Essen. Das DFB-Präsidium belässt Bundestrainer Joachim Löw nicht nur im Amt, es stellt sich auch uneingeschränkt hinter dessen Kurs des Umbruchs.

Die Mitteilung war voller Harmonie: Das Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes habe entschieden, „den seit März 2019 eingeschlagenen Weg der Erneuerung der Nationalmannschaft mit Bundestrainer Joachim Löw uneingeschränkt fortzusetzen“, teilte der Verband am Montagnachmittag mit. Es bestehe „die feste Überzeugung, dass Joachim Löw und sein Trainerteam trotz einer für alle herausfordernden Situation erfolgreiche Spiele und Ergebnisse liefern werden“. Außerdem wurden „die hochqualitative Arbeit des Trainerstabes, das intakte Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer sowie ein klares Konzept für das bisherige und weitere Vorgehen“ hervorgehoben. Die bis 2022 fixierte Zusammenarbeit wird fortgesetzt.

Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass Arbeitgeber ihren Angestellten vertrauen und diese auch einmal loben, idealerweise sollte es die Regel sein. Aber Zeitpunkt und Vehemenz der vielen positiven Bekundungen überraschten dann doch. Denn es war ja eine heftige Debatte entbrannt um Löw nach der 0:6-Niederlage im Nations-League-Spiel gegen Spanien vor zwei Wochen, der höchsten Niederlage einer deutschen Nationalmannschaft seit 1931. Eine Debatte, die der DFB hatte laufen lassen, weil sich niemand so recht zu Löw bekennen wollte – außer Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff unmittelbar nach Abpfiff.

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Danach folgten eine persönliche Erklärung des Präsidenten Fritz Keller und eine Mitteilung des Verbandes, die es schafften, den Namen Löw nicht ein einziges Mal zu erwähnen und auch ansonsten maximal distanziert klangen. Stattdessen wurde ein Zeitplan verkündet: Bis zum 4. Dezember habe der Bundestrainer Zeit, die Niederlage aufzuarbeiten und zu analysieren, dann werde das Präsidium darüber befinden.

Das Profilager stützt Löw

Doch dann ging alles viel schneller. Am Montag tagte eine kleine hochkarätige Runde in der DFB-Zentrale an der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise: Präsident Keller, die Vizepräsidenten Rainer Koch und Peter Peters sowie Schatzmeister Stephan Osnabrügge – und dazu Löw und Bierhoff. Es war fast der gesamte Präsidialausschuss des Verbandes beisammen, nur der seit Monaten krankgeschriebene Generalsekretär Friedrich Curtius fehlte – und damit ein gewichtiger Gegenspieler des Präsidenten Keller.

Recht schnell wurde man sich einig: Peters als Vertreter der Deutschen Fußball-Liga ist wie der überwiegende Teil des Profilagers ein Unterstützer Löws. Auch Keller ist diesem Lager zuzurechnen – auch wenn er gelegentlich eine kritischere Haltung einnimmt und eine klare Festlegung aus verbandspolitischen Gründen lange gescheut hatte.

Das Präsidium trägt den Umbruch voll mit

Das mächtige Gremium entschied also: Der Bundestrainer bleibt. Und das Präsidium, das satzungsgemäß zuständig ist, folgte dieser Empfehlung noch am Montag in einer Telefonkonferenz einvernehmlich. Alles andere hätte allerdings auch den Präsidenten und den Nationalmannschafts-Direktor nachhaltig beschädigt.

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„Ein einzelnes Spiel kann und darf nicht Gradmesser für die grundsätzliche Leistung der Nationalmannschaft und des Bundestrainers sein“, hieß es anschließend. Zustimmung gab es auch für Löws Einschätzung, „dass nachfolgende Turniere – konkret die WM 2022 in Katar und die EM 2024, die im eigenen Land stattfindet – als Perspektiven und sportliche Ziele bereits zum jetzigen Zeitpunkt in den weiteren sportlichen und personellen Überlegungen eine Rolle spielen müssen.“ Soll heißen: Die DFB-Führung trägt Löws Umbruch voll mit, Forderungen nach einer sofortigen Rückkehr der ausgemusterten Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng gibt es nicht.

Ein großes „Weiter so“

Es war ein einziges großes „Weiter so“. Dafür gab es gute Gründe, auch aus der Mannschaft bekam Bierhoff nach Informationen dieser Redaktion das Signal, dass die Spieler überwiegend hinter dem Bundestrainer stehen. Andererseits fragte man sich am Montag nicht nur im Löw-Lager, ob man dieses Ergebnis nicht auch kurz nach dem Spanien-Spiel hätte haben können, ohne zwei Wochen quälender Debatte.

Aber der DFB ist eben kein straff organisierter Profiklub. Dem Präsidenten Keller wurde aufgrund der negativen Erfahrungen mit seinen Vorgängern schon bei seiner Amtsaufnahme die Richtlinienkompetenz gestrichen, nun muss eben das gesamte Präsidium entscheiden – das kann schon einmal länger dauern.

Der Bundestrainer schweigt öffentlich

Außerdem gibt es sie ja auch noch im DFB, die Löw-Kritiker. Die nicht nur das 0:6 gegen Spanien sehen, sondern auch das Vorrunden-Aus bei der WM 2018. Den Abstieg in der Nations League 2019, den nur eine Aufstockung der Gruppen verhinderte. Und die zuweilen arg entrückte Art des Bundestrainers und seines Teams.

Der Jogi sei eben ein Fußballlehrer, und so sehe er sich auch, sagt einer, der ihn sehr gut kennt. Die Mannschaft wird nicht besser, wenn ich mich ins Sportstudio setze, so denkt der Bundestrainer – also lässt er es, auch wenn das nicht immer klug ist. Auch am Montag verzichtete Löw darauf, sich zu erklären: Die DFB-Zentrale verließ er durch einen Seitenausgang.