Essen/Houston. An diesem Dienstag startet die Tischtennis-WM in Houston. Die Deutschen hoffen auf Medaillen, der Sport auf Aufmerksamkeit in den USA.

Jörg Roßkopf lässt die Welt an seinem Eifer teilhaben. Am Tag nach seiner Landung in Houston/Texas schickt der Tischtennis-Bundestrainer ein Foto aus dem Fitnessstudio über die Sozialen Medien. Um 6.16 Uhr Ortszeit. Auf dem Foto ist auch ein kleiner Bildschirm zu sehen. Es läuft American Football. Was auch sonst – wenn nicht Basketball oder Baseball? Und damit ist der Auftrag von Jörg Roßkopf und seinem Team schon gut auf den Punkt gebracht. Die Mission USA hat begonnen.

Denn für das deutsche Team um Rekordeuropameister Timo Boll lautet der Auftrag bei der ersten Tischtennis-Weltmeisterschaft in den USA, die bis zum 29. November dauert, nicht nur, möglichst viele Medaillen im Einzel, Doppel und Mixed nach Hause zu bringen. Es geht auch darum, Tischtennis in den USA zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.

Im Land der einstmals unbegrenzten Möglichkeiten klingt das wie eine Mission Impossible, ein aussichtsloses Unterfangen. Zu erdrückend ist die Konkurrenz mit den durchkommerzialisierten Glamour-Sportarten Basketball, Baseball und natürlich American Football. Schon der Fußball hat es in den USA schwer. Wie will eine brave, wenig Glamour versprühende Sportart wie Tischtennis dazwischenfunken?

Ex-NBA-Star Dirk Nowitzki will Tischtennis-WM besuchen

Jörg Roßkopf setzt auf die Amerikaner selbst. „Sie sind extrem begeisterungsfähig, sie gehen bei jedem Ballwechsel mit. Sie lieben die Tragödie, den Helden und den dramatischen Verlierer. Tischtennis bietet genau das.“ Der Doppelweltmeister von 1989 spricht aus Erfahrung. Jährlich nimmt der 52-Jährige an einem Einladungsturnier seines Sponsors in den Staaten teil. 2019 wurde er in der Glücksspielmetropole Las Vegas bei der Senioren-WM Weltmeister in der Klasse Ü45.  „Natürlich sind sie auch heiß darauf, die großen Stars zu sehen.“

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Timo Boll ist so einer – und er hofft auf noch prominentere Unterstützung. Seit Olympia in Peking 2008 ist er gut mit Dirk Nowitzki befreundet, der in den USA ebenso für seine Basketballkunst verehrt wird wie in seiner Heimat Deutschland. Der Würzburger (43) lebt auch nach seinem langjährigen Engagement beim NBA-Klub Dallas Mavericks unweit von Houston. „Er hat gesagt, dass er kommen möchte“, verriet Boll.

Auch der 40-jährige Profi von Borussia Düsseldorf kennt das amerikanische Publikum von Einladungsturnieren bereits. „Die Zuschauer sind total enthusiastisch und brüllen auch während der Ballwechsel ins Spiel. Sie sind sehr locker“, erzählt er.

In den USA sind die Tischtennis-Stars weitgehend unbekannt

Dennoch: In den USA ist Tischtennis eher als Freizeitvergnügen bekannt. Es gibt Bars und Cafés, die ihr Publikum mit Getränk und Pingpong locken. In entspanntem Ambiente wird gegessen, getrunken, gequatscht – und zwischendurch eine Partie Rundlauf gespielt. Doch vom Leistungssport, von den Stars der Szene – davon wissen sie in den USA wenig.

„Es wird darauf ankommen, die Leute mitzunehmen“, sagt Roßkopf. Anders als in Asien, wo viele Menschen Tischtennis nicht nur lieben, sondern auch selbst spielen, müsse dem US-Publikum zwischendurch erklärt werden, was vor sich geht. „Ich bin mir sicher, dass sie hier viel auf die Beine stellen werden“, sagt Roßkopf. „Die Amerikaner lieben die Show und das Spektakel, das können sie einfach – das wird auch für uns eine tolle Erfahrung.“

Die Deutschen Timo Boll (vorne) und Patrick Franziska jubeln über einen Sieg bei Olympia - und wollen das auch bei der WM in Houston.
Die Deutschen Timo Boll (vorne) und Patrick Franziska jubeln über einen Sieg bei Olympia - und wollen das auch bei der WM in Houston. © dpa | Unbekannt

Noch besser würde diese, wenn auch die Erfolge wieder stimmen. Das Jahr lief für das deutsche Team bisher gigantisch. Nach Olympia-Silber der Männer-Mannschaft und Bronze für Dimitrij Ovtcharov – der wegen einer Sprunggelenks-Operation nicht in Houston dabei ist – wurden sowohl die Männer als auch die Frauen Team-Europameister. Patrick Franziska (29) und Nina Mittelham (24) gewannen jeweils das Europe-Top-16-Turnier. Houston, wir haben kein Problem.

Tischtennis-WM: Ma Long und Xu Xin sind nicht dabei

Zumal sowohl Ma Long, der chinesische Dominator der vergangenen Jahre, als auch dessen Weltklasse-Landsmann Xu Xin nicht dabei sind. „Natürlich sehen auch unsere Spieler, dass da das eine oder andere Plätzchen auf dem Treppchen frei wird“, sagt Jörg Roßkopf, wohlwissend, wie wichtig eine gute Auslosung ist. „Von Podium bis Erstrunden-Aus ist alles drin“, sagt er. 

Abliefern müssen seine Spieler und die Frauen um Einzel-Europameisterin Petrissa Solja (27) im George R. Brown Convention Center. Hier wird wieder deutlich wie weit es noch bis zu der Strahlkraft des US-Übersports American Football ist. Als 2017 in Houston das Mega-Event Super Bowl stattfand war auch das Kongresszentrum eingebunden. Als Pressezentrum.