Edmonton. Eishockeyspieler Leon Draisaitl hat nun auch die deutsche Torbestmarke von Ex-Bundestrainer Marco Sturm gebrochen.

Als das Warten ein Ende hatte, reckte Leon Draisaitl die Faust mit dem Schläger in die Luft. Er hatte gewartet auf dieses Zuspiel von Ryan Nugent-Hopkins. Beide waren sie auf das gegnerische Tor zugestürzt, vor sich hatten sie nur einen Gegenspieler und den Torhüter. Als der Puck dann über das Eis zu ihm glitt, zögerte Draisaitl nicht und zog blitzschnell ab. Von der rechten Seite schlug die schwarze Scheibe im Tor ein. Es war ein Treffer, wie ihn Draisaitl in den vergangenen Jahren auf ähnliche Weise schon häufig erzielt hatte. Warum also diese ausführliche Beschreibung einer Szene aus einem Hauptrundenspiel der nordamerikanischen Eishockey-Eliteliga NHL?

Weil andere ebenfalls auf diesen aus deutscher Sicht sporthistorischen Moment gewartet hatten.

Eine Rolle wie Dirk Nowitzki

Sogleich machten die ersten Meldungen und Gratulationen auch in tiefster Nacht in Draisaitls Heimat die Runde. Denn mit diesem Tor des Kölners in der 29. Spielminute war es amtlich: Leon Draisaitl ist endgültig der größte Eishockey-Star der Republik, nachdem der 25-Jährige in der Nacht auf Dienstag mit einer Vorlage und diesem Tor zum 4:0 seine Karriere-Punkteausbeute auf 488 steigerte. Damit übertraf er die Bestmarke von Marco Sturm, der bis zu jenem Zeitpunkt den Ruf als torgefährlichster deutscher NHL-Profi verteidigt hatte. Draisaitl freute sich, zunächst allerdings mehr über den 6:1-Sieg seiner Edmonton Oilers über die Winnipeg Jets, bevor er auch den deutschen Rekord kommentierte: „Diese Liste anzuführen, ist etwas Besonderes. Ich bin stolz darauf. Das ist eine große Ehre.“

Draisaitls Unaufgeregtheit kam wenig überraschend. Das Aufstellen der nationalen Bestmarke war nur eine Frage der Zeit für ihn. Seit Wochen wurde von Match zu Match darauf gewartet, dass der Centerspieler seine Erfolgsliste ausbauen würde. Sportler des Jahres 2020 in Deutschland, NHL-Top-Scorer und wertvollster Spieler (MVP) der vergangenen Saison – längst wird Draisaitl eine ähnliche Strahlkraft wie dem Basketballer Dirk Nowitzki nachgesagt. Die eines deutschen Ausnahmesportlers, der sich im fernen Nordamerika in einer der weltbesten Sportligen behauptet, dafür global gefeiert und respektiert wird. Der dazu bodenständig und wann immer möglich mit der DEB-Auswahl im schwarz-rot-goldenen Trikot im Einsatz ist.

Marco Sturm ist voll des Lobes für Draisaitl

„Die Frage ist: Wird es jemals noch mal so einen deutschen Spieler geben wie Leon Draisaitl? Die Art und Weise, wie er spielt und die Punkte macht, das ist schwer zu toppen. Das ist nur der Anfang für ihn, er wird denke ich noch einige Rekorde schaffen.“ Es sind Sätze, die jener Mann sprach, dessen Rekord Draisaitl zuvor gebrochen hatte: Marco Sturm. Bevor Sturm im Trainerteam der Los Angeles Kings arbeitete, bevor er als Bundestrainer mit Deutschland Olympia-Silber 2018 gewann, stand der gebürtige Niederbayer in der NHL als linker Flügelstürmer unter anderem für die San Jose Sharks und die Boston Bruins auf dem Eis. Sturm sammelte in seiner Laufbahn 487 Scorerpunkte, die für Treffer und Torvorlagen gutgeschrieben werden. Dafür brauchte er aber doppelt so viele Partien wie Draisaitl, der seine 488 Punkte in 468 Spielen sammelte.

Trotzdem: Sturm war zwischen 1997 und 2012 das Vorbild ganzer Generationen von Eishockeyspielern, auch von Leon Draisaitl. „Als kleiner Junge habe ich auf Marco geschaut, wollte so sein wie er und die anderen Deutschen in der NHL“, erzählte Draisaitl kurz darauf einem kleinen Kreis deutscher Journalisten. „Ich freue mich immer sehr, ihn zu sehen. Aber aus dem Torrekord machen wir dann nichts Größeres, als es ist.“

Das Ziel ist der Stanley Cup

Schon als er als im vergangenen September die höchste Auszeichnung der NHL erhalten hatte, ließ Draisaitl nicht öffentlich die Korken knallen. Vielmehr haderte er mit dem Play-off-Aus seines Teams. „Eishockey ist ein Teamsport. Dann interessiert es nicht, welche Einzeltrophäen ich gewinne“, erklärte er. „Ich nehme sie gerne mit und freue mich, aber am Ende geht es mir um den Stanley-Cup.“

In dieser Saison ist die Meistertrophäe das Ziel, das Team aus Kanada ist auf Play-off-Kurs. Ob es zur Feier des Tages – die Oilers überholten durch den Sieg die Jets in der Tabelle und sind Zweiter – ein Kölsch mehr gebe, wollte Draisaitl nicht verraten. „Das behalte ich mal für mich. Aber mit den Jungs den Abend genießen, keine Frage. Doch der Blick geht schon aufs nächste Spiel.“ Bis das gestartet wird, muss aber selbst einer wie Leon Draisaitl warten.