Gelsenkirchen. Der FC Schalke 04 reagiert auf den Krieg in der Ukraine. Der Putin-Vertraute Matthias Warnig tritt aus dem Aufsichtsrat zurück.

Das erste Statement an einem bemerkenswerten Tag setzte Dimitrios Grammozis. Als der Trainer des FC Schalke 04 am Donnerstagvormittag bei einer Pressekonferenz über die sportliche Lage seiner Profis reden sollte, trug er nicht wie üblich ein Shirt mit der Aufschrift des Hauptsponsors Gazprom, sondern einen neutralen Trainingsanzug. Grammozis nahm vorweg, was der Verein einige Stunden später verfügte: Wegen des Krieges in der Ukraine laufen die Schalker künftig in Trikots ohne Gazprom-Logo auf. Ungeachtet der möglichen finanziellen Konsequenzen distanzieren sich die Schalker von dem Unternehmen, das mehrheitlich dem russischen Staat gehört.

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Seit 2007 ist Gazprom der Hauptsponsor, zuletzt verlängerten die Schalker den Vertrag nach dem Abstieg 2021, der aktuelle gilt bis Juni 2025 – und das zu üppigen Konditionen. Auch deshalb hatten sich die Schalker mit ihren Äußerungen in den vergangenen Tagen stets zurückgehalten und nur betont, die Ereignisse genau zu beobachten. Gestern handelten sie.

Matthias Warnig war schon immer umstritten

Zunächst verkündeten sie, dass Aufsichtsrats-Mitglied Matthias Warnig (66) sein Mandat mit sofortiger Wirkung niedergelegt habe. Seit 2007 beruft Schalkes Aufsichtsrat einen Gazprom-Vertreter, seit 2019 war dies Warnig. Die Berufung war von Beginn an umstritten. Warnig war als hoch dekorierter Geheimagent für die Stasi in der DDR tätig, ist ein enger Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin. Er sitzt in den Aufsichtsräten mehrerer russischer Banken und ist seit 2006 Geschäftsführer der Nordstream 2 AG. Zum ersten Sanktionspaket der USA am Mittwoch gehörten Strafmaßnahmen gegen die Nordstream 2 AG und auch Warnig persönlich.

In einer knappen Mitteilung dankten die Schalker Warnig „für sein persönliches Engagement für den Verein in den vergangenen zweieinhalb Jahren.“ Warnig war entscheidend daran beteiligt, dass Gazprom den Vertrag verlängert hatte.

Gazprom-Logo wird vom Trikot verbannt

Doch allein bei Warnigs Rücktritt blieb es nicht. Nur wenige Stunden später gaben die Schalker bekannt, dass sie das Gazprom-Logo von ihren Trikots verbannen. Dies hätten sie mit der Gazprom Germania, der deutschen Tochter des Unternehmens, besprochen. „Wir haben uns mit Blick auf die Ereignisse, Entwicklung und Zuspitzung der vergangenen Tage dazu entschieden“, schrieben die Schalker. Schon am Samstag, wenn die Königsblauen in der Zweiten Liga in Karlsruhe antreten (13.30 Uhr/Sky), wird lediglich „Schalke 04“ auf der Brust stehen – wie in den 70er Jahren.

Gleichzeitig bereiteten die Schalker weitergehende Maßnahmen vor. Sowohl in den Fanshops als auch Online waren keine Artikel mit Gazprom-Logo mehr zu erhalten. Das Sondertrikot wird dafür in einer Sonderauflage ab Montag erhältlich sein. Trikots genug stehen dafür zur Verfügung. Aufgrund hoher Abnahme-Verpflichtung haben die Königsblauen noch viele Trikots auf Lager.

Ein offizielles Statement der Verantwortlichen gab es am Donnerstag aber noch nicht – lediglich knappe Mitteilungen oder ein paar Sätze von Grammozis oder Klubsprecher Marc Siekmann. „Auch wir sind, als wir wach geworden sind, schockiert gewesen von den Bildern, die sich innerhalb Europas abspielen. Wir brauchen Zeit, um zu schauen, was das für Schalke 04 bedeutet. Die Vereinsführung wird sich zu gegebener Zeit äußern. Wir brauchen viel Zeit, um die Dinge zu prüfen“, sagte beispielsweise Siekmann.

Gazprom garantiert Schalke eine Millionensumme

Die größte Frage, die Schalke noch klären muss: Gibt es die Möglichkeit, ganz aus dem Gazprom-Vertrag auszusteigen? Trotz der bisherigen Entscheidungen: Auf der Schalker Internetseite ist Gazprom noch prominent zu sehen. Aktuell garantiert der Konzern den finanziell angeschlagenen Schalkern zwischen acht und zehn Millionen Euro pro Saison – und das sogar, wenn Schalke den Aufstieg verpasst. Bei einem Aufstieg gibt es eine Prämie, zudem gelten in der Bundesliga wieder die alten Konditionen – etwa 20 Millionen Euro gibt es dann pro Jahr. Geld, das in dieser Höhe wohl kein anderer Sponsor bezahlen würde.

Deshalb tagten der Aufsichtsrat und der Vorstand um den Vorstandsvorsitzenden Bernd Schröder am Donnerstag ununterbrochen und diskutierten über Alternativen. Eine Variante ist eine Crowd-funding-Aktion, um die Einnahmeausfälle bis zum Saisonende zu kompensieren. Die Schalker würden in diesem Fall darauf setzen, dass sich aufgrund der positiven Außenwirkung Tausende Fans daran beteiligen. Durch eine erhoffte Millionen-Einnahme, die finanzielle Ausfälle bis Saisonende kompensieren könnte, würde dem Verein die Suche nach einem neuen Hauptgeldgeber erleichtert.

Merchandising-Einnahmen würden ohne Gazprom wohl steigen

Fest steht für die Klubführung, dass die Merchandising-Einnahmen ohne Gazprom-Logo steigen würden – die Rede ist von zwei bis drei Millionen Euro Steigerung pro Jahr. Auch wurden mögliche Sponsoren kontaktiert, die nach einem Gazprom-Ausstieg neu hinzukommen könnten.

Die Zweitliga-Spieler bemühen sich um eine professionelle Spielvorbereitung. „Es gibt keinen in unserer Mannschaft, der das, was gerade politisch passiert, ausblendet. Fußball ist ein wichtiger Teil, aber die andere Geschichte ist viel, viel wichtiger. Wir müssen zusehen, dass wir das im Training und in den 90 Spielminuten ausblenden“, sagte Grammozis.