Leverkusen. Das Duell Zweiter gegen Erster erweist sich als ein ungleiches: Leverkusen ist bei der 1:5-Heimniederlage überfordert und chancenlos.

Fußballfans haben in der Regel keine guten Worte übrig für den Gegner. In einer von beiden Seiten leidenschaftlich gehegten Abneigung wissen Verspottete im Stadion aber genau, wie schlecht es um ihre Mannschaft steht, wenn aus dem anderen, von Freude erfüllten Fanlager nicht mehr mit Häme auf die Geschehnisse auf dem Rasen reagiert wird, sondern mit Gleichgültigkeit.

So mussten die Anhänger Bayer Leverkusens an diesem Sonntagnachmittag auch nicht länger als nötig die ihnen wohl bekannten „Ihr werdet nie Deutscher Meister“-Gesänge ertragen, die die Fans des FC Bayern um 16.01 Uhr in der gegenüberliegenden Ecke der Bay-Arena anstimmten. 2:0 führten zu diesem Zeitpunkt die Münchener durch zwei Tore von Robert Lewandowski (4./30.). Doch schon bei den nächsten Treffern durch Thomas Müller (34.) und Serge Gnabry (35./37.) verschwand dieser Evergreen von der Münchener Playlist und wurde nur noch einmal in einer moderaten Form beim einzigen Leverkusener Treffer durch Patrik Schick (55.) gesungen.

Vier Tore in sieben Minuten

5:0 zur Pause, 5:1 nach 90 Minuten – der FC Bayern rückte mit einer Glanzleistung gegen bis zu diesem Spieltag überzeugende Leverkusener die Verhältnisse in der Fußball-Bundesliga zurecht, die in ihrer langen Geschichte schon so ziemlich alles erlebt hat. Bis auf eine Leverkusener Meisterschaft natürlich – was auch über die Saison 2021/2022 hinaus Bestand haben dürfte.

„Wenn das ein Test war, haben wir ihn nicht bestanden“, erklärte Bayer-Torwart Lukas Hradecky nach der höchsten Leverkusener Heimniederlage in der Bundesliga. Das Topspiel war für die Außendarstellung der höchsten deutschen Spielklasse eher kontraproduktiv: In der ersten Halbzeit machten die Bayern mit vier Toren in sieben Minuten deutlich, wie konkurrenzlos sie in Deutschland sind, wenn es drauf ankommt. Als sie gut zwei Gänge zurückschalteten, hatte das Spiel zwar immer noch etliche Strafraumszenen, aber eben null Spannung. „Wir hatten unfassbar viele Abschluss-Situationen, wir hatten noch die Chance auf das sechste, siebte oder achte Tor in der ersten Halbzeit“, erklärte selbst Bayern-Trainer Julian Nagelsmann erstaunt. „So was“, sagte Hradecky mit einem Kopfschütteln, „reicht nicht aus, um in der Bundesliga zu gewinnen.“

Duelle zwischen dem FC Bayern und Bayer Leverkusen haben im positiven Sinne einen langen Bart, weil sie fußballerische Delikatessen sind. Mit dem Aufeinandertreffen der beiden 18 Jahre alten Florian Wirtz und Jamal Musiala, für die „Jungstars des deutschen Fußballs“ mit Abstand die zurückhaltendste Bezeichnung derzeit ist, denen aber kaum mehr als ein bisschen Flaum im Gesicht sprießt, sollte die Rivalität frischen Schwung bekommen. Aus diesem Ansinnen wurde nichts, da einmal für den Münchener Musiala der Arbeitstag erst mit der Einwechslung in der 64. Minute begann und darüber hinaus die Kräfte im Spitzenspiel von Beginn an ungleich verteilt waren. Der deutsche Rekordmeister war den Hausherren in allen Belangen überlegen. Und Wirtz, dem Joshua Kimmich rund um den Mittelkreis nicht von der Pelle rückte, wurde vor seiner Auswechslung in der 79. Minute auch nur durch die Vorarbeit zum 1:5 wahrgenommen.

Bayer-Trainer Gerardo Seoane: "Die erste Halbzeit war brutal"

Was sonst eine entbehrliche Floskel ist, hatte aus Leverkusener Sicht an diesem Sonntag traurige Berechtigung: „Die erste Halbzeit war brutal. Der Sieg der Bayern war auch in der Höhe verdient“, erklärte Bayer-Trainer Gerardo Seoane erkennbar niedergeschlagen. Der bärenstarke Leroy Sané wirbelte die Bayer-Abwehr durcheinander, Müller wurde bei seinem Tor glücklich angeschossen, Gnabry tänzelte durch die löchrige Bayer-Hintermannschaft, Lewandowski beendete seine temporäre Abschlussschwäche von zwei Bundespartien ohne erfolgreichen Abschluss gar mit einem Hacken-Traumtor.

„Fünf Tore in 45 Minuten, das belegt, was für einen Fußball wir gespielt haben“, meinte der Weltfußballer. Mit zwei Toren schloss Lewandowski in der Torjägerliste wieder zu Borussia Dortmunds Erling Haaland auf und erinnerte an den einzig wahren Gegner des FC Bayern im Kampf um die Meisterschaft: Am 4. Dezember spielt der FC Bayern beim BVB. Die Schwarz-Gelben, mit einem Punkt Rückstand Zweiter, werden sich dann so oder so nicht „Ihr werdet nie Deutscher Meister“ anhören müssen.