Zhangjiakou. Bei den Olympischen Spielen dürfen Frauen nur von der Normalschanze springen. Katharina Althaus setzt sich für „Schanzengleichheit“ ein.
104,5 Meter, Bestweite und ein „megagutes Gefühl“: Nach ihrem letzten Trainingssprung auf der pompösen Olympiaschanze von Zhangjiakou hatte Katharina Althaus am Freitag wieder das für sie so typische Lächeln auf den Lippen. Als „unseren Sonnenschein im Team“ hat sie Ex-Bundestrainer Andreas Bauer beschrieben, als sie vor vier Jahren überraschend Olympia-Silber in Pyeongchang gewann. Diesmal gehört die 25-Jährige mit dem goldenen Helm sogar zu den Goldfavoriten und könnte mit dem ersten Olympiasieg für Deutschland bei den Winterspielen von Peking Geschichte schreiben.
Es wäre in der öffentlichen Wahrnehmung ein weiterer Schritt nach vorn für die fliegenden Frauen, die immer noch im Schatten der männlichen Stars um Vorflieger Karl Geiger stehen. Auch bei diesen Winterspielen ist das so, obwohl die Skispringerinnen neben dem Einzelwettbewerb am Samstag (11.45 Uhr MEZ/ARD und Eurosport) erstmals eine zweite Goldchance im Mixed haben. „Es geht Schritt für Schritt voran mit der Gleichberechtigung. Aber natürlich wäre es schön gewesen, wenn wir schon bei diesen Winterspielen ein Großschanzen-Wettbewerb und ein eigenes Teamspringen für die Frauen gehabt hätten“, sagte Althaus.
Männer haben mehr Goldchancen
Die 1,55 Meter große Oberstdorferin gehört weltweit zu den couragiertesten Kämpferinnen für die „Schanzengleichheit“. Die lustige Wortkreation hat einen ernsten Hintergrund, denn bei Olympia dürfen die Frauen nur von der kleinen Normalschanze fliegen. Die Männer dagegen auch vom großen Bakken, weshalb sie bei diesen Winterspielen weiterhin doppelt so viele Goldchancen (vier) wie ihre Kolleginnen haben. Dass Althaus und Co. die Großschanze können, haben sie bei der WM-Premiere in Oberstdorf im Vorjahr und zuletzt bei der Olympia-Generalprobe in Willingen eindrucksvoll bewiesen.
Auch, dass sie Nehmerqualitäten haben. Selina Freitag, die kleine Schwester des nicht für Olympia nominierten Skisprung-Helden Richard Freitag, stürzte im Wirbelwind schwer. Und ist dennoch in Zhangjiakou dabei und kann sich nach starken Trainingsleistungen sogar Hoffnungen auf den zweiten Frauen-Startplatz im olympischen Mixedwettbewerb neben Althaus machen. Die beste deutsche Skispringerin war in Willingen mit einem Traumflug auf 145 Meter auf Platz zwei hinter der Österreicherin Sara Marita Kramer gelandet.
Die Überfliegerin der Saison wurde jedoch positiv auf Corona getestet und fehlt bei Olympia. Auch die Norwegerin Maren Lundby, Olympiasiegerin von 2018 und amtierende Weltmeisterin, fehlt bei Olympia. Sie fühlte sich dem Leistungssport-Stress im Skispringen mit dem ständigen Fokus auf ein möglichst geringes Fluggewicht nicht mehr gewachsen. Im deutschen Team wird die 2014 zum Premieren-Olympiasieg geflogene Carina Vogt vermisst, die nach Verletzungsproblemen die Qualifikation verpasst hat.
Große Schere beim Preisgeld
Die formstarke Katharina Althaus könnte darüber jubilieren, weil der Weg für sie zu Olympiagold leichter geworden ist. Doch die Allgäuerin hat lieber das große Ganze im Blick: „Mit tut es besonders um Sara leid, mit der ich mich gern bei Olympia gebattelt hätte. Es ist gut für das Frauen-Skispringen, wenn immer alle Topathletinnen am Start sind, damit wir ein perfektes Produkt abliefern können.“ Nur so werden die nächsten Schritte zur „Schanzengleichheit“ möglich sein. Oben auf der Prioritätenliste steht dabei eine Vierschanzentournee nach dem Vorbild der Männer, die es schon im nächsten Winter geben könnte.
„Im Frühjahr wird auch darüber entschieden, ob wir endlich Skifliegen können“, erzählt Althaus. Die größten Schanzen der Welt sind den fliegenden Frauen bisher komplett verschlossen. Auch beim Preisgeld gibt es noch viel Luft nach oben: 25.194 Schweizer Franken und 3800 für die Siegerin gib es pro Wettbewerb. Bei den Kollegen werden 71.800 Schweizer Franken – davon mindestens 10.000 für den Sieger – ausgeschüttet.