Essen/Weihai. Tischtennis-Bundestrainer über die besondere Hygiene-Blase vor dem World Cup in China. Über Schutzanzüge, Corona-Tests - und Hoteltelefone.

Jörg Roßkopf wird heute die Tür seines Hotelzimmers öffnen. Er wird auf den Flur treten. Er wird ihn hinunter laufen. Vielleicht wird er an die Tür von Dimitrij Ovtcharov oder Patrick Franziska klopfen. Egal, wie er sich entscheidet: Keiner wird ihn aufhalten. Seit Mittwochabend ist für den Tischtennis-Bundestrainer und seine Spieler die 14-tägige Quarantäne in China beendet. Nun dürfen sie sich sehen, wann sie wollen, nicht nur zu den streng überwachten zweimal drei Stunden Training am Tag. Endlich können sie sich freuen – auf den World Cup, das drittwichtigste Turnier nach Olympia und Weltmeisterschaften, das an diesem Freitag in Weihai in China beginnt. Es ist das erste internationale Turnier nach acht Monaten Corona-Pause. Und es findet in einer besonders strengen Hygieneblase statt.

Hinter dem deutschen Team liegen zwei mental sehr anstrengende Wochen. Roßkopf (51), Ovtcharov (32) und Franziska (28) erlebten, was Hygieneblase in jenem Land bedeutet, das als erstes unter dem Coronavirus litt. Einem Land zudem, das sich nicht vor extremen Schutzmaßnahmen scheut. „Das ist der Wahnsinn, wie die das hier in den Griff bekommen haben“, sagt Roßkopf. Wer in China landet, muss direkt in Quarantäne. Und die sei „sehr streng, sehr hart“.

World Cup: Weihai statt Düsseldorf

Konkret hieß das für den Doppel-Weltmeister von 1989 und sein Team: Regelmäßige Corona-Tests und Temperaturmessungen, das Zimmer durfte erst gar nicht, dann nur unter Aufsicht zum Training in abgeschirmter Halle verlassen werden, das Essen wurde vor die Tür gebracht. „Über das gute alte Hoteltelefon“ habe Roßkopf Kontakt zu seinen Spielern gehalten, ihnen Übungen vorgegeben, um sich fit zu halten. „Das war eine große Belastung, auch wenn wir wussten, was uns erwartet“, sagt er.

Besonders geschützer Empfang für Tischtennis-Profi Dimitrij Ovtcharov (r.) in China.
Besonders geschützer Empfang für Tischtennis-Profi Dimitrij Ovtcharov (r.) in China. © Instagram | dimaovtcharov

Eigentlich hätte der World Cup in Ovtcharovs Heimatstadt Düsseldorf stattgefunden, doch der Weltverband ITTF entschied, das Turnier und die anschließenden ITTF-Finals (19. bis 22. November) in China zusammenzuziehen. Asien ist der größte Markt im Tischtennis – er wird so mit den einzigen internationalen Events bedient.

Roßkopf: „Alles wird kontrolliert“

Weil es um wichtige Weltranglisten-Punkte geht, nahmen auch die deutschen Spieler die Strapazen auf sich. Sie schränkten ihre Freiheiten, ihre Kontakte ein, um dabei sein zu können – und um sich und andere zu schützen. „Wir fühlen uns hier sehr sicher“, sagt Roßkopf. Wenn sie Menschen begegneten – zum Beispiel beim Transfer von Shanghai nach Weihai – dann trugen diese Schutzanzüge. Selbst die Busfahrer. „Das ist echt nicht witzig. Es wird alles kontrolliert, über Video oder über Kontrolleure in den Hotels“, sagt Roßkopf.

Er berichtet davon in zehn Sprachnachrichten. Er sendet sie, weil die Internetverbindung nicht stabil genug für ein Videogespräch ist. Doch er beschwert sich nicht. Nicht über das Internet. Nicht über die Auflagen. „Wir haben ein Handbuch, was erlaubt ist und was nicht“, sagt er. „Es ist ganz klar: Wer sich nicht daran hält, wird vom Turnier ausgeschlossen, muss abreisen. Von daher halten sich alle dran. Was ja auch richtig ist.“

Nur Tischtennis-Star Boll schon für Tokio qualifiziert

Zumal der sportliche Wert für die deutschen Profis hoch ist. Nur Top-Star Timo Boll (39) von Borussia Düsseldorf, der in China nach einer Rückenverletzung fehlt, ist durch seinen Sieg bei den Europaspielen schon für die Olympischen Spiele qualifiziert. Roßkopf glaubt, dass die Weltrangliste am Ende entscheiden könnte, wer im kommenden Jahr noch nach Tokio fahren darf. Er sehe ein „großes Problem bei Qualifikationsturnieren. Wann und wie sollen die stattfinden?“

Training in abgeschirmter Halle: Dimitrij Ovtcharov (vorne) und Patrick Franzsika.
Training in abgeschirmter Halle: Dimitrij Ovtcharov (vorne) und Patrick Franzsika. © Instagram | joergrosskopf

Also zählt es in China. Ovtcharov, einst Nummer eins der Welt, hat den World Cup einmal gewonnen. Franziska – zuletzt mit Saarbrücken Deutscher Meister – ist zum ersten Mal dabei. „Wir haben in der Zwangspause sehr viel trainiert“, sagt Roßkopf. Auch wenn die im Tischtennis übermächtigen Chinesen einen Standort- und Trainingsvorteil haben, hofft Roßkopf, „dass die Jungs hier gut spielen“. Zum Vergnügen ist wahrlich keiner dort.