Mönchengladbach. Adi Hütter ist seit rund vier Monaten Gladbach-Trainer. Im Interview spricht er über seine Ziele und das Pokalspiel gegen die Bayern.
Adi Hütter hat zum Interview vor einem großen Foto mit besonderer Historie Platz genommen. Das Bild an der Wand zeigt Gladbach-Legende Günter Netzer und Inter Mailands Sandro Mazzola im Oktober 1971 – bei der Begrüßung vor dem denkwürdigen Büchsenwurfspiel auf dem Bökelberg. Damals war Hennes Weisweiler noch Trainer der Fohlen, 50 Jahre später steht Hütter in der Verantwortung. Seit knapp vier Monaten trainiert der Österreicher die Borussen. Vor dem Pokal-Hit gegen den FC Bayern München an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/ARD und Sky) hat der 51-Jährige einiges zu erzählen.
Herr Hütter, wie gefällt es Ihnen als gebürtiger Vorarlberger am Niederrhein?
Adi Hütter: Es ist etwas ganz anderes. Vergleichbar ist der Niederrhein mit dem Burgenland in Österreich, das auch sehr flach ist. Zuhause bin ich in Salzburg, wo auch meine Familie wohnt. Wir leben dort im sehr hügeligen Flachgau, diese Hügel wären hier wahrscheinlich Berge. Mir gefällt es hier dennoch genauso gut. Radfahren ist am Niederrhein allerdings einfacher. (lacht)
Wie fühlen Sie sich bisher bei Borussia Mönchengladbach?
Hütter: Sehr gut. Es ist ein spezieller Verein, ein Klub mit großer Geschichte. Hierhin als Trainer zu kommen, ist nicht so einfach. Man muss schon etwas vorweisen können. Sonst kann man hier nicht trainieren.
Was reizt Sie speziell an dieser Aufgabe?
Hütter: Ich trainiere gerne Traditionsvereine. Borussia Mönchengladbach ist ein Klub, der vor allem in den vergangenen zehn Jahren eine sehr gute Entwicklung genommen hat, viele internationale Beteiligungen hatte. In diesem Verein und dieser Mannschaft steckt viel Potenzial.
Sie haben in Gladbach einen Vertrag bis 2024 unterzeichnet. Was wollen Sie in diesen drei Jahren erreichen?
Hütter: Ich möchte diese mit jungen und erfahrenen Spielern gespickte Mannschaft weiterentwickeln. In diesen drei Jahren will ich sie wieder auf internationales Terrain bringen. Wir dürfen hier auch von einem Titel träumen. Der letzte liegt schließlich schon 26 Jahre zurück: der DFB-Pokalsieg 1995. Man muss an etwas glauben, damit es auch passieren kann. Ich habe Visionen und Ziele mit dieser Mannschaft, will das Bestmögliche aus ihr herausholen. Auch eine Champions-League-Qualifikation ist für Borussia etwas Besonderes.
Welche Bundesliga-Klubs sehen Sie gesetzt für die Champions League?
Hütter: Über Bayern München und Borussia Dortmund brauchen wir nicht diskutieren. Auch nicht über die Möglichkeiten, die RB Leipzig hat. Da können wir nicht mithalten. Auch Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg wären mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten über uns zu stellen. Dennoch sind nicht alle Klubs, die viel Geld haben, automatisch qualifiziert. Wenn jemand patzen sollte, müssen wir zur Stelle sein. Es wird immer wieder eine Mannschaft geben, die überraschen kann.
Sie haben zuletzt auch mit Eintracht Frankfurt international überrascht und dort erfolgreich gearbeitet. Auf welche Dinge legen Sie bei Ihrer Arbeit als Trainer besonderen Wert?
Hütter: Ich habe ein Bild im Kopf, wie meine Mannschaft spielen soll. Das will ich ihr vermitteln. Video-Analysen sind dabei sehr wichtig. Es geht für mich aber auch darum, zwischenmenschlich einen Draht aufzubauen. Man muss als Trainer eine soziale Kompetenz besitzen, eine Beziehung zu den Jungs aufbauen. Es ist wichtig, dass man den Menschen hinter dem Spieler kennt. Dann weiß man auch, wie man jemanden anpacken muss, damit er auf das bestmögliche Niveau kommt. Es geht viel um Kommunikation, Disziplin und respektvollen Umgang. Ich verlange aber auch eine Top-Einstellung im Training und im Spiel. Man kann verlieren, die Frage ist aber, wie man verliert.
Wie führt man eine Mannschaft, die ja meistens ein Gefüge aus unterschiedlichsten Charakteren ist, für ein gemeinsames Ziel zusammen?
Hütter: Es ist eine Gruppe von Menschen, in der eigentlich jeder auch individuell seine Bedürfnisse und Ziele hat. Es geht am Ende darum, dass wir eine Mannschaft sind und nur als solche auch gewinnen können. Aus dieser geschlossenen Mannschaft kann immer mal wieder der eine oder andere herausragen, das braucht man auch. Ich mag es aber nicht, wenn unterschiedlich gedacht wird oder ein Einzelner nicht alles gibt für die Mannschaft. Dann wird es schwierig. Es ist meine Aufgabe, dass wir alle an einem Strang ziehen. Es gibt immer wieder Situationen, in denen der eine zufriedener ist als der andere, weil er spielt und der andere nicht. Für die Spieler ist es wichtig, dass man ihnen gegenüber fair und ehrlich ist.
Im defensiven Mittelfeld spielen nun Denis Zakaria und Manu Koné. Florian Neuhaus und Christoph Kramer, der nun verletzt ist, saßen dafür zuletzt auf der Bank. Sind Sie in solchen Fällen als Moderator gefragt?
Hütter: Ich habe es gerne, wenn ein gewisser Konkurrenzkampf herrscht. Härtefälle wird es immer geben. Es hat sich aus den Leistungen so ergeben, dass es jetzt ist, wie es ist. Von den dreien im Mittelfeld − Denis Zakaria, Manu Koné und Jonas Hofmann − wüsste ich aktuell nicht, wen ich rausnehmen sollte.
Die beiden 18-jährigen Joe Scally und Luca Netz haben unter Ihnen eine große Chance bekommen.
Was natürlich auch an den Verletzungen von Ramy Bensebaini und Stefan Lainer lag. Joe Scally macht das richtig gut. Ihn kann man aktuell nicht weglassen. Beim 1:1 zum Saisonauftakt gegen Bayern München hat er gegen keinen Geringeren als Leroy Sané gespielt und ihn fast komplett eliminiert. Joe ist schnell, zweikampfstark, ein guter Fußballer, der jeden Tag dazulernen will. Und auch Luca verfügt für sein Alter schon über sehr viel Qualität. Nicht umsonst haben wir uns im Sommer sehr darum bemüht ihn zu verpflichten.
Von welchen Trainern haben Sie am meisten gelernt?
Hütter: Als Spieler hatte ich Otto Baric. Er war Trainer in Salzburg, als wir 1994 bis ins Uefa-Cup-Finale vorgestoßen sind. Er war ein unglaublicher Motivator, konnte ein Spiel gut lesen. Das hat mir imponiert. Auch Heribert Weber hat mich geprägt, der ja erst mein Mitspieler und dann mein Trainer war. Er war ein ebenso harter Profi wie Trainer, immer sehr zielorientiert und hat mir richtig viel mitgegeben. Hans Krankl war mit seiner Art und Weise ebenfalls eine Persönlichkeit. Man kann von jedem etwas mitnehmen. Das Wichtigste ist, dass man authentisch bleibt. Man muss seinen Weg finden. Kopieren ergibt keinen Sinn.
Können Sie im Trainerjob auch mal abschalten?
Hütter: Das ist schwer, eigentlich fast unmöglich. Wenn man hier mal nicht im Areal ist, ist man in Gedanken: Was kann man verbessern? Man hat ständig vor Augen, was die eigene Mannschaft betrifft. Ich habe Energie, bin voller Leidenschaft. Wenn ich die nicht hätte, würde ich wissen, dass ich etwas nicht gut mache. Am ehesten schalte ich aber gerne mal ab, indem ich einfach nur Musik höre.
Welche Musik?
Hütter: Ich bin 80er-Jahre-Fan, auch aufgrund meines Alters. Ich höre Austria Pop, aber auch die Neue Deutsche Welle gefällt mir. Die modernen Lieder höre ich durch unsere Jungs jeden Tag in der Kabine. (lacht)
Haben Sie einen Wunschspieler im Kopf, den Sie gerne im Kader hätten?
Hütter: Ja, habe ich. Was mir hier gut gefällt, ist unser Scouting, das sehr professionell arbeitet. Wenn irgendwo eine Lücke aufgeht, muss man sie so schnell wie möglich schließen. Wenn etwas passiert, sind wir dafür gut aufgestellt. Ohne jetzt etwas Genaues zu sagen, weiß ich schon, wo wir noch den Hebel ansetzen können.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Sportdirektor Max Eberl?
Hütter: Nicht nur der Verein, sondern auch die handelnden Personen sind für mich entscheidend. Max Eberl, aber auch Scouting-Leiter Steffen Korell haben mich absolut überzeugt. Wir tauschen uns ständig aus. Max ist ein ganz wichtiger Partner für mich. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.
Am Mittwoch kommt es nun zum Pokalduell mit Max Eberls früherem Klub aus München. Kann der gute Auftritt gegen die Bayern im Eröffnungsspiel als Vorlage dienen?
Hütter: Jein. Ich denke, die Spiele sind schwer zu vergleichen. Die Bayern waren im August noch nicht in der Verfassung, in der sie jetzt sind. Ich glaube aber auch, dass wir in der Summe nun weiter sind. Die Bayern sind immer Favorit, haben sich aber im Borussia-Park oft schwer getan. Wir werden sie im Pokal sicherlich fordern.
Wie wollen Sie die Bayern schlagen?
Hütter: Wir müssen in jeder Situation aufmerksam sein. Die Bayern haben eine unglaubliche Geschwindigkeit nach vorne und in Robert Lewandowski einen Torjäger der Extraklasse. Aber wir müssen nicht nur gut verteidigen, sondern auch selbst nach vorne spielen. Das werden wir machen. Um sie zu bezwingen, müssen wir mutig sein.