München. Corona-Themen überlagern die Vorbereitung des FC Bayern auf das Spiel in Kiew. Zerbricht die Mannschaft an der Impf-Debatte?

Als Julian Nagelsmann am Montag über seine Reisegruppe für die Dienstreise zu Dynamo Kiew sprach, lag die Assoziation mit den Problemen eines Pädagogen bei einer Klassenfahrt nicht fern. Das Durchzählen des Fußballlehrers war jedenfalls schnell beendet, was er aber positiv umzudeuten versuchte. „Wenn man eine Erzieherin fragen würde, ist ein Betreuungsschlüssel von eins zu 15 besser als eins zu 22“, scherzte Nagelsmann über seine arg dezimierte Belegschaft. Außerdem: „Es ist nicht so, dass wir mit einer Thekentruppe anreisen.“ Allerdings können gleich acht Profis des FC Bayern nicht mitkommen zum vorletzten Gruppenspiel in der Champions League an diesem Dienstag. Wohlgemerkt teils selbstverschuldet, weshalb die Münchner die auch internen Dauerdebatten um den Impfverzicht von fünf ihrer Spieler und die Reaktion der Vereinsführung, ihnen für die Fehlzeiten das Gehalt zu streichen, als störendes Begleitthema mitnehmen in die Hauptstadt der Ukraine.

Die ungeimpften Joshua Kimmich, Serge Gnabry, Jamal Musiala, Eric Maxim Choupo-Moting und Michaël Cuisance befinden sich in Quarantäne, weil sie Kontakt zu einem Corona-Infizierten hatten. Manche von ihnen, heißt es, sollen zunehmend erwägen, sich doch noch impfen zu lassen. Zugleich sollen einige von ihnen sehr verstimmt sein, dass sie in der öffentlichen Debatte vom Verein wenig Schutz erfahren. Niklas Süle und Josip Stanisic fehlen ebenfalls noch, nachdem sie sich zuletzt trotz ihrer vollständigen Impfung infiziert hatten. Zudem fällt Dayot Upamecano wegen einer Gelbsperre aus, weshalb Nagelsmann in der Innenverteidigung improvisieren muss und womöglich Tanguy Nianzou, 19, aufbieten wird. Außerdem droht Marcel Sabitzer laut Nagelsmann wegen Beschwerden an der Achillessehne und Wade auszufallen. Der zuletzt angeschlagene Kingsley Coman ist einsatzfähig, der Trainer erwägt aber, ihn vorsichtshalber noch zu schonen.

Bayern-Trainer Nagelsmann glaubt nicht, dass sein Team am Corona-Thema "zerbricht"

Doch es sind vor allem die Debatten um die ungeimpften Spieler und die damit verbundenen Störgeräusche, die den FC Bayern beschäftigen. „Ich glaube nicht, dass die Mannschaft daran zerbricht“, sagte Nagelsmann, bekannte aber zugleich: „Grundsätzlich habe ich mehr Spaß, wenn es ruhig ist.“ Es ließ aufhorchen, als er eine traditionelle Münchener Geschwätzigkeit beklagte. „Diese Störgeräusche gehören ein Stück weit zum FC Bayern dazu“, sagte er, aber: „Natürlich finde ich es nicht glücklich, dass gewisse Interna, die auch intern bleiben sollten, ausgeplaudert werden, von wem auch immer. Das ist nicht immer förderlich.“ Es gebe „zu viele Dinge, die nach außen getragen werden“, befand Nagelsmann und meinte damit vor allem den an die Bild-Zeitung durchgestochenen Impfverzicht von Kimmich, wodurch die Dauerdebatte entbrannte. Die Frage sei, ob man das toleriere oder „versucht, dem ein bisschen Herr zu werden“. Sein Appell: „Es wäre schön, wenn es ein bisschen verschlossener wäre.“ Am Ende sei die Redseligkeit mancher Beteiligter „Teil des Business, aber es ist sicherlich nicht der gesündeste Teil des Business“, sagte Nagelsmann. Es war eine durchaus deutliche Botschaft nach innen.

FC Bayern kann Gruppensieg in Kiew perfekt machen

Immerhin sind die Bayern bereits fürs Achtelfinale qualifiziert. Trotz der sportlich komfortablen Lage ist es für die Münchner inmitten des Corona-Dauerthemas gewissermaßen eine Reise vom Regen in die Traufe beziehungsweise vom Augsburger Nebel in Kiews frühwinterliche Kälte, was auch nicht wirklich angenehm ist und die verbliebene Belegschaft kaum begeistern dürfte. Immerhin bietet sich in Kiews Olympiastadion bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und womöglich leichtem Schneefall die Gelegenheit, nach der 1:2-Niederlage beim FC Augsburg zumindest sportlich wieder für positive Schlagzeilen zu sorgen. Den vorzeitigen Gruppensieg können die Münchner perfekt machen. Mit einem Sieg oder schon Unentschieden würden sie das aus eigener Kraft schaffen. Sogar bei einer Niederlage könnte ihnen auch theoretisch niemand mehr den ersten Platz streitig machen, wenn der FC Barcelona gegen Benfica Lissabon nicht gewinnen sollte.

Trainer Julian Nagelsmann vom FC Bayern.
Trainer Julian Nagelsmann vom FC Bayern. © dpa

Es ist mit der Kleingruppe in Kiew gewissermaßen eine kurze Kur, die den Mitreisenden eine kleine Flucht vor den ebenfalls anhaltenden Debatten um die Geschäftsbeziehungen mit Katar vor der Jahreshauptversammlung am Donnerstag ermöglicht. Sportlich geht es für die Bayern unabhängig von der Personalsituation bei Dynamo auch darum, an den eigenen Defiziten bei der Stabilität zu arbeiten. „Das Verteidigen als geschlossene Mannschaft“ gab Nagelsmann in Auftrag. Doch mit der Geschlossenheit ist das gerade so eine Sache. Das wurde auch deutlich, als Leroy Sané über jene Kollegen sprach, die ungeimpft fehlen. Der deutsche Nationalspieler sagte: „Man muss schauen, was in Zukunft passiert, wenn die größeren und wichtigen Spiele auf einen zukommen.“