Melbourne. Im Streit um die Einreise von Novak Djokovic nach Australien rückt auch die Familie in den Mittelpunkt. Der Vater poltert lautstark.

Die ungezügelte Streitlust von Srdjan Djokovic hatte die Tenniswelt schon einige Jahre zu spüren bekommen. Roger Federer sei ein „scheinheiliger Gentleman“, „arrogant“, erfüllt von „falscher Freundlichkeit“ und solle doch mit 40 Jahren langsam den Schläger an den Nagel hängen, gab der heißblütige Papa einst bei seinen Tiraden gegen Djokovics diverse Rivalen zu Protokoll. Rafael Nadal lasse auch den „nötigen Respekt“ vor den Taten seines Sohnes Novak vermissen, und überhaupt fehle es „im Westen“ an jeglicher Anerkennung für die „einmalige Karriere“ des „besten Tennisspielers, den es je gegeben hat.“ Niemand könne ermessen, was „Novak geschafft hat, welchen harten Weg er gegangen ist“, sagte Daddy Djokovic im Frühjahr letzten Jahres, „Liebe schlägt ihm nur in China und Russland entgegen. Dort sitzen seine größten Fans.“

Gegenwärtig sitzt Vater Djokovic in Belgrad und orchestriert den Protestchor gegen das Einreiseverbot des Weltranglistenersten nach Australien. Via Mobiltelefon ist er mit seinem Sohn verbunden, der weiter in einem Quarantänehotel in Melbourne auf eine Gerichtsentscheidung wartet – erst am Montag soll geklärt werden, ob der neunmalige Australian-Open-Gewinner doch noch am Grand-Slam-Spektakel teilnehmen darf. Oder ob er sich dann, nach einem negativen Verdikt, in den nächsten Flieger Richtung Europa setzen muss. Sein Sohn befinde sich in „australischer Gefangenschaft“, sei aber noch nie freier gewesen, befand Djokovic senior, er sei zum „Symbol und Führer der freien Welt geworden“, der „Spartakus der neuen Welt, die keine Ungerechtigkeit, keinen Kolonialismus und keine Heuchelei duldet“. Im Restaurant „Novak“ in Belgrad, das die Familie führt, ging der 61-jährige bei einer Pressekonferenz sogar noch einen Schritt weiter und verglich die Behandlung seines Sohnes mit der Kreuzigung Jesu: „Sie versuchen ihm auch alles Mögliche anzutun.“

Der Karriere von Novak Djokovic wurde alles untergeordnet

Djokovics Familie ordnete früh ihr gesamtes Leben der Karriere ihres ältesten und begabtesten Sohnes unter. Die Djokovics betrieben über ihr 2005 gegründetes Unternehmen „Family Sport“ Restaurants und einen Cateringbetrieb, aber um die Laufbahn von Novak zu finanzieren, mussten sie sich hoch verschulden. Mutter Dijana sprach einmal in einem Interview davon, wie Zinshaie die Familie über den Tisch gezogen hätten und immer neue Wucherkonditionen akzeptiert worden seien – „nur um das Vorankommen unseres Sohnes nicht zu gefährden“. Auch ihre beiden anderen Söhne Marko und Djordje hätten unter der „schrecklichen Situation“ gelitten. Coach Niki Pilic, ehemals deutscher Davis-Cup-Kapitän, kam der Familie finanziell entgegen, als Novak Djokovic in jungen Jahren in Pilics Münchner Akademie trainierte und entscheidende Fortschritte machte.

In Belgrad sprach Srdjan Djokovic auf einem Protest anlässlich der verweigerten Einreise seines Sohnes in Australien.
In Belgrad sprach Srdjan Djokovic auf einem Protest anlässlich der verweigerten Einreise seines Sohnes in Australien. © getty

Djokovics Familie leitet inzwischen die Geschäfte der Nummer eins in Serbien, dazu gehört auch das „Cafe Novak“ in Belgrad. Die Djokovics organisierten einige Zeit auch Tennisturniere in Serbien, 2020 veranstaltete man auch die umstrittene Adria-Tour, bei der sich diverse eingeladene Profis mit dem Corona-Virus infizierten. Vater Srdjan machte indes für das damalige Desaster den bulgarischen Profi Grigor Dimitrow verantwortlich, der das Virus eingeschleppt habe. Die Djokovics verfügen über beträchtlichen Einfluss in ihrer serbischen Heimat, Sohn Novak gilt ja auch den höchsten politischen Würdenträgern längst als gottgleicher Nationalheld. Als „Auserwählter“, so Mutter Dijana, „der Serbien seinen Stolz zurückgebracht hat.“

Vater von Djokovic gibt sich stets sehr meinungsstark

Brauchen Journalisten in Serbien eine knackige Schlagzeile zu einem kontroversen Thema rund um den besten Tennisspieler der Welt, reicht in aller Regel ein Anruf bei Papa Djokovic. In der größten Krise, die seinen Sohn umgibt, ist der ehemals exzellente Skifahrer und gute Fußballer nun zur beängstigenden Zorngestalt aufgestiegen – stets seiner Erzählung folgend, wonach der Westen hinter seinem Sohn, der Familie und ganz Serbien her sei. So gehe es beim Kampf um die Einreise nach Australien auch nebenbei um „ganz andere Rechte – Rede- und Meinungsfreiheit für unser Land“. Sein Sohn werde kämpfen, da sei er sicher, „so wie wir Serben zusammen mit dem ganzen Balkan“. Hilfe werde dabei auch von ganz oben kommen, versprach zudem Sohn Djordje nach einem Gespräch mit dem in Melbourne internierten Bruder: „Er hat mir gesagt, dass er geistlichen Segen hat. Gott sieht alles.“

Was die von der Familie behauptete Gefangenschaft des „Capitano“ anging, erklärte Australiens Innenministerin Karen Andrews derweil lapidar: „Herr Djokovic wird nicht in Australien gefangen gehalten. Er kann jederzeit gehen, und der Grenzschutz wäre behilflich dabei.“ Das ganze Drama sei ohnehin komplett unnötig, befand Djokovics ehemaliger Trainer Boris Becker: „Novak macht einen großen Fehler damit, sich nicht impfen zu lassen.“ Der Fehler bedrohe nun auch den Rest seiner Karriere, so Becker.