Frankfurt/Main. . Bundestrainer Löw stellt sich und gibt sich kämpferisch. Für die EM schließt er eine Rückkehr eines Weltmeister-Trios nicht mehr aus.

Der angenehmste Teil des Tages kam für den Bundestrainer gestern zum Schluss. In der Qualifikation zur WM 2022 in Katar trifft Deutschland auf Rumänien, Island, Nordmazedonien, Armenien und Liechtenstein – keine Gruppe, vor der Joachim Löw Angst haben muss. Doch bevor am Abend ausgelost wurde, hatte Löw bereits ein aufregendes Programm hinter sich.

In einem roten Rollkragen-Pullover hatte Löw am Nachmittag auf einem Podium gesessen – zu einer etwas anderen Pressekonferenz. Denn es ist selten, dass Löw Rede und Antwort steht, wenn nicht gerade ein Spiel ansteht oder abgepfiffen wurde. Löw wirkte eine Stunde lang mal sauer, mal zielstrebig, mal enttäuscht, mal souverän – aber immer stabil. Im 15. Jahr seiner Amtszeit steht der 60-Jährige so sehr in der Kritik wie selten zuvor. Doch sein Auftritt war eine Botschaft: An Rücktritt denkt er nicht, und große Selbstzweifel hat er ebenfalls nicht.

Verärgert über eine Pressemitteilung

Auch interessant

Es war das 0:6-Debakel in Spanien am 17. November, das die Diskussionen um Löw intensivierte – auch innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes. Doch die Art und Weise, wie das vonstatten ging, missfiel Löw in vielen Bereichen. Und das sagte er auch deutlich – und dabei sah er frisch aus: Die grauen Haare aus Sevilla sind verschwunden.

Er begann mit einer Kritik an einer Pressemitteilung, die sein Arbeitgeber DFB nach dem Spanien-Spiel verschickt hatte: „Darin stand, der Trainer brauche eine emotionale Distanz. Das ist für mich unverständlich. Eine emotionale Distanz brauche ich auch nach solch einem Spiel nicht.“ Dass zahlreiche Interna an die Öffentlichkeit geraten seien, habe ihn „maßlos enttäuscht. Dann herrscht bei mir immer Explosionsgefahr“. Das hätte er bei seiner Teilnahme an einer DFB-Präsidiumssitzung auch deutlich zum Ausdruck gebracht.

Im Fokus der Scheinwerfer: Bundestrainer Joachim Löw.
Im Fokus der Scheinwerfer: Bundestrainer Joachim Löw. © dpa

Die Querelen beim DFB würden seine Arbeit mit den Spielern nicht direkt beeinflussen, aber er richtete einen Appell an das Präsidium: „Ich wünsche mir Geschlossenheit und Vertrauen zueinander. Störfeuer wie diese müssen nicht sein.“ Mit DFB-Präsident Fritz Keller habe er sich ausgesprochen: „Damit ist die Sache für mich erledigt.“ Klar ist aber: Sein Kredit als Weltmeister-Trainer von 2014 ist aufgebraucht. Und das weiß er auch.

„Wir sind von dem Weg überzeugt“

Wirkte Löw zunächst noch verärgert und enttäuscht, schaltete er im zweiten Teil der Pressekonferenz um, schaute nach vorn und stellte seinen Plan vor. Interessant: Der Bundestrainer zeigte sich flexibel, ohne von seinem Konzept im Grundsatz abzuweichen. „Wir haben 2019 begonnen, einen Umbruch einzuleiten. Wir sind von diesem Weg absolut überzeugt. In den eineinhalb Jahren bis jetzt haben wir vieles gut gemacht. Wir haben gesehen, dass sich die Mannschaft entwickeln kann, dass sie das Vertrauen verdient. Es gibt keinen Grund, alles über den Haufen zu werfen. Rückschläge waren von uns einkalkuliert.“ Hohe Ziele würde er sich weiter setzen: Natürlich habe er die Ambitionen, 2021 die EM zu gewinnen. „Aus meiner Überzeugung sage ich, dass diese Mannschaft ein großes Potenzial hat, eine sehr, sehr große Zukunft.“

Auch interessant

Doch wenn es notwendig werden sollte, so suggerierte Löw, würde er dafür die Weltmeister Thomas Müller, Jerome Boateng (beide Bayern München) und Mats Hummels (Borussia Dortmund) zurückholen. „Wenn ich im nächsten Jahr vor der Nominierung sehe, dass die Mannschaft noch dieses oder jenes braucht, um erfolgreich zu sein, dann werden wir dies tun“, sagte Löw. Momentan aber, nach nur einem schlechten Spiel, bestünde dafür keine Veranlassung. „Bei einem Umbruch ist es erst einmal wichtig, dass junge Spieler die Möglichkeit bekommen, zu spielen“, sagte Löw. Die Bayern-Profis Leon Goretzka und Joshua Kimmich würden sich zudem gerade zu Führungsfiguren in der Mannschaft entwickeln.

Ende März 2021 trifft sich das DFB-Team zum nächsten Länderspielblock – dann beginnt die WM-Qualifikation. Ab Anfang 2021 will sich Löw auch wieder Bundesliga-Spiele vor Ort anschauen. „Wegen der Corona-Pandemie gab es die glasklare Anweisung an uns, nicht in die Stadien zu gehen“, sagte Löw. „Es enttäuscht mich zu lesen: Bundestrainer Löw ist abgetaucht.“ Und gestern stellte er sich der Kritik.