Melbourne. Der Fall Novak Djokovic schlägt in Australien hohe Wellen. Vor Gericht erzielt der Tennis-Star einen Erfolg. Neue Details schockieren.
Seit vielen Jahren werden die Bosse der Australian Open nicht müde, ihr Turnierspektakel als „Happy Slam“ zu vermarkten. Als Gute-Laune-Veranstaltung mit sommerlich-entspanntem Flair, mit erwartungsfrohen Fans aus aller Welt und sportlich elektrisierender Hochspannung. Was dem ersten Major-Turnier der Saison nun aber ab dem kommenden Montag blühen könnte, darauf bekam nicht nur die Tenniswelt am Montagabend in Melbourne einen unwillkommenen Vorgeschmack: Kaum hatte sich die Nachricht von Novak Djokovics juristischem Sieg gegen das australische Innenministerium um die verweigerte Einreise verbreitet, rückten ganze Heerscharen von Djokovic-Fans in Richtung der Anwaltskanzlei vor, in der sich der neunmalige Australian Open-Gewinner während der Verhandlung befunden hatte.
Wegen Novak Djokovic: Tumulte in Melbourne
Die Stimmung war aufgeheizt, Gerüchte über eine neuerliche Arrestierung Djokovics wurden lanciert. Und als dann eine Limousine die Tiefgarage des Gebäudes in der Collins Street verließ, vermeintlich mit dem wieder festgesetzten Champion, kam es zu wilden Scharmützeln und Tumulten der meist serbischen Protestierer mit der Polizei. Auch Pfefferspray wurde gegen die aggressiven Demonstranten eingesetzt, einer der Randalierer trampelte sogar auf dem Dach der Luxuslimousine herum. Was, so fragten sich Beobachter, würde erst bei den Auftritten Djokovics im National Tennis Center am Yarra River passieren?
Am Ende des fünften chaotischen Tages in der Einreise-Affäre gab es jedenfalls nur auf den ersten Blick einen Gewinner, Djokovic nämlich, der zunächst ein freier Mann war, dessen Widerspruch gegen das Einreiseverbot schließlich von Richter Anthony Kelly stattgegeben wurde. Der Richter wurde in der zähen Verhandlung einmal mit den Worten zitiert, was dieser Mann, also Djokovic, „noch alles hätte tun sollen“ um ins Land zu kommen, aber diese Anmerkung war tatsächlich ohne Relevanz. Denn es ging vorderhand nicht um die Legitimation des Visums, um Djokovics Impfstatus oder sein Verhalten nach seiner nunmehr zweiten überstandenen Virusinfektion, sondern um einen Verfahrensfehler der „Australian Border Force“ – die Grenzschützer hatten dem 34-jährigen Tennis-Superstar in jener Nacht am Tullamarina Airport nämlich nicht genügend Zeit gegeben, sich mit Anwälten zu beraten.
In den Gerichtsunterlagen war fein säuberlich dokumentiert, dass Djokovic zunächst am Einreiseschalter protestierte, dass ihm um 4 Uhr morgens nur eine 20-minütige Frist zugestanden wurde, seinen Einreisewunsch mit den nötigen Dokumenten zu belegen. Später wurde ihm dann zugesagt, er habe bis um 8.30 Uhr Zeit. Doch um genau 6.14 Uhr wurde er dann jäh ein weiteres Mal befragt, mit dem Effekt, dass ihm am Donnerstagmorgen um genau 7.42 Uhr eröffnet wurde, es werde kein Visa zugeteilt. Er habe sich stattdessen in ein Abschiebehotel zu begeben.
Novak Djokovic: Teilnahme an Australian Open noch offen
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Die große Frage, ob die Entscheidung des „Federal Circuit and Family Court of Australia“ nun wirklich ein nachhaltiger Triumph des Belgrader Ausnahmespielers war oder bloß ein trügerischer Etappensieg, blieb freilich offen und wird sich womöglich schon an diesem Dienstag entscheiden. Denn schon während der Verhandlung hatte die australische Regierung erklärt, sie behalte sich das Recht vor, mit Exekutivgewalt Djokovic doch das Visum aufs Neue zu entziehen. Der zuständige Minister Alex Hawke ließ einen Sprecher erklären, die Angelegenheit werde auf Basis der richterlichen Anordnung geprüft.
Für Djokovic legte die Verhandlung auch verräterische und gefährliche Wahrheiten offen. Denn obwohl sich der Weltranglistenerste am 16. Dezember in Belgrad um 13.05 Uhr einem PCR-Test unterzog und schon um 20.19 Uhr einen positiven Bescheid erhielt, nahm er am 17. Dezember an öffentlichen Terminen teil – anstatt sich in die notwendige Isolation zu begeben. Besonders fatal und verantwortungslos muteten die Bilder Djokovics mit erfolgreichen Tenniskids an, die in seinem eigenen Trainingscenter an diesem 17. Dezember aufgenommen wurden. Dass er akut infiziert war, darüber ließ Djokovic auch eine Delegation des französischen Fachblattes „L’Équipe“ im unklaren, die für eine Preisverleihung und ein Fotoshooting am 18. Dezember in die serbische Hauptstadt gekommen war. Bei einer gewohnt schrillen Pressekonferenz der Djokovic-Familie am Montag wurde das Frage-und-Antwort-Spiel dann genau in jenem Moment hastig abgebrochen, als die Rede auf die Ungereimtheiten rund um den Positivtest kam.
Während sich in Djokovics Heimat die Boulevardblätter in Jubelgesängen überschlugen – der „Blic“ etwa notierte: „Novak gewinnt, der Staat kniete nieder“ –, wirkten die Perspektiven für die anstehenden Australian Open eher düster. Schon in der Vergangenheit hatte es immer mal wieder Ärger mit den erhitzten Fanbataillonen Djokovics gegeben, nun drohen in aufgeladener Atmosphäre Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und einheimischen Fans, die Auftritten des Impfverweigerers eher ablehnend gegenüberstehen. Aus Kreisen von Tennis Australia war zu hören, dass die Sicherheitsmaßnahmen deutlich verstärkt werden müssten, um auch eventuellen Störaktionen rasch begegnen zu können. Zahlreiche Australier hatten bereits in sozialen Medien avisiert, sie würden im Falle eines Mitwirkens von Djokovic ihre bereits gekauften Tickets zurückgeben.
Djokovic: Werde das Turnier bestreiten
Das Schlussbild des Tages lieferte Djokovic dann noch selbst. Er posierte spätabends auf einem Foto in seinem Tennisparadies, in der Rod-Laver-Arena, der Stätte von neun Grand-Slam-Siegen bisher. Eilends hatte er sich am Montag nach den gerichtlichen Auseinandersetzungen dorthin begeben, die Australian-Open-Akkreditierung abgeholt und sein Team zum Training getroffen. „Ich bin froh und dankbar, dass der Richter die Visastreichung aufgehoben hat“, schrieb Djokovic, „ich werde hier in Australien bleiben und das Turnier bestreiten.“ Es war alles in allem eine unverhüllte Ansage, eine demonstrative Pose, ganz nach dem Motto: Ich bin gekommen, um zu bleiben. (all)