Berlin. Der BVB kann am Donnerstag in Berlin gegen RB Leipzig den ersten Titel seit vier Jahren holen. Einige Borussen stehen besonders im Fokus.

Vermutlich wird Erling Haaland an der Geschichte dieses ungewöhnlichen Endspiels mitschreiben können. Der Stürmer machte es sich am Mittwoch jedenfalls im Flugzeug bequem, mit dem die Mannschaft von Borussia Dortmund in die Hauptstadt reiste. Heute misst sie sich hier im DFB-Pokalfinale mit RB Leipzig (20.45 Uhr/ARD und Sky).

Duell unterschiedlichster Vereine

Die Dortmunder haben die Chance, ihren ersten Titel seit vier Jahren in das gut gefüllte Vereinsmuseum zu stellen. Für die mit den Millionen eines Getränkeherstellers vollgepumpten Leipziger wäre es der erste Pokal. Dieses Duell der beiden so unterschiedlichen Vereine wird Aufschluss darüber geben, wer sich sportlich derzeit etwas näher am übermächtigen FC Bayern wähnen darf. Allerdings werden die Fans diese Partie nur auf der Couch verfolgen können. Das Olympiastadion bleibt aufgrund der Corona-Pandemie leer.

Finale ohne Zuschauer

Auch interessant

„Die Aussicht, das Finale ohne Zuschauer spielen zu müssen, sorgt dafür, dass 2021 alles anders sein wird“, meint Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke deswegen im Gespräch mit dieser Redaktion. „Obendrein findet das Spiel normalerweise am Saisonende statt, das ist dramaturgisch – bedingt durch die Pandemie, die EM und eine folgerichtige Terminstauchung – in diesem Jahr schwieriger“, ergänzt der BVB-Chef. „Natürlich ist es schade, wenn du drei Tage später ein elementar wichtiges Bundesligaspiel hast. So ein Finale saugt jede Menge Energie, aber der Gewinner kann noch nicht einmal feiern, weil er schon an das Wochenende denken muss.“

Borussen im Scheinwerferlicht

Trotzdem liefern die 90 Minuten neben dem Blick auf Haaland, der die vergangenen beiden Pflichtspiele aufgrund einer Muskelverletzung im Oberschenkel verpasste, viele Geschichten. Auf einige Borussen leuchtet das Scheinwerferlicht heute noch etwas greller.

Marco Reus

Die Kritiker, die ihm vorwarfen, nie einen Titel geholt zu haben, konnte Dortmunds Kapitän schon 2017 verstummen lassen. Damals, im DFB-Pokalfinale in Berlin, riss jedoch sein Kreuzband, die entscheidenden Tore mussten andere schießen. Das passte zu einer Karriere, in der der 31-Jährige häufig durch Verletzungen zurückgeworfen wurde. Auch in dieser Spielzeit. In der die Kritik wieder deutlich lauter auf den begnadeten Künstler einprasselte. In den vergangenen Wochen prägte Reus jedoch wieder das Offensivspiel. Seine Chancen auf die Europameisterschaft sind deutlich gestiegen. Und vielleicht kann er heute sogar im Endspiel einer der Hauptdarsteller werden.

Edin Terzic

Erst im Dezember 2020 wurde der eigentliche Co-Trainer in die erste Reihe geschleudert, als Lucien Favre gehen musste. Nun dirigiert Terzic seine Profis im Endspiel in Berlin. Lange schien es so, als würde dem 38-Jährigen die Chance seines Lebens aus den Händen gleiten. Längst aber schielen andere Klubs auf den gebürtigen Mendener, der ab dem Sommer in Dortmund wieder zurückrücken soll, da Marco Rose dann die Entscheidungen trifft.

Borussia Dortmunds Trainer Edin Terzic (links) misst sich im DFB-Pokalfinale mit RB-Leipzig-Trainer Julian Nagelsmann.
Borussia Dortmunds Trainer Edin Terzic (links) misst sich im DFB-Pokalfinale mit RB-Leipzig-Trainer Julian Nagelsmann. © firo

Vorher kann Terzic weiter für sich werben. Heute kann er sich in die Liste der Dortmunder Titeltrainer schwingen, selbst die Qualifikation für die Champions League hat der Verein trotz der schwankenden Spielzeit wieder in der eigenen Hand. Die Profis schätzen seine offene Kommunikation. Unter ihm treten sie wieder mutiger auf, ohne dass Terzic alle Probleme der Elf beheben konnte. Die Anhänger haben den bekennenden Borussen ohnehin in ihr Herz geschlossen, weil er häufig den richtigen Ton trifft.

Mats Hummels

Der Verteidiger kündigte unter der Woche bei Sky an, dass er natürlich zur Verfügung stehe, wenn ihn Bundestrainer Joachim Löw für die Europameisterschaft in diesem Sommer einplane. Vielleicht erfüllen sich für Hummels doch noch die Hoffnungen, die er in seine Rückkehr vom FC Bayern ins Ruhrgebiet steckte. Der 32-Jährige wollte noch einmal an vergangene große schwarz-gelbe Erfolge anknüpfen, bislang konnte aber auch er dem BVB nicht die nötige Konstanz verleihen, um mit dem Rekordmeister mitzuhalten. Wenn er heute in seinem bereits achten Pokalfinale aber wie der Abwehrchef auftrumpft, der er nach wie vor sein kann, dann wird er wohl bald einen Anruf von Löw erhalten.

Roman Bürki

Die Tragik des einen ist das Glück des anderen. Es sei hart, das Finale zu verpassen, schrieb Marwin Hitz am Mittwoch in den sozialen Medien. Der Torhüter leidet an einem Kapselriss, ihm gleitet sein bislang größtes Spiel der Karriere durch die Hände. Ihn ersetzt Roman Bürki, den Trainer Terzic eigentlich auf die Bank verbannt hatte. Obwohl sich Bürki viele Jahre als Nummer eins bezeichnen durfte. 2017 stemmte der Schweizer im Dortmunder Trikot schon einmal den DFB-Pokal in die Berliner Luft, alle Zweifel konnte er nie verdrängen. Im Sommer verlässt er den BVB vermutlich. Jedenfalls planen die Verantwortlichen nach den Informationen dieser Redaktion, einen anderen Torhüter aus der Bundesliga zu verpflichten – vieles deutet auf Gregor Kobel vom VfB Stuttgart hin. Egal wie Bürki heute hält.

Sebastian Kehl

„Mein letztes Finale ist ein bisschen weit weg inzwischen. Aber ich weiß, wie schön und unbeschreiblich es ist, in Berlin zu sein und den Pokal zu holen“, erzählt Sebastian Kehl im Gespräch mit dieser Redaktion. 2015 beendete der mittlerweile 41-Jährige seine Karriere, verlor im letzten Spiel das Finale 1:3 gegen den VfL Wolfsburg. Jetzt kehrt er als Leiter der BVB-Lizenzspielerabteilung nach Berlin zurück. Im kommenden Jahr wird er das Sportdirektor-Amt von Michael Zorc übernehmen und dann die Zukunft des zweitmächtigsten Klubs in Deutschland maßgeblich gestalten. Zuvor kann Kehl seinen ersten Titel als Verantwortlicher feiern. Ob dabei genauso viele Endorphine durch die Adern schießen wie als Profi, wird er erst dann beantworten können. Aber: „Normalerweise war die Stadt immer schwarz-gelb gefärbt und komplett vereinnahmt. Das wird in diesem Jahr anders sein. Trotzdem ist es eine großartige Chance für uns, Geschichte zu schreiben.“

Lukasz Piszczek

Der 35-Jährige erlebt gerade seine letzten drei BVB-Spiele. Aufgrund der schlimmen Verletzung von Mateu Morey und der enttäuschenden Auftritte von Thomas Meunier übernimmt Lukasz Piszczek wieder auf dem Platz Verantwortung. Im Sommer verabschiedet sich der Fanliebling. Leise, weil die Anhänger ihm durch Corona keinen lauten Abschied bereiten können. Immerhin kann er heute zum dritten Mal dafür sogar, dass „Borussia Dortmund“ auf den DFB-Pokal graviert wird. „Für Lukasz Piszczek ist es die letzte Möglichkeit, einen Titel zu gewinnen. Dem würde ich das besonders gönnen“, sagt Sportdirektor Michael Zorc dieser Redaktion.

Mahmoud Dahoud

Welch begnadeter Fußballer Dahoud sein kann, dies berichteten einem in Dortmund viele. Bislang scheiterte der 25-Jährige an sich selbst und am mangelnden Vertrauen seiner Trainer. Terzic hingegen überlasst das Aufbauspiel seinem Profi, der mit einem Ballkontakt Gegenspieler versetzen kann. Trotzdem hätte vor der Saison wohl niemand gedacht, dass Dahoud zugetraut werden kann, im Finale eine prägende Geschichte zu schreiben.