Manama. Am Wochenende startet die Königsklasse des Motorsports in ihre neue Saison. Ein Ausblick auf das zweite Corona-Jahr der Formel 1.

Einmal schon ist die Formel 1 der Pandemie erfolgreich davongefahren. Diese erfolgreiche Trotzigkeit soll auch die Saison 2021 bestimmen, die als Übergangsjahr bis zum neuen Reglement als eine Art Gebrauchtwagen-WM gedacht war. Klang langweilig, kommt auch nicht so. Vor dem Auftakt am Wochenende in Bahrain wird an allem gespart, bloß nicht an der Spannung. Budgetlimit und Aerodynamikbeschränkungen lassen den Giganten Mercedes bei den Testfahrten wanken und damit Lewis Hamiltons Rekordjagd. Sebastian Vettel und Fernando Alonso planen ihre Comebacks, Mick Schumacher den bestmöglichen Einstand. Das Motto „Fahren, um zu überleben" der neuen Netflix-Doku gibt der rasenden Champions League die Richtung vor. Formel Trotz.

Blufft Mercedes nur?

Als trotziger Ritter geht Sir Lewis Hamilton ins Rennen. Mit Mercedes möchte der Brite sein Sieges-Abo einlösen, Michael Schumacher mit acht Weltmeister-Titeln übertreffen, um zum größten Rennfahrer aller Zeiten gekürt zu werden. Seine Bestmarken für Siege (95) und Pole-Positionen (98) will er in den dreistelligen Bereich steigern. Es könnte seine letzte Chance auf die Geschichtsbücher sein, nachdem er sich mit seinem Team nur auf einen Ein-Jahres-Kontrakt hat einigen können. Schon gehen die Spekulationen um seine Nachfolge los, mit Max Verstappen in der Pole-Position. Bei den Testfahrten zeigte sich Mercedes überraschend instabil. „Wir haben noch eine lange Reise vor uns", gesteht Stratege James Vowles und gibt eine technische Aufholjagd zu. Oder ist das alles nur ein großer Bluff?

Möchte seinen achten WM-Titel holen: Lewis Hamilton.
Möchte seinen achten WM-Titel holen: Lewis Hamilton. © AFP

Mit einer Maximalstrategie dem Virus trotzen: 23 Rennen in der längsten Saison der Geschichte sind gewagt. Aber schon im Vorjahr war die Formel 1 hygienischer Vorreiter für internationale Sportwettbewerbe. Das Auftaktrennen in Melbourne wurde erstmal in den November verschoben, Bahrain bekommt jetzt die Ehre. Zurück in den Kalender rücken endlich die Niederlande mit Zandvoort, höchst umstritten ist das erste Gastspiel im Dezember in Saudi-Arabien. Das mag nicht zum offenen Image der Königsklasse passen, dient aber zum Kontoausgleich. Der Nürburgring steht nach den guten Erfahrungen im Vorjahr wieder als Ersatzaustragungsort bereit. In Silverstone, Monza und Interlagos wird statt des Qualifyings am Samstag probeweise ein 100-Kilometer-Rennen ausgetragen. Die Rennen finden wieder zur vollen Stunde statt, nicht mehr um zehn nach. Übertragen werden sie alle vom Bezahlsender Sky, viermal darf auch RTL übertragen, obwohl sich die Kölner die Formel 1 erst sparen wollten.

Euphorie um Mick Schumacher

Für drei Nachwuchsfahrer beginnt die Trotzphase, allen voran Posterboy Mick Schumacher. Der 22 Jahre alte Sohn des Rekordweltmeisters beginnt seine Lehre beim sportlich noch eher schwachen Haas-Ferrari, an der Seite des umstrittenen Russen Nikita Mazepin – in dem Jahr, in dem sich zum 25. Mal der Titelgewinn von Damon Hill jährt, dem ersten Sprößling, der wie sein Vater Weltmeister werden konnte. So weit ist Schumi junior nicht, aber die Euphorie ist groß. Er setzt im Ausbildungsjahr auf Verdrängung: „Spätestens wenn man den Helm aufsetzt, dreht sich alles nur noch um das Rennen." Ein Geheimtipp ist nach seinen Test-Bestzeiten der dritte Neuling, der erst 20 Jahre alte Japaner Yuki Tsunoda bei Alpha Tauri.

Steht vor seinem Debüt in der Formel 1: Mick Schumacher.
Steht vor seinem Debüt in der Formel 1: Mick Schumacher. © AFP

Ferrari hat er erfolgreich getrotzt, zwar Niederlagen eingesteckt, sich aber nicht verbogen. Mit 33 startet Sebastian Vettel in den dritten Frühling seiner Karriere. Von Rot auf Grün, der Lackierung des neuen Werksteams von Aston Martin – einer Farbe der Hoffnung. Dort ist Vettel auch Fahrlehrer für Lance Stroll, den Sohn des Teambesitzers. Die drei größten Wünsche des Heppenheimers: endlich keine Intrigen mehr, einen ausbalancierten Rennwagen – und den fünften WM-Titel. Der soll sich nach einem Übergangsjahr einstellen. Schlusslicht bei den Tests gewesen zu sein, stört ihn scheinbar nicht: „Es fühlt sich alles vielversprechend an. Aber es ist normal, dass man mehr als anderthalb Tage braucht, um seinen Rhythmus zu finden. Das wird eine Lernkurve".

Fernando Alonso als Unruhestifter

Mit Fernando Alonso, inzwischen 39, ist der größte Trotzkopf des Jahrtausends zurück. Sogar bei seinem alten Team Renault, das jetzt Alpine heißt. Die Franzosen haben den wilden Spanier, der sein letztes Formel-1-Rennen Ende 2018 fuhr, bewusst als Unruhestifter ins Team geholt. In der Trainingsphase hat ihn ein Fahrradunfall mit Kieferbruch zurückgeworfen. Sein Wille und der Stolz aber sind auch ohne Titanplatten intakt geblieben.

Dem Kollegen zu trotzen ist die vornehmste Aufgabe eines Rennfahrers, nur drei Teams blieben in der Besetzung unverändert. Red Bull hat seinem WM-Favoriten Max Verstappen den Mexikaner Sergio Perez an die Seite gestellt, der beim letzten Rennen in Bahrain nach 190 Anläufen zum ersten Mal gesiegt hatte. Damit haben die Bullen vielleicht die stärkste Fahrerpaarung im Feld – und wittern ihre große Chance.

Ferrari arbeitet am Comeback

Allen Vorurteilen über den zuletzt lahmenden Motor und den Selbstzweifeln im Team zum Trotz plant Ferrari nach der schlechtesten Saison der jüngeren Geschichte den Neustart. Vettel-Gegner Charles Leclerc soll sich als Leader beweisen, Teamchef Mattia Binotto gibt sich selbstbewusst: „Wir wollen das Mittelfeld anführen. Platz drei ist das Mindestziel. Das muss der Anspruch von Ferrari sein." Zuletzt waren die Italiener lediglich Sechste. Aus Aberglauben haben sie das neue Auto im tiefen Burgund lackiert, der traditionellen Farbe der Scuderia.

Gut gelaunt: Sebastian Vettel, der nun für Aston Martin startet.
Gut gelaunt: Sebastian Vettel, der nun für Aston Martin startet. © dpa

Trotz Sparkurs haben die Rennställe immer noch 145 Millionen Dollar als Jahresetat zur Verfügung, die Top-Gehälter sind da nicht mit eingerechnet. Die Großen müssen sich einschränken, für den Rest des Feldes ändert sich nichts. Nur aufs Haben-Konto wurden nach den herben Einnahme-Verlusten durch Covid-19 insgesamt nur noch gut 700 Millionen Dollar an alle ausgeschüttet. Mit dem ehemaligen Ferrari-Mann Stefano Domenicali steuert jetzt ein neuer Boss die Formel-1-Geschäfte.

Formel 1 bleibt die Serie der Möglichkeiten

Dem Wind trotzen: Prüfstandläufe und Windkanalsessions sind streng limitiert, dazu wurde der aerodynamisch so wichtige Unterboden von den Regelhütern beschnitten. Dazu durfte jedes Team sein Auto nur an zwei Stellen verändern – was die Machtverhältnisse gewaltig verschieben kann. Die einen haben nur vorn geändert, die anderen hinten. Wer welches Schlupfloch gefunden hat, weiß noch keiner. Welches Konzept erfolgreich ist, weiß noch keiner. Der Stress in den Rennfabriken nimmt zu, denn parallel zur laufenden Saison müssen für den Reglementwechsel 2022 komplett neue Autos gebaut werden. Als Baumaterial erlaubt sind jetzt übrigens auch Naturprodukte wie Hanf, Baumwolle oder Bambus. Letzteres zeigt: die Formel 1 bleibt die Serie der Möglichkeiten, allen Unmöglichkeiten zum Trotz.