München. Vorm vorzeitig möglichen Einzug ins Achtelfinale der Champions League gibt sich Bayern-Trainer Flick. Zu spüren bekommen das Spieler wie Süle.

Von einer verbesserten Personallage konnte Hansi Flick am Dienstag nicht berichten. Wegen muskulärer Beschwerden stünden weder Corentin Tolisso noch Bouna Sarr zur Verfügung, sagte der Trainer des FC Bayern vor dem Gruppenspiel der Champions League gegen RB Salzburg an diesem Mittwoch.

Nur bei Linksverteidiger Lucas Hernández (Beckenprellung) hoffe man noch, dass dieser dabei sein kann, zumindest auf der Bank. Erneut nicht im Kader stehen wird zudem Niklas Süle, wie Flick erst auf Nachfrage mitteilte. Das fügte sich vorm angestrebten vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale in jenes Bild, das Flick zum Innenverteidiger schon am Samstag beim 1:1 gegen Bremen vermittelt hatte.

Süle sorgt für Irritationen

Mit klaren Ansagen war der Trainer da aufgefallen, als er Süle einen Tribünenplatz zugewiesen und einen „Trainingsrückstand“ attestiert hatte. Das erstaunte durchaus, weil Süle zuvor für die deutsche Nationalelf gegen die Ukraine und in Spanien aufgelaufen war. Flick interessierte das wenig. Er verwies nun auf Süles Ausfall bis zum Sommer wegen eines Kreuzbandrisses, seine zwischenzeitliche Quarantäne und wiederholte, was er beim Werder-Spiel geäußert hatte. „Wichtig ist, dass er zu 100 Prozent fit ist und seine Leistung abrufen kann“, sagte Flick.

Es ist ein Verzicht, der gerade wegen der angespannten Personallage samt Ausfall von Sechser Joshua Kimmich ein wenig irritiert und Züge einer Disziplinarmaßnahme erahnen lässt. Zumal die Bild-Zeitung berichtete, der Trainer störe sich an einer Gewichtszunahme Süles. „Wie Sie es interpretieren, ist Ihre Sache“, antwortete Flick nun auf eine entsprechende Nachfrage knapp.

Flicks klare Kante ließ sich zuletzt zunehmend beobachten. Der Terminstress und die Absenzen? Dürften keine Entschuldigungen sein, verfügte Flick und ließ wissen, dass für den jüngst erworbenen Sechser Marc Roca gegen Bremen dennoch „kein Platz“ in seiner hochbelasteten Mannschaft gewesen sei. Hinzu kam ein Interview mit der Welt am Sonntag, in dem Flick einem bevorstehenden Abschied der Verteidiger Jérôme Boateng und David Alaba zum Saisonende entgegentrat. „Wir wissen, was wir an Jérôme haben. Und tun gut daran, gewisse Entwicklungen abzuwarten“, sagte Flick, „dass mit Jérôme nicht mehr geplant wird, habe ich in die dieser Klarheit nicht gehört.“ Auch über diesen angeblich feststehenden Beschluss der Vereinsführung war zuvor berichtet worden.

Hainer stößt ein delikates Thema an

Offenbar hält es Flick vor den noch acht Spielen bis zum 19. Dezember für nötig, die Sinne zu schärfen, mit aller Konsequenz. Zu spüren bekommen das Spieler wie Vorgesetzte. Wie Präsident Herbert Hainer, der jüngst verkündete, das Angebot zur Vertragsverlängerung mit Abwehrchef Alaba zurückgezogen zu haben. Über diesen öffentlichen Vorstoß bei dem ohnehin delikaten Thema sei er „alles andere als glücklich“, sagte Flick zuletzt. Er möchte Ruhe und Alaba unbedingt halten, gerne auch Boateng.

Wer Flick seit seiner Amtsübernahme von Niko Kovac im November 2019 beobachtet, erkennt eine Wandlung. Anfangs galt Flick nicht als Mann für die erste Reihe, sondern als der nette Helfer Hansi. Vor allem sein sympathisches Auftreten und seine Empathie wurden gelobt. Inzwischen wird seine Fachkompetenz überall sehr geschätzt. Mit seiner markant gestiegenen Reputation als Triple-Trainer wird nun immer häufiger jenes geradlinige Eintreten für seine Interessen sichtbar, das ihm lange nicht zugetraut wurde – womöglich auch nicht von der Klubführung. Flick ist jetzt mehr Hans-Dieter als Hansi. Oder, weil er seinen Doppel-Vornamen nicht gerne hört, der harte Hans.

Diesen hatte Hasan Salihamidzic schon früh zu spüren bekommen. Bald nach seinem Amtsantritt forderte Flick öffentlich einen Rechtsverteidiger als Back-up für Benjamin Pavard. Er sei „kein Freund medialer Kaderplanung“, antwortete Salihamidzic ebenso öffentlich. Als der Sportvorstand Álvaro Ordiozola fürs erste Halbjahr 2020 beschaffte, fand Flick für diesen kaum Verwendung. Es war ein eindeutiges Urteil über Real Madrids Leihspieler. Auch jetzt scheinen sie sich bei der Kaderplanung nicht ganz einig zu sein, siehe Boateng. Und dass Flick seinen eigenen Kopf hat und vertritt, zeigt auch der Königstransfer von Salihamidzic.

Sané ist bisher mehr ein Ergänzungsspieler

Leroy Sané, nach langem Poker und einem Kreuzbandriss für knapp 50 Millionen Euro im Sommer von Manchester City stolz verpflichtet, ist bisher mehr Ergänzungs- denn Stammspieler. Gegen Salzburg könnte er immerhin mal wieder auf dem Flügel beginnen, jedenfalls vielleicht. Süle aber müsse sich mindestens bis zum Ligaspiel am Samstag in Stuttgart gedulden, vielleicht auch bis zur Reise zu Atlético Madrid kommende Woche, sagte Flick noch. Es gelte, erst den Trainingsrückstand aufzuholen, befand der Trainer streng. Heißt auch: Boateng ist derzeit seine unangefochtene Stammkraft in der Innenverteidigung. Noch so ein klares Signal an alle im Verein.