Cortina d'Ampezzo. Der 33-Jährige wurde im österreichischen Kader aussortiert. Im deutschen Rennanzug läuft er zu Hochform auf. Der Erfolg überwältigte ihn.

Cortina d’Ampezzo. Als die Anspannung langsam wich, es keinen Zweifel mehr gab, spielten die Gedanken von Romed Baumann verrückt. „Ich war ganz unten, jetzt bin ich fast ganz oben“, sagte der Skirennläufer vom WSV Kiefersfelden. Zuvor hatten ihn die Gefühle übermannt. Tränen flossen an einem Tag, der in seiner schon sehr langen Karriere vielleicht der schönste war, auf jeden Fall einer der schönsten. Acht Jahre nach seiner bisher einzigen Einzelmedaille bei einem Großereignis gewann Baumann am Donnerstag im Super-G der Ski-WM in Cortina d’Ampezzo Silber. 2013 war er allerdings noch für Österreich gefahren, mittlerweile trägt er den Rennanzug der Deutschen. „Saucool“, sagt er.

Diese wunderbare Geschichte wäre beinahe noch um eine Pointe reicher gewesen. Denn in Führung lag der Österreicher Vincent Kriechmayr, kaum auszudenken, was in der Skination losgewesen wäre, hätte Baumann den Thron erklommen und vor dem ehemaligen Teamkollegen gewonnen.

Vor zwei Jahren aus Österreichs Kader geworfen

Baumann war vor zwei Jahren vom österreichischen Skiverband aus dem Kader geworfen worden, nach einer Saison, die nicht gut lief. „Viele haben gesagt, der ist zu alt, der traut sich nicht mehr, der attackiert nicht mehr“, erinnert er sich. Mit 33 Jahren wollte er aber nicht aufgeben, und seine deutsche Ehefrau überredete ihn, es mit einem Nationenwechsel zu probieren. Bei den Deutschen rannte er zunächst keine offenen Türen ein, denn da entstand gerade eine junge Mannschaft mit einem Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen als Leitwolf.

Der deutsche Alpinchef Maier war skeptisch

Alpinchef Wolfgang Maier sah es zwar als falsches Signal, einen 33-Jährigen aufzunehmen, gab aber Baumann trotzdem eine Chance. Die nutzte der, überzeugte sehr schnell Maier, die Trainer und die neuen Kollegen. Er sei „eine Bereicherung“, stellte der zunächst skeptische Alpinchef fest. Baumann teilte seine Erfahrung mit der Mannschaft, und die Mannschaft sorgte für das Wohlfühlklima, für die Nestwärme, die der gebürtige Tiroler in Österreich mit den hart umkämpften Startplätzen vermisst hatte. „Ich habe in Deutschland die Hilfe bekommen, die ich gebraucht habe, damit ich wieder dahin komme, wo schon einmal war.“

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Als Baumann vor 15 Jahren im österreichischen Rennanzug in die ersten Erfolge gefeiert hatte, war er als kommender Gesamtweltcupsieger bezeichnet worden, weil er für alle Disziplinen gleich talentiert schien. Vielleicht war es aber diese Vielseitigkeit, überall vorne dabei aber deshalb in keiner Disziplin überragend zu sein, weshalb ihn andere überholten. Beim ÖSV schwand die Wertschätzung für ihn immer mehr.

Rasanter Aufstieg von Baumann

Als Baumann in der vergangenen Saison für Deutschland die ersten Rennen bestritt, fing er fast wieder von vorne an. Im Super-G startete er mit der Nummer 52, in der Abfahrt die 32. In der schnellsten Disziplin schaffte er den Sprung unter die besten 30 schnell, im Super-G erst in dieser Saison. In Val d’Isere belegte er mit der Startnummer 42 den 35. Rang, in Gröden eine Woche später war er schon 16, es folgten die Plätze sieben in Bormio, elf in Kitzbühel und zehn am vergangenen Wochenende in Garmisch-Partenkirchen. Es war zwar eine beachtliche Leistungssteigerung innerhalb weniger Monate, die ihn aber noch nicht in die Rolle der Medaillenkandidaten für den Super-G in Cortina hievte.

Baumann wählt die richtige Taktik

Dass er nun bei der WM in Cortina das beste Super-G-Resultat seiner Karriere schaffen könnte, damit hat wohl nur er gerechnet. Er habe sich selten so gut gefühlt im Starthaus, erzählte er. „Da denkt man nicht nach, da hat man keine Zweifel. Man weiß genau, was man macht.“ Er wusste auch genau, wie die Klippe im oberen Teil der Strecke am besten zu bewältigen ist. „Da hat es Taktik gebraucht“, sagte Baumann. Er drosselte das Tempo vor dem Sprung und musste deshalb vor dem folgenden Tor keinen Bremsschwung einlegen wie viele andere Athleten. Noch besser gelang die Passage nur Kriechmayr, der aber im unteren Teil etwas Zeit verlor. Der Rückstand auf den Führenden war deshalb immer kleiner geworden, im Ziel betrug er nur noch sieben Hundertstelsekunden. „Es ist so locker gegangen. Ich habe überhaupt nicht schnaufen müssen im Ziel“, sagte der WM-Zweite. Die Luft ist da anderen weggeblieben. Den Österreichern zum Beispiel.