Essen. Nachdem DFB-Präsident Fritz Keller ein Nazi-Vergleich unterläuft, rücken auch Verbündete von ihm ab. Seine Zukunft könnte sich schon bald klären.

Als Erster wagte sich Uwe Döring aus der Deckung. „So kann es nicht weitergehen“, sagte der schleswig-holsteinische Verbandsboss über den Machtkampf im Deutschen Fußball-Bund. „Eigentlich brauchen wir ein komplettes neues Führungsgremium.“ Es ist noch eine Einzelmeinung, aber es zeigt, dass einiges in Bewegung gerät beim DFB. Döring und die anderen Vorsitzenden der Landesverbände sind schon lange genervt vom desaströsen Bild, dass der DFB wegen des Gezänks seiner Führungspersonen abgibt. Dass Präsident Fritz Keller (64) seinen Vize Rainer Koch (62) jetzt als „Freisler“ schmähte, also mit einem der schlimmsten Nazi-Scharfrichter verglich, was Generalsekretär Friedrich Curtius (45) eiligst bei der DFB-Ethikkommission anzeigte, ist die nächste Eskalation – und bringt die Machtstatik ins Wanken.

Bislang konnten die Konfliktparteien grob zwei Lagern zugeordnet werden: Curtius und Koch hatten den Rückhalt der Amateurvertreter, wobei die Landesverbände zuletzt auch an ihnen deutliche Kritik übten. Das in der Deutschen Fußball-Liga organisierte Profilager dagegen stand unverbrüchlich zu Keller. Nun aber rückten die DFL-Vertreter im DFB-Präsidium deutlich ab vom Präsidenten, distanzierten sich in aller Form und bezeichneten die Worte des Badeners als „inakzeptabel“. Ein vermittelndes oder gar unterstützendes Wort für Keller gab es nicht.

Noch keine Rücktrittsforderungen

Auch aus vielen Landesverbänden kam deutliche Kritik. Rücktrittsforderungen allerdings blieben aus – denn dass Koch und Curtius als Sieger aus diesem Konflikt hervorgehen, will auch niemand so recht. Denn Chaos und Konflikte gab es im DFB ja schon, als Keller noch gar nicht da war, Koch und Curtius aber schon wichtige Rollen spielten. Selten aber spielten die Auseinandersetzungen auf derart offener Bühne wie aktuell.

Und das ging schon kurz nach Kellers Wahl im September 2019 los. Koch, Curtius und viele andere hatten kein Interesse an einem starken Präsidenten, sorgten dafür, dass dessen Richtlinienkompetenz aus der Satzung gestrichen wurde. Keller aber wollte mehr sein als nur ein Grüßaugust. Er mischte sich ins Tagesgeschäft ein, stellte Fragen, die ihm die anderen nicht beantworten konnten oder wollten. Schnell kam es zu Reibungen.

Ein Kommunikationsberater wirft Fragen auf

Einige dieser Fragen drehten sich um den Weseler Kommunikationsberaters Kurt Diekmann (74). Welche Rolle der beim DFB spielte, ist schwierig zu ergründen. Es geht um die kommunikative Begleitung diverser Affären und Untersuchungen, heißt es – aber dafür hat man eigentlich eine üppig ausgestattete Medienabteilung.

Für Wirbel sorgte eine Strafanzeige Diekmanns gegen Keller – wegen des Verrats von Geschäftsgeheimnissen. Pikant wird das Wirken des Beraters aber vor allem durch eine Enthüllung der Bild-Zeitung: Danach soll Diekmann beteiligt gewesen sein an einem Spiegel-Bericht, der dazu beitrug, den Keller-Vorgänger Reinhard Grindel aus dem Amt zu fegen. Kurz nach Grindels Rücktritt im April 2019 begann Diekmann eine Beratungstätigkeit für den DFB, die ihm rund 372.000 Euro brachte – zu einem Zeitpunkt, als er noch mit dem Spiegel zusammenarbeitete.

Interne Ermittlungen

Berichten der Süddeutschen Zeitung zufolge war Diekmann schon lange mit Koch verbandelt, sein Wirken im Verband wurde vor allem im Keller-Lager kritisch gesehen. Interne Prüfer ermitteln, und auch sie sollen delikate Fragen haben. Das wirft kein gutes Licht auf Koch, Curtius und deren Verbündeten, den Schatzmeister Stephan Osnabrügge, die aber beteuern, alles sei mit rechten Dingen zugegangen.

Doch nun überlagert Kellers Fehltritt alles. Zurücktreten will er nicht, sein Wirken als Aufklärer sei noch nicht beendet, lässt er wissen. Zuletzt gab es im Verband Gedankenspiele um einen vorgezogenen DFB-Bundestag im Herbst, auf dem die gesamte Führungsebene neu gewählt werden soll. Nun ist die Frage, ob der angeschlagene Präsident bis dahin durchhält. Am Wochenende tagen die Landesverbände. Schon da könnte sich entscheiden, ob Keller noch eine Zukunft im eigenen Verband hat.