Barcelona. Der FC Barcelona muss am Mittwoch gegen Bayern München dringend gewinnen, um ins Achtelfinale der Champions League einzuziehen.

Xavi Hernández kennt seinen Verein und die Medien. Nach der ersten Niederlage als Trainer des FC Barcelona griff er deren Lieblingswort der letzten Wochen lieber gleich von selbst auf: „Mit der Blume ist’s vorbei, alles ist vorbei“, sagte er ironisch. Die „Blume“ bedeutet im Fußball-Spanisch so viel wie Fortüne, und Xavi hatte nach seiner Amtsübernahme vor einem Monat davon zunächst reichlich gehabt. Doch am Samstag gab es zuhause ein 0:1 gegen Betis Sevilla.

Vor dem Champions-League-Spiel beim FC Bayern München ist von der Aufbruchsstimmung, die seine Rückkehr ausgelöst hatte, daher bereits viel verflogen. Zu sehr erinnern die Probleme an die unter seinem Vorgänger Ronald Koeman, zu wacklig sind die Spiele, zu misslich ist die Lage. In der spanischen Liga rangiert Barça auf Platz sieben 16 Punkte hinter Spitzenreiter Real Madrid und sechs Punkte hinter den Champions-League-Rängen. Auf europäischer Ebene braucht es heute (21 Uhr/DAZN) einen Sieg in München, um ins Achtelfinale einzuziehen – so Benfica Lissabon parallel gegen das noch punktlose Dynamo Kiew gewinnt. Bayern steht bereits als Gruppensieger fest.

Dennoch rechnet in Barcelona niemand mit einem Schongang der Münchener, denn die erweisen sich ja traditionell als unersättlich. 2013 fertigten sie Barça im Halbfinal-Hinspiel mit 4:0 ab und legten im Rückspiel trotzdem noch ein 3:0 drauf. 2020 machten sie im Viertelfinale nicht Schluss, ehe es 8:2 stand – die größte Schmach in Barças Europapokalgeschichte. Nun gewannen die Bayern das Hinspiel in Katalonien souverän 3:0 und erweckten dabei durchaus den Eindruck, noch Reserven zu haben. Für heute Abend? Thomas Müller hat schon angekündigt, ein Ausrufezeichen für den deutschen Fußball, die Bundesliga und Robert Lewandowski setzen zu wollen. Alle wähnte er bei der Verleihung des Ballon d’Or vorige Woche zu Unrecht übergangen. „Gehen wir es an!“ verlangte er im Hinblick auf das heutige Match.

Xavi ist der neue Hoffnungsträger

Für Barça kann das nur wie eine Drohung klingen. „Wir werden wie Tiere kämpfen müssen“, sagt Xavi. Der Regisseur des großen Barça von Trainer Pep Guardiola und der spanischen Weltmeister 2010 predigt zwar seine Prinzipien von Pressing und Ballbesitz. Die Mannschaft versucht auch, sie umzusetzen. Doch in den Strafräumen, wo Spiele entschieden werden, hat sie sich gegenüber der Koeman-Zeit allenfalls hinten leicht verbessert. Vorn bleibt sie überfordert und ideenlos. In 20 Saisonspielen hat sie erst 25 Tore erzielt; halb so viele wie im Schnitt der vergangenen Messi-Dekade.

Das örtliche Renommierblatt „La Vanguardia“ diagnostiziert ein „Wollen und nicht Können“. Es ist, als ob sich mit dem Verwelken von Xavis Blume auch der letzte eingestehen würde, wie tief die Krisensymptome liegen und wie sehr sie ineinander verwoben sind.

Der Kader bräuchte eine Generalüberholung – aber Geld ist bei 1,5 Milliarden Euro Schulden das letzte, was es gibt. Das Verpassen des Champions-League-Achtelfinals würde den Manövrierraum für Neuverpflichtungen noch weiter einengen. Für eine bessere Zukunft stehen so allein die vielen jungen Talente. Spieler wie der 19-jährige Pedri, der vorige Woche den Ballon d’Or für den besten Nachwuchsprofi erhielt. Oder der gleichaltrige Ansu Fati, die große Sturmhoffnung. Oder Gavi, Mittelfeldmann wie Pedri, gar erst 17 – und schon spanischer Nationalspieler.

Gegen Bayern muss Ex-BVB-Star Ousmane Dembélé helfen

Ihre Frühreife und das Vakuum an anderen Figuren birgt jedoch die Gefahr, sie mit Spielzeit und Verantwortung zu überlasten. Pedri fällt nach seinem Mammutprogramm der Vorsaison (75 Partien inklusive WM und Olympia) seit Monaten mit Muskelproblemen aus. Araújo ist erst seit kurzem wieder zurück, Ansu nach fast einem Jahr Aussetzen wegen einer Knieverletzung schon beim zweiten Rückfall, auch er fehlt heute. Wer bleibt? Angesichts der Formschwäche von Memphis Depay fällt den wenigen Optimisten nur ein möglicher Retter für München ein: Ousmane Dembélé.

Der Franzose hat zwar diese Saison wegen einer Knieverletzung selbst noch kein einziges Mal von Beginn an gespielt, zeigte gegen Betis nach seiner Einwechslung aber starke Szenen. „Mit ihm verändert sich das Gesicht unserer Mannschaft“, sagt Xavi über seinen aktuell einzigen Angreifer mit Tempo, Kreativität und Überraschungsmomenten. Seit seinem polemischen und teuren Wechsel aus Dortmund 2017 hat Dembélé viele Hoffnungen enttäuscht. Nach dieser Saison könnte er den Verein ablösefrei verlassen. Heute soll er ihm einen umso größeren Dienst erweisen.