Oberstdorf. Der frühere Skisprung-Star Sven Hannawald litt unter Depressionen - jetzt setzt er sich neuen Risiken aus: im Motorsport. Bei der Vierschanzentournee 2009/2010 ist er Co-Moderator.

Wer an die Vierschanzen-Tournee denkt, dem fällt sofort der Name Sven Hannawald ein. Als erster Skispringer gelang dem heute 35-Jährigen bei der Tournee 2001/2002 der Grand Slam, Triumph auf allen vier Schanzen. Wenn heute und morgen in Oberstdorf die Qualifikation und das Auftaktspringen über die Bühne gehen, wird Hannawald an der Schanze als Co-Moderator „seinen Senf hinzugeben“, wie er es selbst nennt. Aber das Skispringen ist nicht mehr sein Leben. Sven Hannawald spricht über seine Karrierepläne als Rennfahrer und wie er seine Burn-Out-Erkrankung überwunden hat.

Herr Hannawald, die letzte Meldung auf Ihrer Homepage ist schon über ein Jahr alt. Sven Hannawald wird Stürmer beim Fußball-Kreisligisten TSV Burgau, ist dort zu lesen. Was gibt es Neues?

Sven Hannawald: Ich wechsele zur Winterpause zum TSV Neuried. Das ist ein Klub in der Nähe von München, den ich durch zwei Kumpels kenne. Das Kicken macht mir unglaublichen Spaß, da kann ich mich austoben, auch wenn ich technische Mängel habe. Fußball ist eine gute Vorbereitung auf meine neue Herausforderung im Motorsport.

Wie sieht diese Herausforderung aus?

Hannawald: Ich bin schon häufiger Autorennen gefahren. Jetzt will ich das ernsthafter betreiben. Nicht nur ab und zu mal als Gast in einem Cockpit sitzen. Ich werde in der ADAC Formel Masters eine ganze Saison bestreiten. Ich will das ernsthaft angehen und sehen, wie weit ich komme, wenn ich das Rennfahren so ernsthaft angehe wie früher die Springerei.

Gehen Sie wirklich mit dem gleichen Ehrgeiz an die Sache wie früher als Weltklasse-Skispringer?

Hannawald: Nur locker geht nicht. Davon habe ich auch nichts, ich will doch nicht nur hinterher fahren. Der Motorsport ist meine neue Vision.

Sie haben vor vier Jahren mit dem Skispringen aufgehört, weil sie am Burn-Out-Syndrom litten. Jetzt suchen Sie wieder den Wettkampf. Hat Ihnen der sportliche Vergleich so sehr gefehlt?

Hannawald: Nach meinem Karriere-Ende habe ich eine große Leere in mir gefühlt. Da hatte ich erst einmal keine Lust auf Sport. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass mir was fehlt.

Sie haben wieder eine Sportart gewählt, die viel Mut erfordert.

Hannawald: Das ist normal, wenn man einen Sport mit Risiko betrieben hat. Man sucht den Kick. Ich bin nicht süchtig nach Adrenalin, aber ich brauche es. So wie Michael Schumacher, der hat sich auch nicht auf die Couch gesetzt, sondern ist Motorradrennen gefahren

Michael Schumacher startet jetzt sein Comeback. Reizt es Sie nicht, auch noch mal von der Schanze zu fliegen?

Hannawald: So einfach mal wieder auf die Schanze gehen, das kann man nicht. Da muss man im vollen Training sein. Nach zwei Jahren Pause zu sagen: So, jetzt habe ich wieder Bock auf einen Sprung – das funktioniert nicht. Das ist viel zu gefährlich. Aber es juckt auch nicht bei mir. Ich habe den Sinn des Lebens gefunden. Früher gab es nur Skispringen, Skispringen, Druck, Druck. Jetzt geht es um meine Familie, um eine glückliche Beziehung.

Aber Motorsport ist auch gefährlich. Sie haben einen Sohn, der bei seiner Mutter in Berlin lebt, und eine Freundin, mit der sie in München zusammen wohnen. Was sagt die Familie zu Ihren Motorsportplänen?

Hannawald: Das ist mit meiner Freundin abgesprochen. Angst habe ich nicht. Aber ich gebe zu, ich verspüre ein mulmiges Gefühl, weil ich nicht genau weiß, was auf mich zukommt. Das macht jedoch den Reiz aus.

Der Fußball-Torhüter Robert Enke hat wie Sie unter Depressionen gelitten. Wie haben Sie seinen Selbstmord aufgenommen?

Hannawald: Sicherlich hat mir der Selbstmord noch mal vor Augen geführt, wie heftig diese Krankheit ist. Ich bin froh, dass ich damals dem Rat der Ärzte gefolgt bin und mich in eine professionelle Behandlung begeben habe. Ich hatte aber zu keiner Zeit Selbstmordgedanken.

Wer hat Ihnen geholfen, aus dem Tief herauszukommen?

Hannawald: Zum einen die Therapeuten, die mir endlich aufzeigen konnten, was eigentlich meine Probleme waren. Zum anderen die Familie.

Sind Sie jetzt völlig gesund?

Hannawald: Ich bin endlich im normalem Leben angekommen. Ich mache mir nicht mehr so viele Gedanken. Ich bin weg von der Krankheit, auch wenn ich jetzt professionell in den Motorsport gehe. Ich bin nicht auf so einer Welle, dass ich irgendwelche Erwartungen erfüllen muss. Als Laie im Motorsport-Zirkus ist für mich gar nicht daran zu denken, dass ich um den Meistertitel mitfahre. Ich gehe mit Ehrgeiz in die Rennen, aber ich werde darauf achten, dass sich der Druck in Grenzen halten wird.