Essen. Joachim Löw tritt nach der EM 2021 als Bundestrainer zurück - der begehrte Job ist zu haben. Wer könnte Löw beerben? Ein Faktencheck!

Einer der begehrtesten Trainer-Jobs im Weltfußball ist ab Juli 2021 zu vergeben: Bundestrainer beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). In den vergangenen Jahrzehnten waren große Erfolge bei Europa- und Weltmeisterschaften stets garantiert - zuletzt wurde Deutschland 2014 unter Joachim Löw Weltmeister. Doch nun tritt Löw nach der EM 2021 vorzeitig zurück.

Die Aussichten für den Nachfolger sind attraktiv, bedeuten aber auch großen Druck: Bereits nach anderthalb Jahren steht das erste große Turnier auf dem Programm - die WM 2022 in Katar. Und 2024 findet die Europameisterschaft in Deutschland statt; da wird der Titelgewinn das große Ziel sein.

Wer sind die ersten Kandidaten?

Stefan Kuntz: Bei der Auswahl seiner Bundestrainer war der DFB in seiner Geschichte nicht sehr kreativ. Bundestrainer der Männer-Nationalmannschaft waren nach dem ersten Trainer Otto Nerz (1926 bis 1936) stets Ex-Nationalspieler und/oder ehemalige Co- oder U21-Nationaltrainer. Interne Beförderungen waren die Regel. Das macht U21-Trainer Stefan Kuntz automatisch zum Top-Kandidaten. Der 58-Jährige bestritt von 1993 bis 1997 25 Länderspiele (sechs Tore), wurde 1996 Europameister. 2016 übernahm er die U21 und führte sie 2017 zum EM-Gewinn. Kuntz ist zudem eloquent genug, um die komplexen Anforderungen an die Außendarstellung eines Bundestrainers erfüllen zu können.
Wahrscheinlichkeit: 40 Prozent

Ralf Rangnick: Wählt der DFB erstmals in seiner Geschichte eine komplett externe Lösung, dürfte Ralf Rangnick auf der Liste ganz oben stehen. Der 62-Jährige hat aktuell keinen Verein und könnte sich lange auf die Aufgabe vorbereiten. Für Rangnick wäre die Rolle als Bundestrainer die Krönung seiner Laufbahn. Rangnick gilt als Vater einer ganzen Trainer-Generation, er führte die TSG Hoffenheim und RB Leipzig als Verantwortlicher vom Amateurfußball in die Bundesliga.
Wahrscheinlichkeit: 35 Prozent

Jürgen Klopp: Der 53-Jährige ist der Traum-Kandidat vieler deutscher Fans. Rhetorisch ist er so begabt wie kein anderer Trainer, zweimal in Folge wurde er zuletzt zum "Welttrainer" gekürt. Durch zahlreiche Werbeverträge ist er in Deutschland omnipräsent, auch wenn er gerade in England arbeitet. In 20 Jahren als Trainer feierte er mit Mainz 05, Borussia Dortmund und dem FC Liverpool große Erfolge. Nun läuft es bei den "Reds" aktuell nicht so gut - was Klopp zu einem noch interessanteren Kandidaten macht. Aber: Stets hat Klopp seine Verträge erfüllt, sein aktueller gilt bis Juni 2023. Darauf wies er auch in der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Spiel gegen RB Leipzig hin. Mitten in der ersten großen Krise würde er Liverpool ohnehin nicht verlassen. Sollte der Misserfolg anhalten, wäre aber eine Freistellung Klopps nicht mehr undenkbar - und seine Pflicht der Vertragserfüllung nicht mehr gegeben...
Wahrscheinlichkeit: 15 Prozent

Marcus Sorg: Macht es sich der DFB ganz einfach und befördert einfach den Co-Trainer - so wie 2006, als Löw auf Jürgen Klinsmann folgte? Das ist in diesem Fall eher unwahrscheinlich. Im Gegensatz zu Löw, der nach dem "Sommermärchen" übernahm, hat Sorg keine große Erfahrung als Cheftrainer im Profibereich. In der Bundesliga trainierte er lediglich den SC Freiburg - und das wenig erfolgreich. Im Juli 2011 hatte er den SC übernommen, im Dezember musste er gehen, das Team stand auf dem letzten Tabellenplatz. Seitdem arbeitete Sorg nur als Jugend- (Bayern München U17, DFB U19) oder Co-Trainer der Nationalmannschaft (seit 2016).
Wahrscheinlichkeit: 7 Prozent

Hansi Flick: Wäre Flick weiterhin nur Co-Trainer des FC Bayern - er wäre der logische Löw-Nachfolger. Von 2006 bis 2014 war er Löws loyaler Assistent, kennt sowohl DFB-Manager Oliver Bierhoff als auch die Abläufe der Nationalmannschaft genau. Auch in der DFB-Geschäftsstelle kennt er sich bestens aus, von September 2014 bis Januar 2017 war er DFB-Sportdirektor. Doch seit November 2019 ist er Cheftrainer der Bayern und gewann seitdem in anderthalb Jahren sechs Titel. Ihren Erfolgstrainer, der bis Mitte 2023 unter Vertrag steht, werden die Bayern kaum abgeben.
Wahrscheinlichkeit: 3 Prozent

Lothar Matthäus: Der Rekord-Nationalspieler als Bundestrainer? In vielen Ländern ist das üblich. Lothar Matthäus' ehemaliger Bayern-Mitspieler Mehmet Scholl brachte den fast 60-Jährigen nun ins Gespräch. "Kann man immer anhören im Fernsehen und er hat immer Recht mit dem, was er sagt. Und er ist ein großartiger Trainer, was ich von seinen ehemaligen Spielern gehört habe", sagte Scholl. Matthäus selbst schloss aber ein Engagement beim DFB aus: "Ich bin mit meinem Leben zufrieden. Das schließe ich aus. Ich habe eine ganz andere Planung." Seinen Vertrag als Experte des Pay-TV-Senders Sky hat er gerade verlängert.
Wahrscheinlichkeit: 0 Prozent