Essen. Biathlet Benedikt Doll spricht vor den Olympischen Winterspielen in Peking über Erfolgsaussichten und einen problematischen Ausrichter.
Lange schienen die Aussichten für die deutschen Biathleten bei den Olympischen Spielen in Peking eher in düsteren Farben gezeichnet. Seit Benedikt Dolls Sieg beim Weltcup in Antholz sieht die Szene wieder Farbtupfer am Horizont. Vor seiner Abreise sprach der 31-jährige Schwarzwälder über Medaillenchancen des deutschen Teams, schwierige Spiele in China und seine Kochleidenschaft.
Herr Doll, normalerweise gibt es vor Olympischen Spielen am jeweiligen Austragungsort immer Generalproben. Die der Biathleten in Peking wurde im letzten Jahr wegen der Corona-Pandemie gestrichen. Der olympische Kurs in Zhangjiakou ist für Sie also Terra incognita. Wie fühlt sich das an?
Benedikt Doll: Ich bin ein bisschen aufgeregt. Weil ich nicht genau weiß: Wie ist die Anlage? Wie ist das Olympische Dorf? Was gibt’s dort zu essen? Mir ist es schon immer wichtig, gut zu schlafen und mich gut zu ernähren. Das ist jetzt noch ein großes Fragezeichen. Es ist spannend zu sehen, wie ich mit der Strecke und dem Schießstand zurechtkomme. Es soll dort ja recht windig und kalt sein. Ich glaube, wir haben uns auf die Kälte gut vorbereitet. Aber es gibt eben einige Ungewissheiten.
Als biathlonweit bekannter Hobbykoch – verlassen Sie sich da beim Essen darauf, was Ihnen in China serviert wird? Oder gibt es spezielle Vorkehrungsmaßnahmen?
Doll: Nach dem, was man von Athleten hört, die an mehreren Olympischen Spielen teilgenommen haben, war das Essen dort eigentlich immer gut. Aber natürlich macht man sich Gedanken. Grundsätzlich bin ich ein Fan der asiatischen Küche, und es wird sicher auch typisch europäisches oder amerikanisches Essen geben. Außerdem hat der DSV noch eigene Köche dabei, die in einem Außenquartier untergebracht sind. Wir haben da schon ein paar Optionen. Bei Fleisch zum Beispiel ist mir wichtig, dass ich weiß, wo es herkommt. Das werde ich in China nicht erfahren. Ich muss also schauen, wo ich mir meine Eiweißkomponente herhole – da ich um das Fleisch in China möglicherweise eher einen Bogen mache.
Spielt es für Ihr Gefühl eine Rolle, wo diese Winterspiele stattfinden? Sprich: In einem Land, in dem – abgesehen von der rigorosen Corona-Politik, die Sie ja persönlich betrifft – beispielsweise Menschenrechte verletzt werden.
Doll: Natürlich spielt das für mich eine Rolle – denn ignorieren will ich das nicht. Ich finde es zum einen problematisch, Spiele in ein Land zu vergeben, wo Dinge vorkommen, über die es entsprechende Diskussionen gibt. Da könnte man als IOC sagen: Okay, ich will diesen Diskussionen aus dem Weg gehen – und vergebe die Spiele in ein Land, wo ich sicher sein kann. Zweitens: Warum muss man Winterspiele in ein Land vergeben, wo der Skisport eigentlich keine große Tradition hat? Das ist nicht so schön. Aber jetzt zu fordern, die Sportler müssen sich äußern, die Spiele boykottieren – da macht man es sich ein bisschen einfach. Da hätte man vor sieben Jahren mal laut werden müssen, als die Spiele vergeben wurden. Und drittens hatten wir in Deutschland auch schon einige Bürgerentscheide zu Olympia, die negativ ausfielen. Und irgendwo will man die Spiele ja austragen. Wenn Deutschland oder andere westliche Länder nicht wollen, muss man eben andere Austragungsorte finden.
Rodel-Ikone Georg Hackl äußerte kürzlich die Ansicht, man hätte Olympia in Peking, ähnlich wie die letzten Sommerspiele in Tokio, aus Gründen der Fairness um ein Jahr verschieben sollen. Was ist Ihre Meinung dazu?
Doll: Was würde das ändern? Ich glaube, wir sind mit den Corona-Maßnahmen mittlerweile sehr konform. Klar, wir werden in Peking sehr strenge Hygienemaßnahmen haben. Aber aus Sportlersicht ist das grundsätzlich nicht schlecht. Weil die Maßnahmen nicht nur vor Corona schützen, sondern natürlich auch vor anderen Ansteckungen.
Was das Sportliche angeht, scheint es, als hätten Sie in diesem Winter ein exzellentes Timing hinbekommen.
Doll: Mit Ergebnissen wie bei den letzten Weltcups in Ruhpolding und Ant-holz kann ich mit gestählter Brust nach Peking reisen. Ich habe eine gute Laufform und kann auch gut schießen. Das ist keine Garantie, dass ich jetzt auf einmal alle Medaillen hole. Aber ich weiß, ich kann’s, ich habe die Fähigkeiten dazu. Und das beruhigt ein bisschen, würde ich behaupten.
Wie gehen Sie die Rennen in Zhangjiakou generell an?
Doll: Ich weiß, dass es wahrscheinlich meine letzten Spiele sind. Olympia ist nur alle vier Jahre – da muss man, finde ich, schon ein bisschen kontrollierter rangehen. Klar: Wenn ich sage, ich mach‘ jetzt einen sicheren Wettkampf, hole ich keine Medaille. Man muss mit vollem Risiko in den Wettkampf gehen, das Risiko aber noch einigermaßen kontrollieren können. Ansonsten hat man keine Chance.
Bundestrainer Mark Kirchner sagte bereits im Dezember, als längst nicht alles rund lief, in Peking sei für die deutsche Männer-Staffel sogar Gold möglich. Die Latte hat er damit ordentlich hoch gelegt.
Doll: Ich glaube, die größte Konkurrenz werden die Norweger. Läuferisch können die auf einer Runde schon mal zehn Sekunden rausholen. Aber, ja: An einem perfekten Tag ist Gold möglich. Wir haben das Ziel, eine Medaille zu holen – und können von Gold träumen. Aber sich da jetzt wuschig zu machen, wäre gefährlich. Und zu sagen, unser Ziel ist Gold, finde ich unrealistisch.
Die deutschen Biathleten gehen im Vergleich mit ihren Teamkolleginnen mit den deutlich besseren Aussichten in die olympischen Wettkämpfe. Das war vor der Saison nicht unbedingt zu erwarten. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Doll: Ich muss ehrlich sagen, diese Wahrnehmung ist mediengemacht. Wir Männer haben es hingekriegt, unsere Schießleistung zu verbessern. Zudem sind Athleten wie Erik Lesser oder Roman Rees läuferisch deutlich stärker als im letzten Jahr. Ich glaube, alle Sportler bei uns haben einen Schritt nach vorne gemacht. Mittlerweile haben wir ein Niveau im Männer-Team, dass viele auch aufs Podest laufen können.