Zhangjiakou. Skispringerin Katharina Althaus holt die erste Olympiamedaille für Deutschland. Es hätte sogar mehr als Silber sein können.

Ja, will denn keiner mehr? Katharina Althaus hob die Augenbrauen, noch mehr aber die Mundwinkel an, als sie im Medienzelt von Zhangjiakou vor einer blauen Werbewand und zwischen zwei durchsichtigen Plastikscheiben saß. Deutschlands beste Skispringerin schaute in die Runde. „Keine Fragen mehr aus Deutschland?“, entfuhr es den chinesischen Moderater bei der Pressekonferenz. Nein, Katharina Althaus hatte schon vorher ausführlich erklärt, wie das war, zu olympischem Silber, zur ersten deutschen Medaille bei diesen Winterspielen in Peking zu fliegen. „Gleich ist noch Dopingprobe“, sagte die 25-Jährige, schnappte sich Bing Dwen Dwen, das mit einem goldenen Lorbeerkranz umrahmten Maskottchen der Spiele, stand auf und ging mit einem Zweiter-Sieger-Lächeln.

Es hätte an diesem bitterkalten Abend bei minus 15 Grad in China ein Erster-Sieger-Lächeln können – ein Olympiasieger-Lächeln. Das setzte am Ende aber die Slowenin Ursa Bogotaj auf, die die nach dem ersten Durchgang Führende aus Oberstdorf doch noch abfing. 3,1 Punkte waren nicht genug Vorsprung, 99 Meter genügten Bogotaj für den Goldsatz (239 Punkte). Katharina Althaus hatte letztlich etwas Pech mit den Bedingungen – nur 94 Meter, am Ende 2,2 Punkte weniger als die Erste, aber noch 4,8 Zähler mehr als deren Landsfrau Nika Kriznar auf Platz drei. „Ich habe gehofft, dass es reicht, dass ich vielleicht ganz oben stehe“, so die 1,55 Meter große Allgäuerin bei ihrem Interview-Marathon nach der provisorischen Siegerehrung. „Aber ich kann mir nichts vorwerfen. Ich habe zwei Supersprünge gemacht und bin megahappy.“

Eine Einschätzung, der man sich anschließen konnte. Sven Hannawald jedoch war da anderer Meinung: „Sie hätte gewonnen, wenn man nur eine halbe Minute wartet“, sagte der ARD-Experte mit Bezug zum Wind. „Ich bin immer der Neutralste, aber bei so was bekomme ich Bauchgrummeln.“ Althaus wollte dem nicht ganz widersprechen. „Ja, im Nachhinein kann man sagen, dass sie hätten warten können. Aber das gehört zum Skispringen dazu. Den Wind kann man nicht beeinflussen, man braucht das Glück. Es ist trotzdem gut.“

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Für das deutsche Team hat es so oder so am ersten Wettkampftag in Peking zum erhofften Edelmetall gereicht. „Wir freuen uns riesig, dass wir eine Medaille gewonnen haben“, sagte Bundestrainer Maximilian Mechler mit Atemwolken vor dem Gesicht. „Eigentlich haben wir mehr aufs Mixed spekuliert. Dass Katha das jetzt schon klargemacht hat, ist super.“ Am Montag springt Althaus mit einer noch zu benennenden Teamkameradin und zwei männlichen Kollegen bei der Premiere dieses Wettkampfs. Bereits an diesem Sonntag fliegen die Männer um Gold, Silber und Bronze von der Normalschanze. „Ich drücke allen fest die Damen“, sagte Althaus freudestrahlend. „Ich freue mich, dass ich die erste sein durfte. Ich weiß aber auch, dass noch ganz viele folgen werden.“

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© AFP | AFP

Nach Einschätzung des Bundestrainers hätte es am Samstagabend auf der beleuchteten Prunkschanze von Zhanjiakou sogar noch Blech werden können. „Ich habe im ersten Moment gezittert, ob es überhaupt noch für eine Medaille reicht“, bilanzierte Mechler. „Die Bedingungen waren einfach nicht gut im zweiten Durchgang. Ich war dann aber überglücklich, dass sie noch einen Supersprung und damit Silber gemacht hat. Das kann auch ganz schnell anders ausgehen.“

Althaus, die in plötzlicher Abwesenheit der coronainfizierten Gesamtweltcup-Führenden und Saisondominatorin Marita Kramer aus Österreich quasi über Nacht zur Gold-Favoritin avanciert war, ballte nach der Landung noch die Hände zu Fäusten, beim Abbremsen der Skier ging sie leicht in die Hocke. Als die 2 auf der Anzeigentafel aufleuchtete, flossen auch ein paar Tränchen. „Ich war ein bisschen überwältigt, habe mich geärgert und gefreut zugleich. Nach einer kurzen Zeit überwiegt die Freude aber doch.“

Katharina Althaus: Olympiasieg wäre i-Tüpfelchen gewesen

Wie vor vier Jahren in Pyeongchang, damals in Person der Norwegerin Maren Lundby, gab es nun wieder eine Konkurrentin, die am Ende die Nase vorne hatte. Nach vier WM-Titeln wäre der Olympiasieg das fehlende i-Tüpfelchen in der Karriere von Deutschlands konstantester Fliegerin der letzten Jahre gewesen. Eine zweite Olympiamedaille am Montag noch mitzunehmen, wäre allerdings auch eine akzeptable Versöhnung. Wie sich Katharina Althaus bis dahin vorbereiten will? „Erst einmal zurück ins Hotel, bissl runterkommen, bissl feiern.“ Am Samstagabend standen dann noch drei Auftritte in Fernsehstudius an. „Ich nehme alles mit“, sagte Deutschlands erste Medaillengewinnerin in Peking und lächelte, als wäre es Gold gewesen.