Peking. Der Fall Peng Shuai liegt als Schatten auf Olympia. Gesprächstermine und ein Interview sollten Ruhe bringen. Doch Sorgen bleiben.
Lange blieb die Frage unbeantwortet. Wo ist Peng Shuai? Immer wieder gab es kurze Verlautbarungen, seit die chinesische Tennisspielerin Missbrauchsvorwürfe gegen einen chinesischen Politiker erhoben hatte und dann von der Bildfläche verschwunden war. Wo ist Peng Shuai? Während der Olympischen Winterspiele in China beantwortete die 36-Jährige diese Frage mit Besuchen beim Curling, beim Ski-Freestyle, bei einem Abendessen mit Thomas Bach und durch ein fragwürdiges Interview in der französischen L'Equipe. Eine wirkliche Antwort, ob die Chinesin derzeit aus freiem Willen agiert oder unter Einfluss des chinesischen Regimes steht, ließ die einstige Wimbledon-Siegerin im Doppel aber offen.
Wo ist Peng Shuai? In den Sozialen Medien wurde der Hashtag „#WhereIsPengShuai“ weltweit geteilt, nachdem die einst beste Doppelspielerin der Tenniswelt im Sozialen Netzwerk Weibo Anfang November 2021 den früheren Vizepremier Zhang Gaoli des sexuellen Missbrauchs beschuldigt hatte. Peng war für viele Weggefährten über Wochen nicht zu erreichen, die Vereinigung der Profitennisspielerinnen WTA kündigte an, ihre Turniere aus China abzuziehen, die Vereinten Nationen und die EU forderten Aufklärung. In einem Interview mit der französischen Sportzeitung L'Equipe sprach sie nun darauf angesprochen von einem „großen Missverständnis“, auch sei sie „nie verschwunden“ gewesen.
Interview mit Peng Shuai: Zeitung nährt Zweifel
Überhaupt wolle sie nicht, dass die Bedeutung ihres Posts weiter verdreht werde, sie wolle „keinen weiteren Medien-Hype darum“. Sie selbst habe den Eintrag damals gelöscht, „meine Liebesprobleme, mein Privatleben dürfen nicht mit Sport und Politik vermischt werden“, sagte sie, „denn das bedeutet meist eine Abkehr vom olympischen Geist und geht gegen den Willen der Sportwelt und der Athleten.“ Peng hatte die Vorwürfe zuvor bereits in einem Interview mit der Zeitung Lianhe Zaobao aus Singapur zurückgezogen.
Die Vorgänge um die Tennisspielerin bleiben weiter rätselhaft, ihr Schicksal liegt wie ein Schatten über den Winterspielen in China. Zumal die L'Equipe selbst Zweifel an der Aussagekraft des Interviews nährte, denn die Umstände waren journalistisch höchst fragwürdige. Das Gespräch in einem Hotelzimmer in Peking wurde von Stabschef des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) Chinas, Wang Kan, begleitet. Die Zeitung musste die Fragen im Voraus einreichen. Zudem seien Pengs Kommentare, trotz eines eigenen L'Equipe-Übersetzers, von dem NOK-Offiziellen aus dem Chinesischen übersetzt worden - obwohl die Tennisspielerin gutes Englisch spricht. Sie verstehe die Angst um sie nicht, sagte Peng, gekleidet in einem Trikot des chinesischen Olympia-Eishockeyteams. „Ich hätte nicht gedacht, dass es eine solche Besorgnis geben würde, und ich würde gern wissen: Warum diese Besorgnis?“
Peng Shuai: Abendessen mit Thomas Bach
Auch ein Abendessen mit Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sorgte nicht für Erhellung. Das fand noch vor dem Interview in Peking statt, allerdings bevorzugte Bach wohl eher einen Plauderton und vermied harte Fragen. Es ging um olympische Erfahrungen, die Winterspiele und die Corona-Pandemie. Bach lud Peng auch nach Lausanne ein, sie sagte zu. So weit die Version, die durch das Interview, laut L'Equipe Pengs erstes Gespräch mit einer „internationalen und unabhängigen Zeitung“ über das sensible Thema, und dann über ein IOC-Statement Verbreitung fand.
„Unser Job als Sportorganisation ist es, mit ihr in Kontakt zu bleiben. Ich glaube nicht, dass wir das beurteilen sollten“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams und fügte in Richtung der Reporter hinzu: „Und ihr solltet das auch nicht tun.“ Das tat ein anderer. Der chinesische Künstler Ai Weiwei hat seine eigene Meinung „Wo ist Peng Shuai?“ Sie sei „in sicheren Händen der Kommunistischen Partei“, sagte der bekannte Regimekritiker dem britischen Guardian. Das Regime werde „dafür sorgen“, dass sie sich „genau“ auf Parteilinie bewege: „Sie ist eine andere Person geworden, und was immer sie dir sagt, ist nicht wahr.“ (fs/dpa/sid)