Barcelona. Der hoch verschuldete Klub verliert den weltbesten Spieler, womöglich wechselt Messi nach Paris. Ist das ein Zeichen für den Neuanfang bei Barca?
Draußen vor dem Camp Nou standen ein paar Dutzend Fans, einer hatte auf ein Transparent geschrieben, wem er die Schuld für die so überraschende wie dramatische Auflösung der Verhandlungen um die Zukunft von Lionel Messi gibt. „Fuck Tebas, Fuck PSG“: Der spanische Ligachef mit seiner Lohnobergrenze, die dem verschuldeten FC Barcelona die Wiedereinschreibung des Spielers unmöglich macht. Sowie der verbliebene Favorit um Messis Dienste, der Scheichklub Paris St. Germain.
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Im Konferenzsaal am Stadioneingang erklärte derweil Klubpräsident Joan Laporta, dass die Dinge komplexer liegen. Und die Schuld in erster Linie beim Verein. Konkret beim „unseligen und erbärmlichen Management“ seiner Vorgänger um Josep Maria Bartomeu, das zu einer Verschuldung von mindestens 1,2 Milliarden Euro führte.
Der FC Barcelona hat im Fall Lionel Messi keinen Gehaltsspielraum mehr
En detail wiederholte der seit März amtierende Laporta, was der Klub am Abend zuvor unter weltweiter Anteilnahme bekannt gegeben hatte: Nach 21 gemeinsamen Jahren trennen sich die Wege des vielleicht weltberühmtesten Fußballklubs und die des wohl weltbesten Fußballers. Zwar habe Einigkeit mit Messi über einen neuen Vertrag bestanden – der alte war im Juni ausgelaufen -, aber keine Chance mehr, ihn unter den vereinbarten Konditionen mit einem Spielerpass auszustatten.
Seit 2013 diktiert die Liga den Klubs jede Saison eine individuell anhand der jeweiligen Einnahmensituation festgelegte Gehaltsobergrenze. Für Barça vermischten sich dabei auf geradezu fatale Weise zwei Faktoren. Auf Basis des 99 000 Zuschauer fassenden Camp Nou und den zu normalen Zeiten in Massen einfallenden Fußball-Touristen war der Umsatz in den vergangenen Jahren so hochgepusht worden, dass er nun besonders anfällig für die Pandemieeinbußen war. Dazu hatte der Verein in großem Stil bei Transfers und Löhnen geprasst. Die daraus entstandenen Kosten – Gehälter wie Abschreibungen – lassen sich nun aber nicht in ähnlicher Geschwindigkeit eindämmen, wie die Einnahmen und damit die Gehaltsobergrenze schrumpften.
„Wir hatten keinen Spielraum“, sagte Laporta, der auf Basis einer jüngst durchgeführten Buchhaltungsprüfung ein Loch von 487 Millionen Euro Mindereinnahmen allein in der letzten Saison erwähnte und die Kosten der ersten Mannschaft mit 110 Prozent des Gesamtetats bezifferte. Womöglich hätte sich die Liga flexibler zeigen können, um ihr größtes Aushängeschild nicht zu verlieren, so Laporta. „Aber das soll keine Entschuldigung sein, wir kannten ja die Normen.“ Alle kreativen Vertragsentwürfe wie die Streckung von zwei Messi-Saisongehältern auf fünf Jahre seien von der zuständigen Kommission abgelehnt worden. Damit sei der Zeitpunkt gekommen, „an dem eine Entscheidung getroffen werden musste. Und ich habe sie getroffen.“
Präsident Laporta: Kein Spieler steht über dem FC Barcelona
Es waren solche Momente während seines knapp anderthalbstündigen Auftritts, in denen sich in die Trauer über den Verlust der Klubikone auch etwas Erleichterung zu mischen schien. Neben den unzähligen Höhepunkten, die er dem Verein schenkte, beschäftigte Messi ihn schließlich seit Jahren auch in negativer Hinsicht. Nach dem Hickhack um seine Steueraffäre kam es dabei 2017 zur Ursünde, als ihm in der Panik nach dem Verlust Neymars ein Monstervertrag über Bezüge von bis zu 138 Millionen Euro jährlich hingelegt wurde, der alle Reste von Gehaltsgefüge pulverisierte. Auch um Messi vermeintlich gnädig zu stimmen, wurden außerdem sündteure Transfers getätigt, deren Abschreibungen weiter im Salary Cap untergebracht werden müssen. Und dann war da ja noch der letzte Sommer, als Messi aus Frust über Bartomeu und Misserfolge einseitig aus seinem Vertrag auszusteigen versuchte.
Die Rückkehr des bereits zwischen 2003 und 2010 amtierenden Laporta gab der Liaison eine neue Chance. Dem Vernehmen nach hätte Messi auf rund die Hälfte seines angestammten Gehalts verzichtet. Während sich idealistische Fans fragen, ob ein so reicher Mann nicht notfalls auch mal ein Jahr zum Superbilligtarif spielen könnte, präsentierte Laporta ihn und seinen Berater-Vater Jorge am Freitag galant als Gentlemen: „Er hat alles getan, was er konnte, es gibt ihm nichts vorzuwerfen“. Aber der Präsident sandte auch eine Botschaft, die man in diesem Verein lang – zu lang –nicht mehr gehört hatte: „Barça steht über Trainer, Präsidenten, Spielern und sogar dem Besten der Welt, den wir so viele Jahre lang genießen durften.“
Paris Saint-Germain hat ein Auge auf Lionel Messi geworfen
Wer wird es in Zukunft tun? Messi ist 34, schoss aber letzte Saison trotzdem noch 30 Tore in der Liga und wurde gerade zum besten Spieler der Südamerikameisterschaft gewählt. Mindestens zwei Jahre seiner geplant längeren Vertragslaufzeit wollte er noch aktiv für Barça spielen, bevor es ihn wohl zum David-Beckham-Klub in Miami ziehen wird. Jetzt also davor noch Paris? Eine „Möglichkeit des Transfermarkts“ nannte ihn dort gestern Trainer Mauricio Pochettino, während der Kollege Pep Guardiola für Manchester City erklärte: „Derzeit ist er nicht in unseren Planungen“.
Oder gibt es doch noch eine letzte Volte, etwa weil Messi noch mal seine Gehaltsforderungen drosselt? Laporta wurde mehrfach darauf angesprochen. „Das sind sehr unrealistische Hypothesen“, antwortete er. „Der Fall ist geschlossen.“