Manchester. Am Wochenende fielen in der Premier League sechs Partien aus. Dennoch halten die Klubs an ihrem Spielplan rund um Weihnachten fest.
Das letzte Spiel der Premier League vor Weihnachten bot etwas, das Englands Elite-Liga gut gebrauchen kann im Moment, nämlich spektakulären Fußball, sportliches Drama, beste Unterhaltung in jeder Hinsicht. In einer wilden Partie trennten sich Tottenham Hotspur und der FC Liverpool am Sonntagabend 2:2. Neben den Toren hatte die Veranstaltung eine Vielzahl ausgelassener Chancen auf beiden Seiten und mehrere fragwürdige Entscheidungen von Schiedsrichter Paul Tierney im Programm. Liverpool-Trainer Jürgen Klopp beklagte, dass der Referee seiner Mannschaft einen klaren Elfmeter vorenthalten hätte, außerdem hatte Klopp kein Verständnis dafür, dass Tottenhams englischer Nationalmannschaftskapitän Harry Kane nach einer rücksichtslosen Grätsche gegen Andrew Robertson mit einer Gelben Karte davon gekommen war. Der Platzverweis gegen Robertson selbst in der Schlussphase war allerdings unstrittig.
Moderatoren versuchen sich in Galgenhumor
Wegen Spielen wie diesem gilt die Premier League als beliebteste Fußball-Liga der Welt, doch im Moment wird eher weniger über das Geschehen auf dem Rasen debattiert. Das liegt daran, dass Englands Fußball von einer Welle von Spielabsagen aufgrund von Corona-Fällen in den Vereinen geplagt wird. Am Wochenende fielen sechs der vorgesehenen zehn Spiele aus. Die beliebte BBC-Sendung „Match of the Day”, die englische Version der Sportschau, konnte am Samstag nur eine einzige Partie besprechen. Moderator Gary Lineker kündigte dennoch wie gewohnt vorab bei Twitter die Reihenfolge der Spiel-Zusammenfassungen an: „Wir starten mit Leeds United gegen Arsenal – und enden mit Leeds United gegen Arsenal.”
Galgenhumor kann nicht schaden in den Tagen vor Weihnachten, in denen in allen englischen Profiligen das Programm zerbröselt. Insgesamt mussten am Wochenende in den ersten vier Spielklassen 25 Partien abgesagt werden – und es hätten noch mehr sein können. Die Premier League lehnte den Antrag des FC Chelsea auf eine Verlegung des Spiels gegen die Wolverhampton Wanderers (0:0) nach einem Corona-Ausbruch in der Mannschaft ab, sehr zum Ärger von Trainer Thomas Tuchel. „Wir sprechen darüber, die Spieler zu schützen und eine sichere Umgebung zu schaffen, aber sie ist nicht sicher”, klagte er. Beim Champions-League-Sieger ist unter anderem Timo Werner aktuell mit dem Coronavirus infiziert. Insgesamt ist die Zahl der erkrankten Spieler in der Premier League so hoch wie noch nie in der Pandemie.
Rekorde bei den Infektionen in England
Das passt grundsätzlich zur Corona-Lage in England. Seit Tagen werden Rekorde bei den Infektionen vermeldet. Am Sonntag gab es fast 83.000 neue Fälle. Grund dafür ist neben dem praktisch unbeschränkten öffentlichen Leben die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante. Die Premier League ist anfälliger als andere Ligen für Corona-Ausbrüche, weil die Impfquote niedriger ist. Während in der Bundesliga, der spanischen La Liga und der Serie A in Italien angeblich jeweils mehr als 90 Prozent der Profis doppelt geimpft sind, vermeldete die Premier League im Oktober, dass nur 68 Prozent der Spieler bisher die zweifache Impfdosis erhalten hätten.
Krisensitzung am Montag
Noch betrüblicher ist die Lage in den Ligen zwei bis vier. Dort waren zuletzt nur 59 Prozent der Spieler doppelt geimpft, während ein Viertel der Profis angab, eine Impfung auch künftig nicht in Betracht zu ziehen. Um die Quote zu verbessern, appellieren die Premier League und die Regierung an die Spieler, sich impfen zu lassen. Unter anderem Liverpool-Trainer Klopp stellte in Aussicht, künftig keine umgeimpften Profis mehr zu verpflichten: „Wenn ein Spieler überhaupt nicht geimpft ist, ist er für uns alle eine Bedrohung. Er will das nicht sein, aber er ist es.”
Verschiedene Klubs drängten darauf, den Spielbetrieb in der Premier League umgehend zu unterbrechen, um weiteres Chaos zu verhindern, doch sie konnten sich in einer Krisensitzung am Montag nicht durchsetzen. Die Partien am zweiten Weihnachtstag – dem „Boxing Day” –, vor Silvester und an Neujahr sollen stattfinden wie geplant.
Neben der Tatsache, dass das in England traditionelle Feiertagsprogramm für die Premier League und die übertragenden Sender besonders lukrativ ist, dürfte das auch daran liegen, dass im vollen Kalender der Top-Teams kein Platz für weitere Nachholspiele ist. Die Show muss weitergehen – so gut es geht. Oder, wie die „New York Times” schon am Wochenende schrieb: „Die Premier League besteht darauf, sich wie ein Bulldozer den Weg zu bahnen.” Dennoch dürften weitere Spielabsagen in den kommenden Tagen und Wochen nicht zu vermeiden sein.