Essen. Die 36 Profiklubs tagen wieder einmal zur 50+1-Regel. Diesmal geht es um die Ausnahme-Genehmigungen für drei Bundesligisten.
Die Sache liegt Andreas Rettig am Herzen, das ist auch durch das Telefon deutlich zu spüren. „Das Thema 50+1 ist das wichtigste sportpolitische Thema im Fußball und ist entsprechend emotional besetzt“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Seit Jahren sorgt es für emotionale Diskussionen im deutschen Fußball, zwischen Klubs, Fans, Investoren und Verbänden. Rettig, heute Geschäftsführer des Drittligisten Viktoria Köln, war in den Debatten mittendrin, erst als Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, der Vereinigung der 36 Profiklubs aus erster und zweiter Liga – und später als Geschäftsführer des Zweitligisten FC St. Pauli.
Und stets kämpfte er für den Erhalt jener Regel, die die Ausgliederung der Profiabteilung und Investoren zwar zulässt, die aber vorschreibt, dass die Stimmenmehrheit beim Mutterverein verbleiben muss. Unterstützt wird er dabei von Borussia Dortmund: „Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion rund um die vorläufige rechtliche Einschätzung des Bundeskartellamts und mit Blick auf die Historie des BVB sind wir ein klarer Verfechter der 50+1-Regel“, erklärte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Am Mittwoch keine Entscheidung zur 50+1-Regel
Watzke wie Rettig dürften daher zufrieden registriert haben, dass die ganz große Zerreißprobe wohl ausbleibt: Vor der außerordentlichen Mitgliederversammlung an diesem Mittwoch ist nach Informationen dieser Redaktion kein Antrag zu dem Thema eingegangen – es muss also keine Abstimmung und keine Entscheidung zu 50+1 geben.
Diskutieren aber werden die Klubvertreter dennoch. Denn das Bundeskartellamt hat Ende Mai mit seiner vorläufigen Einschätzung neuen Schwung in die Debatte gebracht: Die 50+1-Regel halten die Wettbewerbshüter grundsätzlich zwar für unbedenklich – sie stören sich aber daran, dass es Ausnahmeregelungen gibt, wenn ein Investor mehr als 20 Jahre in „erheblichem“ Umfang einen Verein unterstützt hat: So wird nämlich die TSG Hoffenheim von Dietmar Hopp beherrscht, Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg sind 100-prozentige Konzerntöchter – was auch dazu führt, dass die Mutterkonzerne Verluste ausgleichen. Das verzerrt den Wettbewerb, meint das Bundeskartellamt.
Großteil der Fans lehnt ein Kippen der 50+1-Regel ab
So sieht es auch mancher Konkurrent – und Andreas Rettig: „Fakt ist, dass die Klubs einen Vorteil haben aus diesem Privileg“, sagt er. Deswegen sollten die betroffenen Klubs die Anteile an den Mutterverein zurückgeben, wo es möglich ist – „oder ein Konstrukt finden, was dem am nächsten kommt“. Die im Hintergrund oft kolportierte Drohung, dass dann die betroffenen Klubs die 50+1-Regel auf dem Klageweg zu Fall bringen könnten, hält Rettig für ein „Märchen“, und er verweist darauf, „dass zwei unabhängige Instanzen, nämlich das DFB-Schiedsgericht und das Bundeskartellamt, nach jahrelanger Prüfung nichts zu beanstanden hatten“.
Die zweite Möglichkeit, die 50+1-Regel ganz abzuschaffen, damit Investoren Tür und Tor zu öffnen, ist im deutschen Fußball nicht mehrheitsfähig, auch ein Großteil der Fans lehnt dies vehement ab. Die DFL könne die Regel auch gar nicht im Alleingang kippen, sagt Rettig: „Sie ist Mitgliedsverband des DFB. Es gibt in der Frage eine übergeordnete Satzung, die ist zu beachten.“
Streichung der Ausnahmeregel als Kompromiss?
Prof. Dr. Markus Buchberger, Fachanwalt für Sport- und Arbeitsrecht aus Dortmund, bringt im Gespräch mit dieser Redaktion einen Kompromiss ins Spiel: „Eine mögliche Lösung wäre, die Ausnahmeregel in Zukunft zu streichen“, sagt er. „Die drei Klubs, die bislang davon profitierten, könnten gleichzeitig mit einem Malus versehen werden: Sie würden zum Beispiel bei zentral verteilten Geldern schlechter gestellt werden.“ Zum Beispiel bei den TV-Geldern.
Am Mittwoch werden die Klubs nun wohl vor allem besprechen, wie das weitere Vorgehen aussieht. Allzu viel Zeit aber können sie sich nicht lassen: Nach Informationen dieser Redaktion erwartet das Bundeskartellamt bis Herbst eine Antwort darauf, wie die DFL mit den kritisierten Ausnahmen verfährt.