Cortina d’Ampezzo. Am Montag beginnt in Cortina die Alpin-WM. Die deutsche Aussicht auf Medaillen ist mau. Dafür sind die Abfahrer aber angriffslustig.

Es war fast wie ein Katzensprung, der Ortswechsel, der mit ein wenig mehr Anspannung verbunden war als all die bisherigen in dieser Ski-Saison. Von Garmisch-Partenkirchen herüber nach Innsbruck, rauf auf den Brenner, dann rein ins Pustatal, bei Toblach rechts abbiegen. Von da sind es knapp 30 Kilometer bis Cortina d’Ampezzo. Ganz so schnell ging es für die deutschen Alpin-Asse am Samstagnachmittag aber doch nicht. Wie alle, die in diesen Tagen in den Dolomitenort wollen, mussten sie sich am kleinen Flugplatz am Ortsrand auf Corona testen lassen, ehe sie weiterfahren durften. Die letzte Etappe vor den wichtigsten Rennen des Winters.

Die Ski-WM in Cortina, die heute mit der Frauen-Kombination beginnt, ist nicht nur wegen der Corona-Pandemie eine spezielle. Wenn deutsche Skirennläufer in den vergangenen Jahren, ja: Jahrzehnten, zu einem Großereignis fuhren, standen entweder nur die Frauen oder die Slalomfahrer im Mittelpunkt. Nun sind in Viktoria Rebensburg die letzte Siegfahrerin der goldenen Generation und in Felix Neureuther ein mehrfacher Medaillengewinner nicht mehr dabei – Kira Weidle (Starnberg) und Lena Dürr (München) fahren jedoch nur fernab der Medaillenränge mit.

Abfahrer sind die Hoffnungsträger

So sind plötzlich die Abfahrer die Hoffnungsträger in den Dolomiten. Dazu noch Zagreb-Sieger Linus Straßer im Slalom, der aber erst in der zweiten Woche an der Reihe ist. Die Hochgeschwindigkeitsfahrer treten zumindest in einer ungewohnten Mannschaftsstärke auf. „Wir sind darauf getrimmt, dass wir vorne mitfahren“, sagt Alpindirektor Wolfgang Maier.

Fünf deutsche Schnellfahrer stehen im WM-Aufgebot, mehr als es Startplätze gibt pro Disziplin. Maier findet, dass der Konkurrenzkampf im eigenen Team leistungsfördernd ist. „Nur die hungrigen Wölfe jagen auch wirklich gut“, sagt er. Neben Romed Baumann (Kiefersfelden), Andreas Sander (Ennepetal) und Dominik Schwaiger (Königssee), die die Qualifikationsnorm erfüllt haben, und Rückkehrer Thomas Dreßen (Mittenwald) darf noch der junge Simon Jocher (Garmisch), der am Samstag bei seinem Heim-Weltcup mit Platz 18 im Super-G in Garmisch wieder überzeugt hat, mitfahren, reinschnuppern in die WM. Josef Ferstl (32) muss wegen seines Sturzes am Freitag, als er sich einen Muskelbündelriss im linken Hüftbeuger und ein angebrochenes Sprunggelenk zuzog, auf Cortina und den Rest der Saison verzichten.

2001 letztes Edelmetall in der Abfahrt

Deutsche Abfahrer hatten seit der WM 2001, als Florian Eckert überraschend Bronze gewann, mit der Medaillenvergabe nichts oder nicht viel zu tun. Gut möglich, dass dies auch am kommenden Sonntag in der Abfahrt der Fall sein wird. Der Beste, Dreßen, hat gerade eine gut zweimonatige Verletzungspause hinter sich. Für Maier muss das aber nicht bedeuten, dass der dreimalige Abfahrtssieger der vergangenen Saison chancenlos ist. „Er ist extrem cool aufgestellt und weiß genau, was er tut“, sagt der Alpinchef. Dreßen habe immer das Potenzial, „mit Ansage auf das Podium zu fahren“. Die anderen haben in den bisherigen Saisonrennen solide, gute Ergebnisse gezeigt, aber eben keine, die sie aufs Podium gebracht hätten. Beim Super-G am Samstag wurde Baumann Zehnter. Der 13. Platz von Sander war dessen zweitschlechtestes Saisonergebnis in dieser Disziplin. „Favoriten“, sagt Baumann, „sind andere“.

Die Athleten aus Italien zum Beispiel. Sie sind die einzigen WM-Starter, die die nur für die Titelkämpfe gebaute Piste schon befahren haben. Das sorgt beim Konkurrenten Österreich für Verunsicherung. „Das ist schon ein Nachteil“, sagte Matthias Mayer. Der Olympiasieger belegte am Samstag in Garmisch beim letzten Rennen vor der WM den zweiten Platz hinter Teamkollege Vincent Kriechmayer. Die deutschen Abfahrer machen sich darüber nicht so viele Gedanken vor der Premiere auf der Vertigine-Piste am Dienstag beim Super-G. Sander weist darauf hin, auf neuen Strecken „immer gut“ gefahren zu sein. Baumann wolle sich keinen Kopf machen: „Wenn ich die ganze Zeit sinniere, weil ich die Piste nicht kenne, brauche ich gar nicht zu fahren. Bei der WM fährt jeder mit dem Messer zwischen den Zähnen.“