Hamburg. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft versammelt sich wieder. Für einen dauerhaften Aufschwung soll sie einen neuen Geist entwickeln.
Am Montagnachmittag verriet vor allem der große Mannschaftsbus vor dem edlen Hotel in Hamburg, dass hier die besten Fußballer Deutschlands übernachten, während die dünnen Wolken die Sonne nicht zurückhalten konnten. Erst am Abend betraten die Nationalspieler das Backsteingebäude in der Nähe des Volksparkstadions des Hamburger SV, in dem das zarte Fünkchen Euphorie erhalten bleiben soll.
Die Gefühlslage rund um die Nationalmannschaft verläuft schon immer in Wellenbewegungen. Mal Weltmeister, mal Rumpelfüßler, die deutsche Öffentlichkeit schimpft schnell über die bedeutendste Mannschaft des Landes. Immerhin hat es der neue Bundestrainer Hansi Flick nach dem trostlosen Ende der Ära Löw aber geschafft, ein wenig Aufbruchstimmung zu erzeugen. Die der 56-Jährige in den kommenden beiden WM-Qualifikationsspielen gegen Rumänien in Hamburg (8. Oktober) und in Nordmazedonien (11. Oktober) steigern möchte, in dem Wissen, dass jeder Rückschlag die zarte Euphorie wie ein Windstoß hinwegpusten würde.
Flicks Überfallfußball verfeinern
Deswegen reiste Flick schon am Sonntagabend in den Norden Deutschlands. Hier wird der Bundestrainer weiter daran arbeiten, ein Fundament zu errichten, um den Aufschwung zu festigen. Erstens soll dafür der Überfallfußball des Trainers verfeinert werden. Und zweitens ein neuer Geist entstehen. „Unser Ziel ist es, dass sich alle wieder mit der Nationalmannschaft identifizieren“, sagt Hansi Flick vor seinem zweiten Lehrgang. „Das geht nicht nur über den sportlichen Erfolg, sondern auch über die richtige Mentalität, die Intensität, das Engagement, die Gier.“
Leicht fällt dies nicht mitten in einer Saison, in der die Profis vor allem mit den emotionalen Wellenbewegungen des eigenen Klubs beschäftigt sind. Jeder Bundestrainer kennt das Problem, dass er seine Spieler erst vor einem großen Turnier länger als eine Woche um sich versammeln kann. Hansi Flick versucht dies zu lösen, indem er sich viele, viele Bundesligaspiele im Stadion anschaut und regelmäßig zu seinem Smartphone greift, um Kontakt zu halten. Trotzdem ist er darauf angewiesen, dass sich seine Fußballer im eigenen Verein auf ihr Topniveau hieven.
Gündogan plagt eine Oberschenkelverletzung
Die acht Bayern-Spieler (darunter Kapitän Manuel Neuer, Joshua Kimmich und Thomas Müller) müssen nun erst mal die Niederlage gegen Frankfurt verdauen. Ilkay Gündogan (Manchester City) knabbert noch an einer Oberschenkelverletzung. Er fehlt wie Mahmoud Dahoud (Borussia Dortmund), den eine Innenbanddehnung im Knie schwächt. Mats Hummels (Dortmund) muss an seiner körperlichen Fitness arbeiten, damit er wieder eingeladen wird. Für die nicht-berücksichtigten Mario Götze (PSV Eindhoven), Julian Draxler (Paris Saint-Germain) und Julian Brandt (Dortmund) ist die Tür noch nicht verschlossen. Dafür befinden sich Verteidiger Antonio Rüdiger (FC Chelsea) und Talent Florian Wirtz (Bayer Leverkusen) in herausragender Verfassung. Der 18-jährige Wirtz habe ein gutes Selbstvertrauen, meint Flick. „Er ist auf dem Platz da, wenn es zählt.“
So wie seine Mannschaft in den ersten drei Länderspielen unter ihm. Gegen Liechtenstein (2:0) rumpelte das Offensivspiel noch. Gegen Armenien (6:0) und Island (4:0) kombiniert sich die DFB-Elf hingegen teilweise rasant über den Rasen, was zuletzt seltengewordene Glücksgefühle weckte. Mit zwei weiteren Siegen könnte die Qualifikation für die Winter-WM in Katar bereits perfekt sein. Das Turnier im November und Dezember 2022 sieht Hansi Flick nicht als Vorbereitung für die Heim-EM im Sommer 2024, sondern als Chance, wieder in die Weltspitze vorzustoßen.
DFB-Team soll den Spielaufbau verbessern
Dafür müsse sich seine Elf beim Spielaufbau steigern, das Positionsspiel verbessern, so der Bundestrainer. „Im letzten Drittel benötigen wir noch mehr Automatismen. Die Läufe in die Tiefe und der letzte Pass können noch besser abgestimmt werden.“ Die Defensivarbeit stelle ihn bislang zufrieden. Überhaupt dürfe er mit den besten Spielern Deutschlands zusammenarbeiten, „das ist für mich etwas ganz Besonderes, eine große Ehre“.
Dieses Gefühl soll die Mannschaft weiter auf dem Platz zeigen, um die Aufbruchstimmung zu erhalten. DFB-Direktor Oliver Bierhoff lobt die Ansprache von Flick, dieser gebe eine klare Linie vor. Er mache als Trainer nichts, was er zu Hause in seiner Familie anders machen würde, meint Flick selbst. „Das wichtigste ist mir, authentisch zu sein.“ Die Spieler würden dies spüren, erklärt Bierhoff. „Man merkt, dass alle Bock haben, diesen Weg zu gehen.“ In Hamburg, „müssen wir da weiter ansetzen“.
Derzeit führt die Wellenbewegung nach oben.