Peking. Olympia im Sommer und Winter - geht das? Klar, Deutschlands schnellste Frau Alexandra Burghardt macht es vor. Hier ist ihre Geschichte.
Sechs Tage nach Ende der Olympischen Winterspiele von Peking (hier alle Olympia-Neuigkeiten in der Übersicht) beginnen in Leipzig die Deutschen Hallenmeisterschaften der Leichtathleten. Alexandra Burghardt will „spontan entscheiden, ob ich da über 60 Meter mitmache.“ Zuvor hat die schnellste Frau Deutschlands jedoch noch ihr größtes sportliches Abenteuer vor sich: Am Freitag und Samstag will die 27-Jährige Sprinterin die amtierende Bob-Olympiasiegerin Mariama Jamanka im Eiskanal von Yanqing zu Gold anschieben.
Es ist ein Projekt der ganz speziellen Art, denn Burghardt entschloss sich erst nach dem Olympischen Sommerspielen von Tokio kurzfristig für den Ausflug in die Formel 1 des Winters. Sie hatte schon mehrmals Anfragen aus dem Bob-Lager bekommen, doch erst nach ihrem starken olympischen Auftritt über 100 Meter samt Halbfinal-Einzug fühlte sie sich reif für die Herausforderung: „Ich wollte nicht in eine andere Sportart flüchten, bevor ich meine nicht in die Reihe bekommen habe. Jetzt hat einfach alles gepasst und wer kann schon zweimal Olympische Spiele in einem halben Jahr erleben?“
Olympia: Alexandra Burghardt ist auf ganz neuen Pfaden unterwegs
Burghardt ist mit ihrem doppelten Olympia-Start im Sommer und Winter in so kurzer Zeit tatsächlich auf ganz neuen Pfaden in der Welt des Sports unterwegs. Im September überzeugte sie bei einem Bob-Anschubtest, ein paar Wochen stand in Innsbruck-Igls die erste Trainingsfahrt als Anschieberin von Bob-Olympiasiegerin Jamanka auf dem Plan. „Angst hatte ich nicht davor, aber größten Respekt. Mariama hat mir vorher empfohlen, mir auf Youtube ein Video anzuschauen. Aber es war dann doch ganz anders. Aufregend, eine wilde Fahrt und ich habe nicht rechtzeitig gebremst.“
Das und all die anderen Finessen des Bobsports hat Alexandra Burghardt jedoch inzwischen in Rekordzeit gelernt. Im Weltcup ist die Bob-Newcomerin gemeinsam mit Jamanka bereits zweimal aufs Podest gefahren und auch bei Olympia gab es schon eine Lauf-Bestzeit im Training. „Alexandra hat als olympische Halbfinalistin über 100 Meter natürlich exzellente Voraussetzungen für den Bobsport. Aber sie hat auch akribisch an der Technik gearbeitet und dabei ein paar Entwicklungsschritte übersprungen“, lobt Bob-Bundestrainer Rene Spies. So setzte sie sich mit ihrem „Raketenantrieb“ in den Beinen im Kampf um den Anschieber-Platz hinter der olympischen Goldanwärterin Jamanka gegen harte Konkurrenz durch.
Alexandra Burghardt genießt die Faszination Olympia
Aber was ist überhaupt der Unterschied zwischen einem 100-Meter-Sprint und dem Anschieben eines Bobs? „Das Laufen ist sehr ähnlich“, sagt Burghardt, die sich mit ihrer Leichtathletik-Trainingsgruppe auf Teneriffa für Winter-Olympia vorbereitet hat: „Aber ich schiebe beim Bob halt ein Gerät und musste lernen, meine Kraft und Schnelligkeit auf das Gerät zu übertragen“ Dabei hat ihr neben den Bob-Trainern natürlich auch Mariama Jamanka geholfen. „Natürlich hatte Alexandra viele Fragen. Es ist witzig, wenn man Sachen erklären muss, die für einen selbstverständlich sind. Dadurch hinterfragt man Dinge auch selbst noch einmal“, erzählt Jamanka.
Die Chemie zwischen den beiden passt jedenfalls und Alexandra Burghardt genießt die Faszination Olympia nach den Sommerspielen von Rio und Tokio nun bereits zum dritten Mal. Von ihrem olympischen „Doppelschlag“ in so kurzer Zeit profitieren auch andere: Alexandra Burghardt spendet einen Teil ihrer Olympia-Einkleidungen, um mit den Einnahmen den Kindersport zu unterstützen. Sie ist selbst Leichtathletik-Kindertrainerin bei ihrem Verein Wacker Burghausen und sorgt sich um die Talente der Zukunft: „Viele Kinder verlassen wegen Corona den Verein. Es ist ganz wichtig, auf den Nachwuchs zu schauen.
Alexandra Burghardt: „Das ist ein Projekt bis zum Ende der Olympischen Winterspiele"
Das zeigt, wofür Alexandra Burghardts Herz am meisten schlägt. Sie hat eine Menge Spaß in der Bob-Szene, dennoch wird ihr Ausflug in den Wintersport (vorerst) ein einmaliger bleiben. „Das ist ein Projekt bis zum Ende der Olympischen Winterspiele. Es gibt im Sommer so viele Highlights – eine WM und dann auch noch die Heim-EM im Wohnzimmer München.“ Vielleicht werden dann ihre neuen Freunde aus dem Bobsport zuschauen. Und wenn Alexandra Burghardt nach dem Ende ihrer Sprint-Karriere wieder Lust auf ein Abenteuer im Eiskanal hat, nimmt Bundestrainer Rene Spies sie „natürlich mit Kusshand zurück“.