Rom. Hoch gehandelt, tief gefallen: Der Türkei werden im Eröffnungsspiel die Grenzen aufgezeigt. Der Blick geht jedoch trotzig nach vorne.
Fredi Bobic wartete vor Tagen mit einer sehr gewagten EM-Prognose auf. Die Türkei, sagte der Sportvorstand von Hertha BSC, sei sein „Geheimfavorit. Sie haben eine richtig interessante Mannschaft.“ Und nun? Er müsse seinen Tipp wohl noch einmal überdenken, meinte Bobic nach der 0:3 (0:0)-Pleite der völlig überforderten Türken zum EM-Auftakt gegen Italien.
Hoch gehandelt, tief gefallen: Von „einem Albtraum“ (Cumhuriyet) und „Harakiri“ (Takvim) schrieben die Zeitungen nach der Lehrstunde von Rom. Der Frust bei den stolzen Türken war riesig, auch Trainer Senol Günes war nach dem Katastrophenstart sichtlich bedient - doch trotzig richtete der 69-Jährige den Blick nach vorne.
Ein kaum konkurrenzfähiger Sparringspartner
„Wir müssen das Spiel vergessen. Für uns hat sich nichts geändert. Wir haben immer noch die Chance, uns für die K.o.-Runde zu qualifizieren“, sagte Günes vor den Spielen am Mittwoch in Baku gegen Wales und am Sonntag zum Abschluss der Gruppe A gegen die Schweiz. „Noch ist nichts vorbei“, betonte auch der Düsseldorfer Kenan Karaman.
Nicht nur der Zweitliga-Profi beschwor die Erinnerungen an die EURO 2008, als die Türkei nach einem 0:2 zum Start gegen Portugal das Halbfinale und die bislang beste EM-Platzierung erreicht hatte. „85 Millionen Herzen vertrauen auf euch! Wir werden wieder Geschichte schreiben“, schrieb die Zeitung Fotomac. „Wir wissen, wie man aufsteht“, titelte Sabah. Und die Botschaft bei Hürriyet und Fanatik lautete schlicht: „Vergesst Rom!“
Ob das so einfach ist? Die Türkei präsentierte sich im Stadio Olimpico als dankbarer und kaum konkurrenzfähiger Sparringspartner für bärenstarke Italiener. Die Offensive um Burak Yilmaz, Karaman und Hakan Calhanoglu? Nicht vorhanden! Mittelfeld und Abwehr? Nicht EM-tauglich!
Schalkes Kabak kam nicht zum Einsatz
Eine Enttäuschung war die Partie auch aus Sicht von Ozan Kabak vom FC Schalke 04. In der Innenverteidigung spielten Merih Demiral von Juventus Turin und Caglar Söyüncü von Leicester City. Kabak, der in der Rückrunde vom FC Schalke an den FC Liverpool ausgeliehen war, saß nur auf der Bank. Er wird nach der EM auf Schalke zurückerwartet – der FC Liverpool ließ die Kaufoption trotz des vielen Lobes von Trainer Jürgen Klopp verstreichen. Kabaks Vertrag auf Schalke läuft noch bis Juni 2024. "Aus verschiedenen Städten der Welt und der Türkei zusammengekommen, sind wir die jüngste Mannschaft der Europameisterschaft geworden. Durch eure Unterstützung sind wir stärker geworden. Und jetzt sind wir bereit, für alle wunderschönen Momente und Erinnerungen bei der Euro 2020 zu schaffen“, hatte Kabak noch am Tag vor der Eröffnungspartie getwittert. Wunderschön war am Freitagabend für ihn und sein Team wenig.
„Wir haben nach dem 0:1 die Kontrolle über das Spiel verloren“, monierte Günes. Man müsse, ergänzte Düsseldorfer Kenan Karaman, „aus solchen Spielen lernen“. Viel Zeit bleibt dem gefallenen „Geheimfavoriten“ aber nicht. (fs/sid)