Hamburg. Football-Experte Patrick Esume nimmt die Super-Bowl-Gegner Tampa Bay Buccaneers und Kansas City Chiefs für uns unter die Lupe. Das ist sein Tipp.

Das Super-Bowl-Wochenende ist für Patrick Esume der krönende Abschluss eines Ausnahmezustands. Der 47 Jahre alte Hamburger begleitet die US-Football-Eliteliga NFL als Deutschlands anerkanntester Experte für den Privatsender ProSieben und versucht mit seinem Team an jedem Spielwochenende von September bis Februar, den Fans den in Deutschland boomenden Sport in all seinen Facetten zu erklären. Das Endspiel, das in der Nacht zu Montag (0.30 Uhr MEZ/ ProSieben und Dazn, Vorberichte von 20.15 Uhr an auf ProSieben) Titelverteidiger Kansas City Chiefs und die Tampa Bay Buccaneers zusammenführt, ist für Esume, der in diesem Jahr aus ersichtlichen Gründen nicht live aus den USA berichten wird, in mehrfacher Hinsicht ein besonderes. Warum das so ist, auf welche Duelle man achten muss und wo er den Schlüssel zum Sieg sieht, beschreibt er im Gastbeitrag für diese Zeitung.

Die Besonderheit im Super Bowl

Zum ersten Mal in der seit 1967 währenden Geschichte des Super Bowls ist ein Team aus der Gastgeberstadt auch auf dem Kunstrasen dabei. Der Austragungsort des Finales wechselt jedes Jahr und wird weit vor Saisonbeginn festgelegt. Natürlich ist es bitter für die Buccaneers, die erstmals seit ihrem 48:21-Finalsieg gegen die Oakland Raiders 2003 das Finale erreicht haben und damals ihren bislang einzigen Titelgewinn feierten, dass ausgerechnet in diesem Jahr ein volles Stadion ein unerfüllter Traum bleiben wird.

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Aber auch die 22.000 zugelassenen Fans werden für eine großartige Kulisse sorgen. Nicht zu unterschätzen ist zudem der Vorteil, die Woche vor dem großen Spiel nicht im Hotel schlafen zu müssen, sondern die gewohnte Routine durchziehen zu können. Das könnte den Buccaneers helfen, denn die Ablenkung ist in normalen Zeiten riesig. Wenn das wegfällt, dürfte das der Konzentration auf den Sport zuträglich sein.

Das wichtigste Super-Bowl-Duell

Natürlich sprechen alle vom direkten Aufeinandertreffen des „Goat“ (Greatest of all times) mit seinem legitimen Nachfolger. Quarterback Patrick Mahomes (25), der die Chiefs mit seinem genial-hybriden Lauf- und Passspiel im vergangenen Jahr zum Titel geführt und sie auch in dieser Saison wieder zum offensiv variabelsten Team der Liga geformt hat, fordert Spielmacher-Legende Tom Brady (43) heraus. Den Mann, der im vergangenen Jahr nach 20 Spielzeiten und neun Super-Bowl-Teilnahmen die New England Patriots verließ – und mit seinem neuen Team gleich in der Premierensaison seine zehnte Finalteilnahme schaffte. Diese Erfahrung ist es, mit der Brady aus einem guten Team, das die Buccaneers auch ohne ihn waren, ein sehr gutes macht. Er weiß genau, was rund um einen Super Bowl passiert, und er wird seine Mitspieler darauf vorbereiten. Nervosität kennt er nicht.

Gleiches gilt allerdings, trotz des Altersunterschieds von 18 Jahren, für Mahomes, den es nicht jucken wird, wer da auf der anderen Seite die Pässe wirft. Er hat sein Meisterstück im vergangenen Jahr gemacht – und wird nun heiß darauf sein, die Ära Brady zu beenden. Das Duell der Quarterbacks mag insofern zwar das am meisten beachtete sein, entscheidend ist es aber nicht, denn...

Der Schlüssel zum Sieg in diesem Super Bowl...

…liegt darin, dass die Defensive der Buccaneers es schaffen muss, das Bermudadreieck der Chiefs zu verlangsamen. Aufhalten kann man Mahomes und seine wichtigsten Anspielstationen Travis Kelce (31/Tight End) und Tyreek Hill (26/Widereceiver) nicht. Aber wenn es gelingt, ihre Kreise zumindest entscheidend einzuengen, dann – und nur dann – sind die Chiefs verwundbar. Das Problem: Hill läuft die 100 Meter unter zehn Sekunden, er ist der Mann für die Big Plays, den man in Doppeldeckung nehmen muss, damit er seinen Gegenspieler nicht auf die große Hafenrundfahrt mitnimmt.

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Und Kelce muss bereits an der Line of Scrimmage (Linie, die vor Beginn des Spielzugs nicht überschritten werden darf) aufgehalten werden. Wenn er ungestört seine Passrouten laufen kann, reißt er jede Abwehr in Stücke. Dazu kommen starke Ballträger wie Darrel Williams oder Clyde Edwards-Helaire, die im Laufspiel viele Optionen ermöglichen. Ist der Defense der Buccaneers zuzutrauen, diesen Offensiv-Tornado zu stoppen? Auf jeden Fall! Das haben sie über die gesamte Saison bewiesen, sie waren wohl das Team mit der heißesten Defense.

Für die Chiefs ist – neben ihrer unglaublich variablen Offensive – der Schlüssel zum Sieg die Frage, wie sie Druck auf Brady ausüben. Auf das Wie kommt es dabei entscheidend an, denn einfach nur Druck genügt nicht. Klar ist, dass Brady, der nie einer der beweglichsten Quarterbacks war, mittlerweile die Mobilität eines Geldschranks hat. Er hat ein überragendes Auge und sieht auch in Bedrängnis Lücken, wo andere eine Mauer sehen. Aber Druck von innen, der ihn nach außen treibt, schmeckt ihm nicht. Seine drei Interceptions im Halbfinale gegen die Green Bay Packers haben das gezeigt. Die Packers haben diese Geschenke nur nicht angenommen. Die Chiefs werden das tun, aber dafür brauchen sie einen Plan, um Brady in ähnliche Bedrängnis zu treiben, und das ist die Aufgabe der Coaches.

Die Trainerteams im Super Bowl

Der Coaching Staff spielt im American Football eine extrem wichtige Rolle, weil die verschiedenen Koordinatoren mit den Ansagen von Spielzügen oder Formationen deutlich mehr Einfluss auf ein Spiel nehmen als beispielsweise im Fußball. Sowohl Andy Reid (62) bei den Chiefs als auch Bruce Arians (68) sind erstklassige Headcoaches, die ihren Quarterbacks viel Raum zur Gestaltung lassen, den beide brauchen und nutzen. Allerdings ist das Zusammenwirken von Reid, Mahomes und Offensive Coordinator Eric Bieniemy (51) ein so außergewöhnliches, dass die Chiefs Spielzüge laufen, die sonst niemand läuft.

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Wenn es darauf ankommt, haben die immer ein Ass im Ärmel. Reid hat mit seinem ersten Super-Bowl-Triumph im vergangenen Jahr noch einmal an Standing gewonnen, dazu steht mit Steve Spagnuolo (61) ein erstklassiger Defensive Coordinator an seiner Seite. Sowohl ihn als auch Bieniemy halte ich für die etwas bessere Besetzung als ihre Pendants Todd Bowles (57) und Byron Leftwich (41) bei den Buccaneers. Deshalb: Vorteil Kansas City.

Mein Super-Bowl-Tipp

Die Chiefs sind Favorit, sie haben sehr viel Selbstvertrauen und wissen, dass sie dank ihrer Offensivmacht wirklich jedes Team in der NFL auseinandernehmen können. Aber Tampa hat bewiesen, dass sie defensiv das wohl heißeste Team der Liga sind. Ich bin sicher, dass Mahomes seine Offensive zu mehr als 30 Punkten treibt, aber der Heimvorteil für die Buccaneers wird dafür sorgen, dass es ein enges Spiel wird. Ich tippe auf 31:28 für Kansas City.