Essen. Stabhochsprung-Weltrekordler Armand Duplantis im Interview über Sprünge im Garten, eine coole Sportler-Gang und Olympia in Tokio.

Die zwei Staatsbürgerschaften legen es bereits nahe, aber in Armand Duplantis stecken wirklich verschiedene Mentalitäten: Schwede ist der beste Stabhochspringer der Welt, weil seine Mutter Helena aus dem Land kommt und er die skandinavische Art mag: realistisch und demütig, wie der 21-Jährige sagt. Amerikaner ist Duplantis, weil ihn sein Vater Greg in Lafayette/Louisiana einst dem Sport und „amerikanische Tugenden“ lehrte. Nur hat es etwas gedauert, selbstbewusst und siegessicher zu sein, manchmal sogar großspurig. Denn mit 14 Jahren entschied sich Mondo, wie er überall genannt wird, lieber für Schweden zu starten, da ihm das Auswahlsystem der US-Leichtathletik als zu nervenaufreibend erschien. So ist Duplantis im Sport Schwede mit US-Mentalität, Weltrekordhalter in der Halle (6,18 Meter) wie im Freien (6,15 Meter) und als Gold-Favorit für die Olympischen Spiele in Tokio (ab 23. Juli) sicher: „Das wird ein großes Jahr für mich.“

Ein großes Jahr, Herr Duplantis: War das nicht bereits 2020 für Sie?

Armand Duplantis: Naja, das dachte ich auch, aber dann wurden ja die Olympischen Spiele verschoben.

Bereits in der Luft weiß Armand Duplantis: Weltrekord geknackt. Im September 2020 verbesserte der Schwede die 26 Jahre alte Bestmarke von Stabhochsprung-Legende Sergej Bubka.
Bereits in der Luft weiß Armand Duplantis: Weltrekord geknackt. Im September 2020 verbesserte der Schwede die 26 Jahre alte Bestmarke von Stabhochsprung-Legende Sergej Bubka. © AFP

Aber, bitte: Im Februar 2020 brachen Sie in Glasgow den Hallen-Weltrekord, die Freiluft-Bestmarke schnappten Sie sich im September. Ist das denn nichts?

Armand Duplantis: Natürlich, trotzdem ist 2021 erst das olympische Jahr. Ich hoffe nur sehr, dass alles nach Plan läuft und die Spiele ausgetragen werden. Wenn es dann aber soweit ist, werde ich auch bereit sein.

Duplantis schnappte Legende Bubka den Weltrekord weg

Sie haben die Rekorde einer Legende entrissen. Hat sich Sergej Bubka jemals beschwert?

Armand Duplantis: (lacht) Ich glaube, er hat mal etwas bei Twitter geschrieben. Aber persönlich habe ich nie mit ihm darüber gesprochen. Ich hoffe aber, dass er mir nicht böse ist.

Ihre Weltrekorde, die Auszeichnungen für Sie zum Welt-Leichtathleten des Jahres und für Ihre Eltern zu den Trainern des Jahres – war 2020 das falsche Jahr für solche Riesenerfolge?

Armand Duplantis: Irgendwie schon. Als es die ersten Wettkämpfe ohne Zuschauer gab, war es schon schwierig, sich wieder für die neuen Herausforderungen zu motivieren. Aber gut, da mussten wir ja alle durch. In der Zeit ohne Meetings haben wir gemerkt, wie dankbar wir sein müssen, am Ende doch wieder unseren Sport ausüben zu können – auch ohne Fans.

Duplantis gewann Garten-Meisterschaft mit Lavillenie und Kendricks

Sie haben sich die Zeit des Lockdowns vertrieben mit virtuellen Wettkämpfen gegen Sam Kendricks, Weltmeister aus den USA, und Renaud Lavillenie, Olympiasieger und Ihr Idol aus Frankreich.

Armand Duplantis: Wir haben es Ultimate Garden Clash genannt. Das war zu der Zeit, zu der man wirklich nichts anderes machen konnte. Alles war geschlossen, wir konnten nicht trainieren.

Garden Clash, also Garten-Treff. Weil jeder von Ihnen eine Stabhochsprung-Anlage hat. Und Sie haben gewonnen, weil Sie binnen einer Stunde die meisten Fünf-Meter-Sprünge geschafft haben.

Armand Duplantis: Na, so offiziell war der Sieg nicht. Es war mehr ein Unentschieden. Ich wollte deshalb noch Play-offs dranhängen, aber die beiden anderen wollten dann nicht mehr.

Sie drei sind im normalen Wettkampf die größten Konkurrenten. Trotzdem ist es möglich, als coole Gang so etwas zu machen, zusammen zu lachen, obwohl jeder seine eigenen Interessen verfolgt?

Armand Duplantis (links) als Gast der schwedischen Kronprinzessin Victoria und deren Familie.
Armand Duplantis (links) als Gast der schwedischen Kronprinzessin Victoria und deren Familie. © AFP

Armand Duplantis: Anders als auf dem Papier treten wir nicht gegeneinander an – wir nehmen es jeder für sich mit der Latte auf. So sehe ich das. Was auch immer Sam macht, was auch immer Renaud macht – es beeinflusst nicht meine Herangehensweise an einen Sprung. Das ist bei ihnen auch nicht anders. Und deshalb sind wir auch während des Wettkampfes Freunde.

Duplantis' erster Sprung war mit einem Besenstil im Wohnzimmer

Sie sind 21. Als Kendricks 2019 in Doha Weltmeister wurde und Sie Zweiter, sagte er: Mir kommt es so vor, als würde Mondo seit zehn Jahren auf diesem Niveau springen. Fühlen Sie sich alt?

Armand Duplantis: Zum Glück nicht (lacht). Ich weiß, das hört sich komisch an, aber mit der Erfahrung hat er schon recht. So fühle ich mich in der Tat. Ich habe mich so lange darauf vorbereitet, genau in so einer Situation wie jetzt zu sein. Ich hatte von Beginn an den Ehrgeiz, mich auf diesem Level zu messen, irgendwann den Weltrekord zu springen. Es fühlt sich wie Vorsehung an.

Ihr erster Sprung war tatsächlich im Wohnzimmer mit einem Besenstil auf die Couch?

Armand Duplantis: So haben es mir meine Eltern erzählt. Ich weiß es nicht mehr so genau, ich war wohl erst drei Jahre alt. Macht das nicht jedes Kind?

Vermutlich nur Kinder von Eltern, die im Garten hinter dem Haus auch eine Stabhochsprung-Anlage stehen haben. Wann haben Sie denn das erste Mal zwei Meter überquert?

Armand Duplantis: Puh, nicht leicht zu beantworten, ich werde da in etwa zehn Jahre alt gewesen sein.

Eltern von Armand Duplantis haben Strabhochsprung-Anlage im Garten

Haben die Nachbarn irgendwann befürchtet, dass Sie über den Zaun in ihren Garten springen könnten?

Armand Duplantis: Sagen wir es mal so: Sie haben zu Beginn auf jeden Fall gespannt herübergeschaut, was denn da im Garten nebenan vor sich geht. Sie haben aber auch schnell gemerkt, dass ich schon ganz gut wusste, was ich da tat.

Gibt’s für Zehnjährige nicht coolere Dinge im Garten als eine Stabhochsprung-Anlage? Ist man bei Freunden, die man nach der High School mit nach Hause bringt, nicht viel eher mit einem Pool der Held?

Armand Duplantis: Sollte man annehmen, oder? Für andere hört sich das außergewöhnlich an, aber für mich war es das Normalste der Welt: Nach der Schule sind andere in den Pool gesprungen oder haben Football gespielt, ich habe Stabhochsprung gemacht. Es war seit jeher Bestandteil meines Lebens.

Der höchste Sprung in der Geschichte der Leichtathletik: Armand Duplantis nach seinem Hallen-Weltrekord im Februar 2020.
Der höchste Sprung in der Geschichte der Leichtathletik: Armand Duplantis nach seinem Hallen-Weltrekord im Februar 2020. © DPA

Kinder, Jugendliche entdecken allerlei Sportarten. War das bei Ihnen auch so?

Armand Duplantis: Natürlich habe ich mich im Football und Baseball ausprobiert. Es hat richtig Spaß gemacht, ich habe es genossen, mich für viele Sportarten zu interessieren. Deshalb war es auch nicht leicht, 2015 damit aufzuhören. Trotzdem: Die Leidenschaft war immer der Stabhochsprung, es war und ist meine Nummer eins.

Wie Armand Duplantis den perfekten Sprung definiert

Sie waren gleich als Teenager weltspitze. Was ist das Wichtigste? Die Geschwindigkeit beim Anlauf, das Gefühl für den Stab oder Ihre akrobatischen Künste beim Überqueren der Latte?

Armand Duplantis: Das kann schon mal variieren. Momentan glaube ich, dass mir das Tempo beim Anlauf viele gute Sprünge ermöglicht. Wenn ich auf die richtige Geschwindigkeit komme, also ein richtig gutes Gefühl habe, kommt der Rest von alleine.

Wissen Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt: Alles klar, das wird ein richtig guter Sprung.

Armand Duplantis: Es ist dieser kurze Moment zwischen den letzten Anlaufschritten, wenn der Stab in den Kasten sticht und ich abhebe: Da kriege ich sofort eine Idee davon, was passieren wird.

Von all den Größen Ihres Sports haben Sie sich auf Youtube Videos angeschaut, das Beste aus deren Sprungtechniken studiert und dann einen eigenen Stil kreiert. Was ist der perfekte Sprung?

Armand Duplantis: Um ehrlich zu sein: Den perfekten Sprung hatte ich noch gar nicht, glaube ich. Ich bin mir nicht sicher, ob es diese eine Art überhaupt gibt. Um erfolgreich zu sein, muss jeder Athlet seine eigenen Stärken kennen und sich danach ausrichten. Oh Mann, keine einfach Frage.

Für Duplantis sind die Olympischen Spiele ein Traum

Betrachten Sie die Beantwortung als Weltrekordversuch.

Armand Duplantis: Okay, aber wenn ich sage, dass das jeder für sich selbst herausfinden muss, ist das eine ziemlich schreckliche Antwort, oder?

Latte leider gerissen. (Duplantis lacht) Der perfekte Sprung kann ja noch in Tokio folgen. Glauben Sie, dass Sie im Sommer nachträglich um Olympia-Gold springen?

Armand Duplantis: Ich kann es nur hoffen. Wenn wir alle nach Tokio dürfen, werde ich dafür sorgen, in bester Verfassung dort anzutreten. Da ich nie zuvor bei Olympischen Spielen war, hat sich daran nichts geändert. Für mich es ein Traum, dort starten zu dürfen.