Dortmund. Borussia Dortmund und Trainer Lucien Favre gehen ab sofort getrennte Wege. Wie es zur Entscheidung kam und wie die Beteiligten reagieren.

Um 14.47 Uhr fuhr der Mann vor, der künftig bei Borussia Dortmund das sportliche Kommando führt: Edin Terzic steuerte seinen Opel auf das BVB-Gelände im Stadtteil Brackel, wo er am Sonntagnachmittag das Training leiten sollte. Und wenig später bestätigte der BVB auch offiziell, was inzwischen schon alle wussten: Lucien Favre ist nicht mehr Trainer des Vizemeisters, er war am Vormittag freigestellt worden. Die blamable 1:5 (1:1)-Niederlage gegen den Aufsteiger VfB Stuttgart war aus Sicht der Verantwortlichen dann doch der eine Rückschlag zu viel.

Edin Terzic fährt beim BVB vor - dort erfuhr er, dass er vom Co-Trainer zum vorübergehenden Favre-Nachfolger aufgestiegen ist.
Edin Terzic fährt beim BVB vor - dort erfuhr er, dass er vom Co-Trainer zum vorübergehenden Favre-Nachfolger aufgestiegen ist. © Unbekannt | Unbekannt

„Es fällt uns schwer, diesen Schritt zu gehen“, erklärte Sportdirektor Michael Zorc. „Gleichwohl sind wir der Meinung, dass das Erreichen unserer Saisonziele aufgrund der zuletzt negativen Entwicklung in der gegenwärtigen Konstellation stark gefährdet ist und wir deshalb handeln müssen.“

Favre sah dies naturgemäß anders: „Wir hatten zwei sehr erfolgreiche Jahre und haben eine Mannschaft, die auch in diesem Jahr am Ende eine erfolgreiche Saison gespielt hätte. Davon bin ich überzeugt“, sagte der Schweizer. Doch nach dem desaströsen 1:5 gegen Stuttgart, nach dem dritten Ligaspiel in Serie ohne Sieg, nach einer ganzen Reihe von blutleeren Auftritten trauten die Verantwortlichen Favre die Wende nicht mehr zu.

BVB-Co-Trainer Terzic übernimmt

Die Entscheidung zur Trennung fiel nach Informationen dieser Redaktion erst am Sonntag. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, Sportdirektor Michael Zorc und Lizenzspielerchef Sebastian Kehl mussten erst einmal eine Nacht über das Erlebte schlafen, Abstand gewinnen. Dann trafen sie sich am Sonntag und entschieden: So geht es nicht weiter. Favre, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, wurde informiert – und Terzic gefragt, ob er sich vorstellen könne, bis Saisonende zu übernehmen. Konnte er. Als Assistenten stehen dem 38-Jährigen nun Talentetrainer Otto Addo (45) und Sebastian Geppert (36) zur Seite, der bislang die Dortmunder U17 betreute.

Gegen 15 Uhr schließlich fuhren Watzke, Zorc, Kehl und Marketing-Geschäftsführer Carsten Cramer am Trainingsgelände vor, um die Mannschaft zu informieren, die sich dort schon zum Training versammelt hatte. Watzke richtete das Wort an die Spieler, er dankte Favre noch einmal explizit für zwei Vizemeisterschaften und für die angenehme Zusammenarbeit, der Trainer sei ein feiner Mensch gewesen. Zudem nahm der BVB-Chef auch die Profis in die Pflicht, ruhig im Ton, aber deutlich in der Sache – so berichteten es Anwesende.

Danach dann ging es mit dem neuen Trainerteam auf den Platz. Nur der neue Co-Trainer Geppert konnte noch nicht dabei sein: Der 36-Jährige wurde zwar wie die gesamte Mannschaft am Samstag auf Corona getestet – bis das Testergebnis vorlag, muss er sich aber noch von den Profis fernhalten, da er bislang nicht Teil des Testregimes war.

Favre und Dortmund - immer wieder Krisen

Nach zweieinhalb Jahren endete damit die Ära Favre beim BVB, was die Verantwortlichen aufrichtig bedauerten – denn mit dem stets höflichen, verbindlichen Favre hatten sie auf menschlicher Ebene tatsächlich sehr gerne zusammengearbeitet. Sportlich allerdings hatte es immer wieder kleinere und größere Krisen gegeben.

 Favre hatte die Mannschaft in seiner ersten Saison zwar in Rekordzeit stabilisiert, nachdem es zuvor einen beispiellosen Absturz unter Peter Bosz gegeben hatte und sich der Klub unter Peter Stöger gerade noch auf Rang vier ins Ziel rettete. Dann allerdings verspielte der BVB neun Punkte Vorsprung auf den FC Bayern und damit eine riesengroße Chance auf die Meisterschaft. In der folgenden Saison stand Favre nach einer Sieglos-Serie und einem 3:3 gegen Aufsteiger SC Paderborn schon vor dem Aus, konnte das Ruder aber mit deutlich erfolgreicheren Auftritten noch herumreißen.

Favre hinter Tuchel zweitbester BVB-Trainer

In der Folge aber fehlte es immer wieder an Konstanz. Mit 2,08 Punkten pro Bundesligaspiel ist Favre zwar der zweitbeste Trainer der Klubgeschichte hinter Thomas Tuchel, Titel aber holte er bis auf den Supercup nicht – weil es immer wieder unerklärliche Ausrutscher gab.

In dieser Saison verlor die Borussia beim FC Augsburg, stabilisierte sich dann scheinbar – verspielte dann aber die glänzende Ausgangsposition in der Bundesliga mit einer Niederlage gegen den 1. FC Köln, einem Unentschieden gegen Eintracht Frankfurt und nun dem Debakel gegen Stuttgart.

1:5-Niederlage gegen Stuttgart in der Höhe verdient

Was besonders schmerzte: Die 1:5-Niederlage gegen die Schwaben war auch in der Höhe verdient. Der BVB war komplett zerfallen und hatte den Gegentoren durch Silas Wamangituka (26., Foulelfmeter/52.), Philipp Förster (60.), Tanguy Coulibaly (63.) und Nicolas Gonzalez (90.+1) nur einen Treffer durch Giovanni Reyna (39.) entgegenzusetzen. Zorc und Watzke sahen das Minimalziel Champions League gefährdet – und griffen durch. Dass Favre die Mannschaft in der Königsklasse zum Gruppensieg geführt hatte, rettete ihn nicht mehr.