Dortmund. Seit Jahren muss Marco Reus bei Borussia Dortmund die hohen Erwartungen einer Stadt schultern. Das sorgt häufig für Schwankungen.
Welch wunderbarer Fußballer Marco Reus sein kann, lässt sich auch am Donnerstag bestaunen. Eine Spielform auf engem Raum, viele Kontakte, mal streichelt er den Ball, mal haucht er ihn an den anderen Füßen vorbei. Borussia Dortmund lässt Interessierte nur selten beim Training zuschauen, dabei würde es sich immer lohnen, Marco Reus bei der Arbeit zuzusehen.
Nur erwächst aus diesen Fähigkeiten ein Anspruch, der 32-Jährige zählt zu den begnadetsten Fußballern seiner Generation. Und ob er wirklich alles aus sich herausgequetscht hat, darüber entzweien sich die Meinungen. Seit 2012 steht er bei seinem Heimatklub unter Vertrag, zweimal hat er seitdem den DFB-Pokal in den Händen gehalten, andere Titel konnte er nicht am Borsigplatz präsentieren. Dadurch symbolisiert der gebürtige Dortmunder das Gefühl, das den Klub schon lange begleitet, dass doch eigentlich mehr möglich sein müsste, trotz der übermächtigen Bayern.
BVB: Reus brillierte beim Dortmunder Pokalsieg gegen RB Leipzig
Wie so häufig im Fußball besteht die Wahrheit dabei nicht aus Schwarz oder Weiß. Reus hat viele große Momente im Dortmunder Trikot entstehen lassen, in 232 Spielen 103 Tore erzielt. Und, weil die Erinnerungen in dieser Sportart schnell verblassen, in der vergangenen Spielzeit führte er die Mannschaft im Finale gegen RB Leipzig zum Pokalsieg (4:1), zeigte eine seiner stärksten Leistungen.
Jedoch kleben an Reus gleichzeitig die schwachen Momente, die Spiele, in denen es den Anschein hat, als würde ausgerechnet er als Kapitän die Schultern hängen lassen. Zuletzt enttäuschte der Offensivspieler beim Pokal-Aus gegen den Zweitligisten FC St. Pauli. Hinter vorgehaltener Hand bemängelt man im Verein des Öfteren das Zweikampfverhalten des Profis. Marco Rose ist nicht der erste Trainer, der Reus öffentlich verteidigen musste. „Ich stehe zu meinem Kapitän“, sagte er.
BVB: Die Frage nach der richtigen Position
Andererseits verändert Rose nicht sein System, um seinen Kapitän im Zentrum spielen zu lassen, wo er sich am wohlsten fühlt. Reus soll häufig auf der Außenbahn der Offensive helfen, obwohl der Weg zum Tor für ihn hier viel weiter ist, obwohl er hier viel Kraft verliert, wenn er etwa Verteidiger Thomas Meunier hinten unterstützen muss.
„Marco kann auf verschiedenen Positionen spielen, dass er sich möglicherweise im Zentrum etwas wohler fühlt, ist klar, trotzdem versucht er, sich einzubringen“, sagt Sebastian Kehl, Leiter der Lizenzspielerabteilung. Sportdirektor Michael Zorc meint: „Ich glaube, dass Marco Reus sowohl außen als auch im Zentrum schon gute Spiele gemacht hat. Der Trainer entscheidet über die taktische Ausrichtung, die ist vom Gegner abhängig.“
Als Rose in Hoffenheim umstellte, Reus in die Mitte rückte, gab dieser nur wenige Minuten später der Partie eine andere Wendung. Durch sein Tor zum 2:1 wachten die Dortmunder auf und gewannen am Ende 3:2. In welcher Formation die Borussia im kommenden Heimspiel gegen Bayer Leverkusen (6. Februar, 15.30 Uhr/DAZN) aufläuft, steht noch nicht fest. Sechs Punkte beträgt der Rückstand des BVB auf den Tabellenführer FC Bayern, nach wirklicher Spannung im Titelkampf fühlt sich dies nicht an.
BVB: Vertrag von Marco Reus läuft im Sommer 2023 aus
Dabei hatte Marco Reus im Sommer extra auf die Teilnahme an der Europameisterschaft verzichtet, um seinem Körper die nötige Pause zu gönnen und weil er hoffte, vielleicht mehr erreichen zu können. Er sehnt sich nach der Deutschen Meisterschaft, die sein Schaffen im Verein komplettieren und all die Kritik verstummen lassen würde. Viel Zeit bleibt nicht mehr, sein Vertrag gilt bis zum Jahr 2023. Eine Verlängerung ist wahrscheinlich, wobei die Chefs die Formkurve des Topverdieners (rund zwölf Millionen Euro) genau begutachten werden. Es ist davon auszugehen, dass Reus kein Angebot mehr von einem größeren Verein erhalten wird. Das stärkt nicht gerade seine Verhandlungsposition.
Im Training am Donnerstag wechselt nach einiger Zeit die Spielform, die Profis sollen sich den Ball nun mit der Hand zu werfen, Tore dürfen nur mit dem Kopf erzielt werden. Die Erkenntnisse bleiben gering, die Laune hüpft in die Höhe. Marco Reus quiekt vor Lachen, wenn seinen Kollegen ein Missgeschick passiert. Der 32-Jährige, in der Vergangenheit von vielen Verletzungen geplagt, der die Erwartungen einer ganzen Stadt schultern muss, hat den Spaß bei der Arbeit jedenfalls nicht verloren.