Essen. Thomas Bach regiert den Weltsport. Am Mittwoch wird er im Amt des IOC-Präsidenten bestätigt werden - es gibt keinen Gegenkandidaten.

Wäre Thomas Bach kein Mann der Weltöffentlichkeit, er ließe sich leicht als erfolgreicher Geschäftemacher in anderen Lebenslagen vorstellen. In einem Autohaus hätte er das Büro mit dem schönsten Ausblick, und seine treuesten Kunden würden Luxusschlitten bekommen, die als ausverkauft gelten. Auf dem Wochenmarkt würde er beim Vorbeigehen immer eine Kostprobe bekommen, denn er sorgt dafür, dass die besten Verkäufer die Stände am Eingang bekommen. Im hiesigen Kino hätte er immer ein Plätzchen frei für seine Bekannten. Egal, wie voll der Kinosaal ist.

Aber Thomas Bach hat den für ihn besten Beruf längst gefunden: Er ist seit 2013 Präsident der wichtigsten Sportorganisation der Welt. Und wird es bleiben. Seine Wiederwahl auf der digitalen 137. IOC-Session gilt heute als sicher, Bach hat keinen Gegenkandidaten.

Dagmar Freitag: So sichert sich Thomas Bach seine Macht

Bach ist weder groß noch klein, weder besonders originell noch witzig. Seine sportpolitischen Aussagen beschränken sich auf Floskeln. Sein Aussehen passt zu seinem Image: freundlich, glatt, unnahbar. Wie konnte es dieser unscheinbare Mann an die IOC-Spitze schaffen?

„Das IOC war und ist ein exklusiver Zirkel der sportpolitischen Macht, und am Ende dank der Olympischen Spiele ein gigantisches Geschäftsmodell“, sagt die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD). „Die für den Erfolg des Businessmodells notwendige Klaviatur spielt Präsident Bach zweifellos virtuos und sichert damit auch seine eigene unangefochtene Macht.“

Um Thomas Bachs Tun und Lassen zu beschreiben, wird oft auf seine sportliche Karriere zurückgegriffen: Bach gewann als Fechter bei den Olympischen Spiele 1976 Mannschaftsgold. Ohne Frage eine herausragende Leistung, doch im Kontext seines Schaffens als IOC-Präsident wirkt das, was auf der Planche im Allgemeinen passiert, als sehr viel einleuchtender: agieren und reagieren, im richtigen Moment attackieren und sich zurückziehen. Der mittlerweile 67 Jahre alte Tauberbischhofsheimer hat in seinem Leben viele Tätigkeiten ausgeübt, und immer schienen sie diesem Muster zu folgen.

Kritik perlt an Thomas Bach ab

Als Athlet engagierte er sich als Aktivensprecher, verbesserte seine Redegewandtheit und fand Gefallen an der Rolle des Interessenvertreters. 1982 wurde er Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees, 1991 des IOCs. Seit 2000 war er mit kurzer Unterbrechung Vize-Präsident. Früh stieg der Jurist auch in der Wirtschaft auf: Der hochumstrittene Adidas-Chef Horst Dassler machte ihn 1985 zum Direktor für internationale Promotion. Bach war Präsident des viel kritisierten Vereins Ghorfa, der die Interessen aller arabischer Handelskammern in Deutschland vertritt. Als Berater für verschiedene Firmen nahm Bach viel Geld ein. Doch die Kritik an den teuren Verträgen perlte wiederholt an ihm ab. Bach pariert, Bach attackiert.

Als er zur Wahl des IOC-Präsidenten 2013 antrat, konnte er die wichtigsten Unterstützer hinter sich versammeln, darunter den kuwaitischen Scheich Ahmed al-Sabah, den Königsmacher. 2021 braucht er den gar nicht mehr: Alleinherrscher Bach hat die übrigen 101 stimmberechtigten IOC-Mitglieder unter seiner Fuchtel, es gibt keine ausgeprägte Debattenkultur. Kurzum: Er ist das IOC. Auf al-Sabah muss sich Bach also nicht mehr stützen, er könnte es auch gar nicht: Dem 57-Jährigen wird gerade in Genf wegen Urkundenfälschung der Prozess gemacht, al-Sabah lässt daher seine IOC-Mitgliedschaft ruhen.

Bach zeigt sich mit Kim Jong-un oder Wladimir Putin

Das Duett mit den Mächtigen ist Bachs Paradedisziplin. Er posiert gern mit den Herrschern, immer im Sinne der Friedensbotschaft des Sports versteht sich. Man sieht ihn mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un oder mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Die Winterspiele 2014 in Sotschi versanken im größten Dopingskandal der Geschichte. Bach zog sich geschickt zurück, verteidigt seinen Posten bis heute. „Ich war überrascht, wie nah und trotzdem unnahbar Thomas Bach ist. Ein Politiker eben“, sagt etwa Johannes Vetter, Speerwurf-Weltmeister von 2017, über ihn.

Der Vergabeprozess für die Olympischen Spiele 2032 passt ins Bild. Bachs enger Verbündeter John Coates, IOC-Vize und Vorsitzender des australischen NOKs, hat die Evaluierungskommission ins Leben gerufen, die nun den australischen Kandidaten Brisbane empfahl. Wieder scheinen Beziehungen im Spiel zu sein, die Rhein-Ruhr-Initiative gilt deshalb als gescheitert.

Thomas Bach führt "Schiff in stürmischen Zeiten“

Australien ist in der Corona-Krise für das IOC ein sicherer Ausrichter. Und Bach ein sicherer Präsident, der dem Ringe-Orden Rekordeinnahmen bei der TV-Vermarktung und bei Sponsorenverträgen beschert hat. „Thomas Bach hat vor acht Jahren ein zweifelsohne schwieriges Erbe im IOC und damit wohl zugleich die schwierigste Aufgabe an der Spitze des Weltsports übernommen“, sagt DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Und Thomas Weikert, deutscher Präsident des Tischtennis-Weltverbandes ITTF, ergänzt: „Thomas Bach steuert ein Schiff durch stürmische Zeiten. Er wird oft kritisiert, aber man muss einfach sagen, dass er in dieser schwierigen Zeit insgesamt einen guten Job macht.“

Doch Stabilität, wenn es sie denn gibt, ist immer nur von kurzer Dauer. Nach den Sommerspielen in Tokio sind die Winterspiele 2022 in Peking geplant. Wegen der Unterdrückung der Uiguren bahnt sich neuer Ärger an. Bach wird parieren, solange es nötig ist.