlung entschieden. Zudem entzog das IOC Russlands Präsidenten Wladimir Putin und weiteren Regierungsmitgliedern den Olympischen Orden.
Zuvor war der Druck auf die internationalen Verbände immer größer geworden, mit jedem Tag, an dem sich die kriegerischen Handlungen Russlands in seinem Nachbarstaat auf grausame Weise fortsetzten, wuchs die Schar der Kritiker. Nun handelte das IOC – ging aber in den Augen einiger nicht weit genug: „Die Aussage greift zu kurz“, twitterte Global Athlete, eine internationale Athletenvereinigung. Die Nationalen Olympischen Komitees von Russland und Belarus müssten komplett suspendiert werden – das sei auch die klare Erwartung der ukrainischen Sportler, mit denen man in Kontakt stehe.
Der Druck aus den Reihen der Sportlern ist zu groß
Schon 2017 habe das IOC in der Affäre um russisches Staatsdoping einen Ausschluss Russlands von den Olympischen Winterspielen 2018 angekündigt – und dann doch russische Athleten zugelassen.
Das dürfte dieses Mal keine Option sein, zu groß ist der Druck – auch aus Reihen der Sportler: In einem offenen Brief hatten ukrainische und auch internationale Athleten sowie Vereinigungen gefordert, das Russische sowie das Belarussische Olympische und Paralympische Komitee zu suspendieren. „Russlands Einmarsch in die Ukraine, unterstützt von Belarus, ist ein klarer Verstoß gegen die Charta der Olympischen und Paralympischen Spiele –- ein Verstoß, der mit strengen Sanktionen geahndet werden muss“, hieß es in dem Schreiben, das auch die russische Fecht-Olympiasiegerin Sofia Velikaja auflistet. Sie ist zugleich die Vorsitzende der russischen Athletenkommission.
Fifa stand vor einem Dilemma
Die Fußball-Verbände von Polen, Schweden und Tschechien hatten angekündigt, nicht zu den WM-Qualifikationsspielen gegen Russland antreten zu wollen. Immer mehr internationale Fußball-Verbände schlossen sich an. Die Fifa stand also vor der Wahl: Rote Karte für Russland – oder Durchmarsch zur WM. Und das mochte sich auch in der affärengeplagten Fifa niemand vorstellen.