Manchester/Amsterdam. Beim EM-Achtelfinale treffen der Däne Kasper Schmeichel und der Waliser Danny Ward aufeinander. Beide spielen für Leicester City.

Es liegt in der Natur von Torhütern, sich als Nummer Eins zu sehen, doch das Problem ist, dass es auch eine Nummer Zwei geben muss. Ersatztorwart zu sein, das ist der wohl undankbarste Job im Profifußball. Man trainiert jeden Tag hart und hat trotzdem kaum Chancen, am nächsten Wochenende, beim nächsten Spiel mitzumachen. Wenn ein Trainer seine Rangordnung zwischen den Pfosten festgelegt hat, dann gibt es daran nichts zu rütteln. Um als Nummer Zwei einen Einsatz zu bekommen, muss man darauf hoffen, dass sich die Nummer Eins verletzt oder ein Formtief erleidet. Und das Problem von Danny Ward ist, dass Kasper Schmeichel in den vergangenen drei Jahren nichts davon getan hat.

Schlüsselfigur bei Leicesters sensationeller Meisterschaft

Wenn Wales an diesem Samstag im EM-Achtelfinale in Amsterdam auf Dänemark trifft, stehen sich zwei Torhüter gegenüber, die im gleichen Verein spielen – beziehungsweise: nicht spielen. Der Däne Schmeichel, 34, ist bei Leicester City Nummer Eins und Kapitän. Er gehört zu den verlässlichsten Vertretern seines Fachs in der Premier League, war eine Schlüsselfigur bei der sensationellen Meisterschaft des Klubs vor fünf Jahren und hatte in der abgelaufenen Spielzeit großen Anteil daran, dass Leicester um den Champions-League-Einzug mitspielte und den FA-Cup gewann. Im Finale gegen Thomas Tuchels FC Chelsea hielt Schmeichel den 1:0-Erfolg mit einer überragenden Parade gegen Mason Mount fest.

Ward: “Es ist einfach unglücklich. Mental ist es schwer, jeden Tag weiter zu machen.”

Danny Ward steht bei Wales im Tor.
Danny Ward steht bei Wales im Tor. © Getty

Der Waliser Ward, 28, wechselte vor drei Jahren nach Leicester. Sein Ziel war, Schmeichel herauszufordern. Seine Einsätze seitdem in der Premier League: null. Wie sehr ihn das belastet, darüber hat er gerade Auskunft gegeben. Sein Respekt vor Schmeichel ist riesig, er akzeptiert, dass im Verein kein Vorbeikommen an dem Dänen ist, aber das macht die Sache ja nicht leichter für Ward: “Es ist einfach unglücklich. Mental ist es schwer, jeden Tag weiter zu machen.” Bei der EM kann er das sein, was er am liebsten ist, nämlich Nummer Eins. “Es ist ein gutes Gefühl, auf das ich lange gewartet habe. Es ist schön, den Leuten zu zeigen, was ich kann. Wie kann man das nicht genießen?”, sagt Ward.

Der Waliser Ward gilt als Elfmeter-Spezialist

Lange gewartet, das hat er in der Tat. Auch in der Nationalmannschaft war Ward lange nur Reservist hinter Wayne Hennessy von Crystal Palace, der deutschen Lesern vor allem dadurch bekannt sein könnte, dass er einst mit einem angeblichen Hitler-Gruß in Richtung seines damaligen deutschen Mitspielers Max Meyer Schlagzeilen machte. Bei der EM vor fünf Jahren, als Wales sensationell ins Halbfinale kam, spielte Ward nur einmal, zum Auftakt der Vorrunde gegen die Slowakei (2:1), weil Hennessy verletzt war. Rechtzeitig zum Turnier in diesem Jahr hat sich Ward den Stammplatz im Tor gesichert – und könnte in der K.O.-Runde zur Geheimwaffe werden, denn er ist ein Elfmeter-Spezialist. 2017 verhalf er Huddersfield Town mit dem deutschen Trainer David Wagner zum Aufstieg in die Premier League. In den in England üblichen Playoffs gewann die Mannschaft ihr Halbfinale gegen Sheffield Wednesday und das Endspiel gegen den FC Reading jeweils durch die Lotterie vom Punkt. Ward hielt insgesamt drei Elfmeter.

Bilder von Kasper Schmeichel, die bleiben werden

Der dänische Torhüter Kasper Schmeichel (r.) und Kapitän Simon Kjaer trösten Sabrina Kvist Jensen. Die Freunden des kollabierten Christian Eriksen war auf den Rasen geeilt, während Ärzte um das Leben des 29-Jährigen kämpften.
Der dänische Torhüter Kasper Schmeichel (r.) und Kapitän Simon Kjaer trösten Sabrina Kvist Jensen. Die Freunden des kollabierten Christian Eriksen war auf den Rasen geeilt, während Ärzte um das Leben des 29-Jährigen kämpften. © afp

Auch Kasper Schmeichel, Sohn von Dänemarks Torwart-Ikone Peter, hat Erfahrung mit Elfmetern, allerdings ist diese eher zwiespältig. Bei der WM in Russland vor drei Jahren parierte er im Achtelfinale gegen Kroatien drei Versuche vom Punkt (einen in der Verlängerung, zwei im Elfmeterschießen), trotzdem schieden die Dänen aus. Bei der EM sind Schmeichels Heldentaten nicht umsonst, ganz egal, wie weit die Mannschaft kommt. Die Bilder, wie er nach dem Herzstillstand seines Mitspielers Christian Eriksen dessen Partnerin Sabrina Kvist Jensen tröstete, zusammen mit Kapitän Simon Kjaer – sie werden bleiben. Nicht zum ersten Mal sah sich Schmeichel mit einer menschlichen Tragödie beim Fußball konfrontiert. Im Oktober 2018 kam Vichai Srivaddhanaprabha, der beliebte Besitzer von Leicester City, bei einem Hubschrauber-Absturz ums Leben, direkt hinter dem Stadion. Schmeichel war einer der Ersten an der Unfallstelle.